Fiesta Mexicana

Als ich gerade muttertagskonsumterrorgenervt, mit dem Vorsatz, diese Welt für den Rest des – viel zu kalten – Wochenendes auszusperren, nach Hause komme, steht Carmen da und lädt mich ein. Heute Nachmittag, eine kleine Feier, anläßlich der Erstkommunion ihres Ältesten. Wie üblich, nur “family and friends”, d.h. 30 – 40 Erwachsene und nochmal soviele Kinder. “Au ja, gerne – kann ich was mitbringen?” Nein, das bloß nicht, man habe schon so viel zu essen. “Und der Dresscode?” “Just caj. We’re all family.”

Kurz nach halb fünf wuselt es drüben schon, die Straße ist knalldicht zugeparkt mit Pick-ups, den nächsten weise ich im Hinübergehen in meine Zweiteinfahrt ein. In der Küche sitzen die Frauen mit den Kleinstkindern und wenigstens 3 haben am Herd zu tun, vor dem einen Fernseher (Sportsendung) hängen die alten Männer und raunzen ab und an irgendwas (dann steht eine der alten Frauen auf und bringt dem ihren das Gewünschte), vor dem anderen quieken die Teenie-Girls zu einer Talentshow. Im Garten toben die größeren Kinder auf dem Spiderman-Jumper und die Männer stehen am Feuer, je ein Corona in der Hand, an zwei riesigen (ca. 1,20m Durchmesser) Frittierpfannen und bereiten den Hauptgang zu, “deep fried chicken”.

Zwei Tische biegen sich unter Salaten (keine Schüssel unter einem halben Meter Durchmesser), Salsas, frisch frittierten Tacos, Obst, Brot – bin ich froh, dass ich seit meinem Frühstücksmüsli nichts mehr gegessen habe. Carmens große Schwester Adela unterweist mich: “Du nimmst dir jetzt zwei, drei Tacos und gibst Salat drauf. Also erst mal den da, den habe ich gemacht, das ist geröstete Schweinehaut, 2 Tage lang in meiner Geheimmarinade gezogen mit Tomaten, Jalapeños und Sellerie. Ins nächste Taco tust du den, den hat Theresa gemacht (die andere Schwester – die halten zusammen wie Pech und Schwefel), der ist aus Paprika, Tomaten, Jalapeños und Bohnen, mit Käsewürfeln. Und nimm’ schön viel scharfe Salsa und Limonen, das macht Durst – quieres otra cerveza?”

Halt a mal. Moment a mal. Ich brauche schon beide Hände, um meinen übervollen Pappteller zu halten, und von “otra” kann bei Bier keine Rede sein, das mag ich nicht so. Ja dann vielleicht Tequilla? Ahemm, ich weiß nicht. Könnte ich vielleicht erst mal ein Soda haben? Sie bringt mir irgendwas pappsüßes in Grellorange und überwacht mit Argusaugen, dass ich brav aufesse. Alle Schweinehäute, alle Jalapeños, alle Salsas. “Nein, nein,” versichere ich unter Tränen, “das ist mir nicht zu scharf. Ich hab bloß Heuschnupfen.” (Hab’ ich bei Hilary Clinton abgeguckt.) Jetzt sind die ersten Hähnchenteile fertig, und weil mein Teller leer ist, bekomme ich sofort welche aufgelegt. Huiuiui. Ich muss wohl schon wieder eine Heuschnupfenattacke haben – die Dinger haben die letzten 24 Stunden in einer Marinade aus Senf, Essig und Pfeffer verbracht und sind “hot” wie die Hölle. Arroz und Frijoles de la Olla (an die hat Carmens Mutter die letzten 48 Stunden hingekocht) kommen frisch vom Herd. Davon muss ich auch nehmen, sonst ist “La Mammita” beleidigt. Mann, ist dieser Bohnenbrei gut. Und so sättigend – wie war das nochmal mit dem Tequilla?

Die Männer frittieren noch (Francisco und Carmen haben 80 lbs Hühnerschlegel gekauft und die müssen durch die Feuertaufe) und dabei trinken sie schon ordentlich. Da wird nicht lang Salz geleckt und Aufwand getrieben. Runter damit und in die Limone beißen. Nächste Runde. Nach der zweiten gehe ich wieder zu den Frauen, mich über Kindererziehung unterhalten. Und vielleicht auch langsam heimgehen, denn eigentlich wollte ich nur mal für ein Stündchen nachbarschaftliche Beziehungen pflegen, inzwischen ist die Sonne längst untergegangen.

Gut, auf einen Kaffee bleibe ich noch und komme dabei mit Carmens Vater ins Gespräch, von Einwanderer zu Einwanderer. Er ist drei Jahre älter als ich, vor 37 Jahren ganz alleine hier angekommen und sein Rezept für erfolgreiche Integration ist ganz einfach: hart arbeiten, Geschwister nachholen, Haus bauen, Familie gründen (3 Töchter, 1 Sohn, 9 Enkel), noch ein Haus bauen (dieses mal “Duplex”, also ein Doppelhaus), weiter hart arbeiten. Und viel feiern. “Mexicans make party all the time, we don’t need no reason.” Hmmm, das wußte ich nicht. Ich kann mir auch ganz schwer vorstellen, dass sich mein kleiner Bruder nachholen lassen wollen würde. Ich habe, scheint’s, den mittleren Teil ausgelassen, aber hart arbeiten und feiern, das kann ich auch. Aber wenn ich das nächste Mal auswandere, probiere ich es mit Carmens Papas Variante.

Thanks for having me, guys – mucho appreciado!

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