Sonntagmorgen. Das Wetter überzeugt nicht für einen Außenaufenthalt, also die Buchempfehlung meiner jugendlichen Referenzleserin geschnappt, Leselicht an und wieder ab unter die warme Decke.
Hmmm. Tja. Hmmm. Vielleicht muß man ein heranwachsender Mensch sein, um auf dieses Buch hereinzufallen. Es ist, das muss man ihm zugestehen, ein guter Plot. Im Rahmen eines nicht unspannenden Multiversumsettings werden die heißen Themen unserer Zeit adressiert. Rassismus, Homophobie, Trumps Politiktheater, Sexismus, Pandemie. Alles da. Alles irrsinnig USA-zentriert.
Aber.
Der Weltenretter ist ein siebzehnjähriger weißer Footballspieler. Nicht der Quarterback, wie sonst immer, sondern einer von der Line Defense. Das sind die, die fürs Tackling verantwortlich sind und mindestens einmal pro Spiel das Gehirnerschütterungsprotokoll durchlaufen müssen (“Wieviele Finger zeige ich dir gerade?”). Ja, und jedes Mal, wenn es recht rumpelt, wird unser Heldenbub in ein anderes Paralleluniversum versetzt. Im ersten sind nur die Stopschilder blau statt rot, im dritten wurde die Rassentrennung in den USA nie aufgehoben.
[Achtung! Spoiler]Erst, wenn unsere halbstarke Rotznase die Lebensumstände anderer wirklich mit und selbst erlebt, wird ihm klar, dass es nicht schön ist, dass der Quarterback seine Cheerleaderfreundin so verdrischt, dass sie zwengs Wahrung des schönen Scheins dickes Make-up auflegen muss, dass es nicht gut ist, wenn der beste Freund aus dem ursprünglichen Universum die Schule abbrechen und im Supermarkt schuften muss, bloß weil er schwarz ist, dass er selbst gar kein schlechterer Mensch ist, weil er ein Universum weiter schwul und nicht einmal dann, als er im übernächsten ein Mädchen* ist. Bloß, wie sich das Umfeld dann auf einmal verhält. Uiuiui. Da muss er bzw. sie aber mal wirklich was gegen machen und sondert kiloweise Ratgebersätze ab.
Ich verrate nicht, wie es ausgeht, weil sich das eh jede*r denken kann. Mann, Mann, Mann, Herr Shusterman. Sie haben das möglicherweise wirklich gut gemeint und nicht nur wegen des sicheren kommerziellen Erfolgs veröffentlicht. Sie haben das auch spannend und flüssig und in politisch korrekter Sprache geschrieben. Aber gut ist ihr Game Changer deswegen nicht. Gar nicht.
Sonntagnachmittag, kurz vor drei. Ich bin durch die 400 Seiten durch und mit dem Buch fertig.
* In Amerika sind alle Frauen “Girls”, Selbst- und Fremdbild. Ich weiß nicht, wie eine Siebzehnjährige sich hierzulande benennt, werde das aber nachfragen.