Der Längste Tag oder 24 Stunden zum Lake Tahoe (Teil 2/3)

Was bisher geschah: Christoph und Sabine wollen zum Lake Tahoe und CalTrans scheint etwas dagegen zu haben – 10 Meilen vor dem Ziel ist die Route 50 gesperrt und die empfohlene Umleitung knapp 220 Meilen lang. Die müden Helden checken in der Strawberry Lodge ein, dem ersten (und einzigen) Haus am Platze, um dort die Nacht ohne Seeblick zu verbringen. https://flockblog.de/?p=8912

Außer, dass die Betten ganz fürchterlich schwanken, ist an den Akkomoditäten der Strawberry Lodge nichts auszusetzen. Das Frühstück ist bodenständig und reichlich (Eier, Speck, Bratkartoffeln, genau das Richtige für Holzfäller oder schwer verkaterte Zufallsgäste) und wir essen so brav auf, dass man unsere Teller anschließend sofort wieder in den Schrank hätte räumen können (witzigerweise ist abends schwer saufen und morgens viel essen fast auf den Cent genau gleich teuer). Noch eine Zigarette draußen verbibbern (Himmel, liegt hier noch viel Schnee, obwohl schon überall Schmelzwasserbäche strömen) und dann los. Das heißt: erst mal wieder zurück.

Die Strecke ist bei Tageslicht recht hübsch. Die Route 50* folgt dem Flußbett durch den Wald, und ist von ca. 2,5 Meter hohen Schneemarkierungsstangen gesäumt und da… – schon wieder ein Wolf! Bummelt müßig den Highway lang (will sich wohl im Wald keine kalten Pfoten holen) und wartet darauf, dass ihm ein Auto ein Frühstück erlegt. Und so fahren wir dahin, durch Wälder und Auen, bergauf, bergab, vorbei an Ansiedlungen, deren jede auf dem Ortsschild die Höhenlage angibt (sowiesoviel Füße) und die Anzahl der Einwohner (meist zweistellig, bis hin zu geradezu verrückt großen Metropolen (population vierstellig!), die dann auch eine Tankstelle und einen Supermarkt haben) bis die ersten zweieinhalb Stunden um und wir wieder fast in Plymouth sind (da haben wir letzte Nacht umgedreht).

Nun geht es aufwärts, und auf den Bergen liegt noch immer hoher Schnee. Kein Wunder, dass die Nationalparkverwaltung für Besucher der im Winter geöffneten SNO Parks diese Empfehlung ausspricht: Carry a shovel and tire chains. Vehicles parked overnight need to be staked at all 4 corners with 1×2 inch by 8-foot poles to prevent accidental damage by snow removal equipment. Lock your vehicle and do not leave items of value in sight. Winter recreation activities may be hazardous. Your common sense, skill level, use of proper clothing, respect for the terrain and weather will combine to affect your safety. Ich zicke schon, wenn wir kurz für Photos anhalten (die Landschaft ist grandios, aber seit wann gehe ich freiwillig in den Schnee? Außerdem ist es in sonnenlosen Ecken noch recht zapfig.) und würde hier nie im Leben im Winter sein wollen, nicht als Tourist und schon gar nicht ansässig! Versprengt stehen Briefkästen am Straßenrand, hinter denen etwas pfadähnliches in den Wald hineinführt – “Shining” kommt uns in den Sinn. Mehr als die Hälfte des Jahres liegt hier hoher Schnee, nein, nein, nein – nicht mir mir!

