Kein Eis, kein Schnee, kaum Verkehr (und das an einem Freitagnachmittag) und in Mannheim fährt mich der Gott der Schleichwege zum Bahnhof. Da stehe ich nun, und habe bis zur Abfahrt meines Zuges wahrhaftig noch Zeit zum Vertrödeln und kein Feueralarm weit und breit. Wie schön. Und weil Freitag ist, die Woche hart war und ich noch lange nicht daheim bin, gönne ich mir für die Fahrt ein Hildaplätzchen. Das ist ein simples mit Marmelade gefülltes Mürbgebäck und wir kennen es als Spitzbuben.
“Eine gute Wahl”, lobt mich die tuckigste Tunte, die ich je an einem Bäckereitresen erlebt habe, “das ist das einzige, was hier noch süßer ist als ich.” Stimmt, er ist eine rechte Augenweide und nein, danke, einen Bon brauche ich nicht. “Ha-ach, hu-uch, dann haben wir beiden Hübschen ja schon wieder einen Baum gerettet.” Ja, is gut, Junge. Aber recht hat er. Trotzdem will ich das Thema nicht vertiefen, auch nicht, wenn ich doch so gerne wissen würde, wie man aus einem ganzen Baum einen einzigen Beleg schnitzt. Aber nein. Wenn ich schon mal Zeit habe, spring ich noch flott in die Buchhandlung im Untergeschoß. Die haben nämlich immer eine gut sortierte Remitendenkiste draußen stehen und ich sonst nie Muße. Heute schon. In der Kiste sind jetzt vier Bücher weniger, dafür ist für den Rest der Reise mein Koffer schwerer. Aber der hat Räder und ich dieses Jahr noch viele Zugfahrten vor mir. Da muß ich durch.
Im Waggon, gut gesetzt mit Keks, heißem Kaffee sowie frischem Buch fragt mich wer, ob ich hier neu bin. Ich brauche einen Moment, um zu realisieren, dass es sich um den Schaffner handelt, bei dem die Nachfrage nach dem Fahrausweis klingt, als spielten Tramitz und Herbig Traumzug Surprise, Periode Hallo Du da. Mit weit abgespreiztem kleinen Finger (Klischee, aber was will man machen) drückt er der Fahrkarte seinen Stempel auf und wünscht “noch eine fröhliche Fahrt. Tschühüssi!”. Dann fragt er umgehend die nächste Passagierin, ob sie denn wohl hier neu sei und verabschiedet sie mit dem Wunsch, sie möge “glücklich reisen”.
Die Bahn wäre wohlberaten, den Mann zum Trainer für Zugbegleitungspersonal zu machen. Der ganze Wagen hatte Spaß, war nett zueinander und es wurde mehrfach Prosecco bestellt.