In meinem Hunsrückhalbjahr sind mir einige Filme durch die Lappen gegangen. Mittelschlimm, denn im Gegensatz zu Konzerten und Theateraufführungen liegt es in der Natur des Films, konserviert und damit auch zu einem späteren Zeitpunkt nachholbar zu sein.
Hab mit dem Nachholen mit dem Joker angefangen und war, wie es mir von Kritiken allerorten versprochen worden war, erschlagen. Erschlagen vor Begeisterung. Joaquin Phoenix hat sich diese Figur so dermaßen zu eigen gemacht, Lee Strasberg wäre stolz auf seinen Meisterschüler gewesen. Man kann als Zuschauer gar nicht anders, als mit dem armen Arthur Fleck zu fühlen, einer fast schon ganz gescheiterten Existenz, die überall aneckt, auffällt und beschissen behandelt wird, geschlagen und getreten für nichts und wieder nichts. Man möchte so gerne, dass er sich einmal nicht gar so linkisch unnormal benähme, damit auch die anderen sehen, dass er doch eigentlich ein Getriebener ist und kein Schlechter. Allein, darin liegt die große Kunst des Films. Dieser Figur, die man aus allen Batman-Filmen nur als den Erzbösen kennt, eine Geschichte zu geben, sie zu vermenschlichen. Man nehme nur all die extrem berührenden Tanzszenen (Triple-Hach!). Oder eine meiner Lieblingsszenen, in der Arthur als Besucher eines Comedy-Clubs immer an Stellen in irres Gelächter ausbricht, die für andere nicht komisch sind, sich ihm aber partout nicht erschließen will, wenn und warum die anderen lachen. Man fühlt sogar mit ihm, wenn er tötet. Denn er wehrt sich ja nur. Und welche anderen Mittel es dafür geben könnte, wenn es welche gäbe, hat man ihn nie gelehrt.
Wiewohl man den Joker bis dato nur als die Nemesis des Batman kennt spielt die Familie Wayne in diesem Film nur eine untergeordnete Rolle. Wo doch, kommt sie nicht gut weg. Bruces Vater Thomas Wayne ist ein Kapitalist wie aus einem sozialistischen Kinderbuch, hat gar keine Freude am Plebs und will, zwecks Schaffung von Ordnung, seiner Ordnung wohlgemerkt, Bürgermeister von Gotham werden. Natürlich nur “zum Besten” der Stadt. Selbstverständlich kommt ihm dabei, wenn auch unabsichtlich, Arthur Fleck in die Quere und wird zum Auslöser einer Revolte. Eine Art Occupy mit Clowns; ganz großartige Szene.
Am allermeisten berührt hat mich Arthurs Ansprache kurz vor dem Showdown und blutigen Ende des Films. Er ist nicht einmal so vermessen, Gerechtigkeit zu fordern, “Decency”, sagt er, wäre doch schon ein Anfang. Also ein anständiger Umgang der Menschen miteinander. Sehr “zeitgeist”.
Joker ist ein wirklich großartiger Film geworden. Anschauen! Anschauen! Anschauen! Anschauen!
PS: Roberto de Niro vergleichsweise blass aussehen lassen – das muss man auch erst mal schaffen. Bravo Mr. Phoenix!