Inzwischen geht es mehr bergab als -auf, und es gibt auch schon Wegweiser zum See. Sollte es ihn tatsächlich geben? Wir haben nämlich einen Verdacht (wenn man lange lange lange rumfährt, entwickelt man wunderliche Theorien): Der Lake Tahoe ist die Truman-Show der hieisgen Tourismusbehörde und wird vermittels einer Fototapete vorgetäuscht. Die Leute, die unbedarften Gesprächspartnern von Ausflügen, Wanderungen oder Kanutouren  (oder gar vom Schwimmen – hah!) vorschwärmen sind Mitglieder der LTC (Lake-Tahoe-Conspiracy) und bestochen. Noch acht, sechs, drei, eine Meile zum Lake Tahoe und kein See zu sehen. Mein Handy piepst, so weit unten gibt es anscheinend wieder Netz. Was ist das jetzt? Meine Bank bestätigt per SMS den Eingang einer größeren Summe. Echt? Sollten wir mit unserem Verdacht tatsächlich recht haben? Sieht ganz danach aus… Jetztad. Ich habe verstanden. Dann pack ma’s – wer zahlt, schafft an.

Mit Tele-Shopping-Kanal-Duktus, zwei Stimmlagen höher und billigem amerikanischen Akzent fange ich an zu schwärmen: “Schau doch, Chris, wie schön er da liegt, der See…” Christoph versteht offensichtlich nur Bahnhof: “Häh? Wie? Was? Welcher See? Spinnst du, Sabine?” “Da. Direkt vor uns. Da liegt er. Glasklar, umrahmt von schneebedeckten Bergen…” Christoph ist ernsthaft irritiert: “Du halluzinierst doch! I seg nix! Do is koa Wasser ned…” Klar, Christoph fährt ja, der hat keine Zeit zum SMS-Lesen. Muss er aber, bevor was schiefgeht: “Christoph. Hoit amoi da vorn an dem Parkplatz.” Er tut wie im geheißen, liest seine Textnachricht und reagiert korrekt. [Triefend vor Enthusiasmus] “Sabrina, du hast recht! Kaum samma 24 Stunden unterwegs, scho samma do! Mei, is der See schee. Und schaug amoi, da unten, die Bucht, flaschen… – a wos, smaragdgrün schimmerts.” “Chris, das hätte ich nicht schöner sagen können! Du bist ein wahrer Poet! Wie wohl das Inserl heißt, an dem gerade der Raddampfer vorbeischaufelt?” “Sabrina, das ist Fanette-Island. Da hat sich ein alter Kapitän seinen Ruhesitz gebaut und spinnt Seemannsgarn… [grinsend] Laß’ uns einmal ein paar “Photos” für die Lieben daheim machen.” “Oh, Chris, das ist eine wunderbare Idee! Und dann wollen wir weiterfahren, nach Vikingsholm und Valhalla.” “Sabrina, du verstehst es zu reisen. Was hältst du davon, in Tahoe City am Strand des Lake Tahoe den Sonnenuntergang am Lake Tahoe vor dem Bergpanorama am Lake Tahoe mit meiner neuen Kamera zu photographieren und dann beim Mexikaner, der conveniently direkt neben unserem Hotel mit Blick auf den Lake Tahoe liegt, noch ein paar Schlummer-Magaritas zu nehmen?” Sabrina: [Begeistert quiekend, in die Hände klatschend, dabei auf- und abhüpfend] “Yeaahhh! Oh Chris! Wir müssen allen erzählen, wie toll es hier am Lake Tahoe ist! Das Wasser ist kristallklar! Und diese saubere Luft! Und die Berggipfel, alle mit Schneesahnehäubchen! Sooo schön! Und so ruhig, wenn sich der Abend herabsenkt! Hach… Und manchmal ist das Ufer sogar öffentlich zugänglich und nicht in Trespassers-Will-Be-Shot-Privatbesitz!”

Genug. Es ist auf die Dauer einfach zu anstrengend, nicht lippensynchron zu reden,

PS: Unter den ersten 50 Anrufern in dieser Sendung verlosen wir einen Wochenendtrip für zwei Personen. Zum Lake Tahoe.

* Breaking News am Samstagabend, nachdem wir die Umleitung in ihrer Gänze ausgefahren hatten:

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