“Route 50 – America’s Backbone” (1/3)

Da, wo der Wildbach rauscht, im Wald hinter den Bergen, in der verwunschenen Gegend um Nashville, Diamond Springs, Plymouth, El Dorado und Kibbuz (die amerikanische Schreibweise scheint Kyburtz zu sein), da, wo die Sugar Loaf Lane zum Gingerbread House führt und Wölfe auf der Suche nach Red Riding Hood herumstreunen, da liegt, versteckt zwischen hohen Bäumen und in einem Bett aus winterlichem Restschnee, die Strawberry Lodge. Dort im Erdbeerhotel stranden Reisende, die freitagnachmittags auf dem Weg zum Heavenly Resort am Lake Tahoe den Tücken amerikanischer Straßenbeschilderung erliegen.

Es verhält sich nämlich wie folgt: Die Road 50 ist die kürzeste Verbindung von der Bay Area zum Südende des Lake Tahoe. Sie fährt sich auch nach dem Megafreitagsnachmittagsstau (alles Deppen, die zeitgleich mit uns die Peninsula unbedingt verlassen zu müssen glauben) recht schön und entspannt bis uns Leuchtzeichen am Straßenrand darauf hinweisen, dass die Route 50 am Sowieviel-Summit „closed“ und eine „detour“ eingerichtet sei. Die Umleitung beginnt, ganz erstaunlich schüchtern beschildert. Erst recht am kritischen Abzweig auf die Route 49, so dass wir, wie es scheint, erst einmal vom rechten Wege abkommen und das Navi immer verzweifelter fleht „Drehen Sie, wenn möglich, um!“ Erst einmal sehen wir dafür keinen Anlass, wir haben die Sonne im Rücken, eigentlich muss das stimmen. Und so fahren wir fröhlich durch kalifornisches Hinterland bis uns doch Zweifel kommen und wir kurz vor Plymouth umdrehen, das ganze lange Stück zurückfahren und auf die dieses Mal vermeintlich richtige Route 49 East einbiegen. Und richtig, hier ist wieder eine Leuchttafel, hier sei die “Route 50 Missouri Flat” Umleitung zu Ende. Prima! Soweit, so gut. Es sind noch knapp 100 Meilen zum Lake Tahoe, und wir sind wieder auf der Route 50. Inzwischen ist tiefdunkle Nacht, die Straße führt durch einen finsteren Wald, an gut 2 Meter hohen Schnee(!)wänden vorbei und ab und zu blinkt am Wegesrand wieder eine Tafel, dieses Mal sei der Echo Summit closed. Hoffentlich ist diese Umleitung besser ausgeschildert und hoffentlich ist es nicht wieder so weit. Wir haben nämlich Hunger und Durst und sind müde  – eigentlich wollen wir bloß noch ankommen. Da vorne, wieder eine Leuchttafel. Ab hier sei die Route 50 nunmehr endgültig „closed“. Was? Mitten im Wald? Mitten in der Nacht? Keine 10 Meilen Luftlinie vor dem Ziel? Das kann doch gar nicht sein. Wir fahren weiter. Nochmal ca. 1 Meile. Dort blinken zwei Polizeifahrzeuge und davor steht ein Mann in Straßenarbeiterschutzweste der ein Stopschild hochhält und uns das Offensichtliche mitteilt: „The road is closed.“ (Was für ein Scheißjob, der Arme. Kein Wunder, dass der Polizeischutz braucht.)

Waaaas?  Gar Nicht Gut! Wo ist die Umleitung? Selbstverständlich gebe es eine Umleitung: er erläutert uns die kleine Faltkarte, die CalTrans (das hiesige Verkehrsministerium) hat drucken lassen.* Erst mal den ganzen Weg zurück (wir hätten also einfach nur weiterzufahren brauchen und uns nicht vom Navi verwirren lassen dürfen) und von da aus weiter – noch ca. 200 Meilen so insgesamt. Nein! No way! Zu müde. Zu hungrig. Zu dunkel. Zu viel Kurven. Vielzuviel Finsterwald. Zuviele Wölfe. (Bis dato hatten wir zwar erst einen gesichtet, aber man weiß ja, dass die immer im Rudel vorkommen.)

Was tun? Hmmm. Wir haben doch vorhin am Straßenrand eine Lodge gesehen, dort nehmen wir jetzt einfach ein Zimmer, essen, duschen und schlafen. Guter Plan. Die Umsetzung erfordert aufgrund der Ressourcenlage kleine Modifikationen. Wir bekommen ein wunderbar rustikales Zimmer (selbst der Klopapierrollenhalter ist handgeschnitzt) in einer Traumlage über der rauschenden South Fork des American River. Das hat ja schon mal geklappt, und jetzt essen – am besten irgendwelches fettiges Barfood. Davor hat uns wohl der Heilige Cholesterol schützen wollen, denn der Koch war schon nach Hause gegangen und hatte den Kühlschrank abgeschlossen. Ach, was soll’s? An der Bar gibt’s Erdnüsse und alle Drinks zum halben Preis, solange, wie die Route 50 geschlossen ist. 2 Tüten Erdnüsse, mehrere JDC (Jack Daniels & Coke), reichlich Margaritas aus großen Kübeln  (gelten als Vitamingetränk, denn, so die Barfrau sehr richtig, als sie den Schnapsmix mit einem Schlückchen Zitronenlimonade auffüllt „There’s fruit in it.“) sowie ein abschließender „God of Thunder“ (alle in der Bar vorrätigen Whiskysorten, großzügig eingeschenkt auf wenig Eis + 1 Spritzer Limettensaft, wegen der Vitamine) gelten in unseren Augen inzwischen als vollwertiger Ersatz für eine Abendmahlzeit – wir schaffen’s mit Mühe noch in die Betten (wir haben, wie es scheint, die Sonderausstattung “Karussell” bzw. “Hoher Seegang” gebucht) und halten fest an dem Glauben, dass es morgen ein tolles Frühstück geben wird. Geben werden muss.

To be continued… Werden unsere Helden eine Morgenmahlzeit bekommen? Was hat es mit der Lake-Tahoe-Verschwörung auf sich? Wohin führt die Route 89? Gilt ein Backbone noch als Backbone, wenn man ihn einfach zumacht? *Und warum finden die Amerikaner keinen Leuchttafeleintipper, der es hinkriegt, “Diese Straße ist ab XYZ gesperrt und vorher für Anlieger frei – ein Zugang zum Lake Tahoe ist nicht möglich” zu schreiben?

Stay tuned.

Add a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *

four × 4 =