Man muß es sich mit Elmar-Gunsch-Stimme eingesprochen vorstellen: “Es war eine liebe Zeit, die gute alte Zeit vor anno 1800. In Schottland gleich gar. Das Bier war noch dunkel, der Whiskey weich, die Wiesen saftig, die Bacherlen sprudlig, die Lochs löchrig und die Steine mystisch. Auch die Menschen waren typisch, die Burschen schneidig im Kilt und die Dirndl sittsam trotz milchpreistreibender Ausschnitte. Die Honoratioren hießen “Lairds” und sie waren a bisserl vornehm, a bisserl verschlagen und a bisserl leger. Englischen Rotröcken war damals wie heute nicht zu trauen, aber gegen ihren Captain Black Jack Randall waren sie unschuldiger als Lämmer noch. Es war halt noch vieles in Ordnung, damals, wo man eine Familie noch ungestraft “Clan” nennen durfte und stolz darauf war, ihre Karos zu tragen. Die Frau wollten keine Quoten, sondern wußten, wo ihr Platz war. Und wenn nicht, dann wurde die Hexe halt verbrannt. Schön wars, damals in Schottland.”
Was heißt hier “schwülstig”? Das war ich nicht! Ausgedacht hat sich die Geschichte von Claire, der Krankenschwester aus dem Frontlazarett, die im Herbst 1945 mit ihrem Gatten, dem Oxfordprofessor, eine zweite Hochzeitsreise nach Schottland unternimmt und dabei durch die Zeit fällt, die Autorin Diana Gabaldon. Inzwischen gibt es acht Bände dieser “historical multi-genre novel”. Ich beliebe diese Gattung hiermit “Historiengeschwurbel” zu nennen – “mit alles und scharf”. So eine Art “Wanderhure trifft Medicus bei Braveheart zum Highland-Tee. Oder Whiskey”, Getränk bitte nach Belieben einsetzen. All-in-One-Historienroman, Lustig-ist-das-Schottenleben-Folklore, Liebes- und Abenteuergeschichte mit Fechtszenen und Rasenhockey, Science Fiction, Fantasy und Supersoftporno mit schwül-verklemmten Sexszenchen auf Bärenfellen, ein bissele schlechter und billiger als die in den Sechs-Dollar-Schmonzetten mit den bunten Schutzumschlägen an der Supermarktkasse. Ganz ganz schlimm. (Vielleicht liegt es nur an der Fernsehbearbeitung, ich habe die Bücher nicht gelesen, bin aber jetzt weidlich abgeschreckt.)
Spoiler Alert!
Wir sehen, wie Claire und der Gatte in mildem Sepia im Cabrio durch Nachkriegsschottland reisen, tagsüber Kirchen und Burgen besichtigen, abends in netten Inns viel essen und des Nachts ihre Sprachlosigkeit mit Sex verdrängen – wie man das halt so macht im Schottischen. Nebenher forscht der Gatte zu seiner Familiengeschichte und das bringt Claire einen Riesenvorsprung, als sie sich wg. unsachgemäßen Umgangs mit magischen Hinkelsteinen auf einmal im gleichen Wald, aber in einer anderen Zeit wiederfindet. Wie gut, daß sie beim Zeitenfall Gürtel und Schuhe verliert, wupps paßt ihr schlichtes weißes Kleid auch ins vorvorige Jahrhundert. Gute Schotten auf der Durchreise bewahren sie vor der Vergewaltigung durch einen englischen Rotrock, der ihrem 20.-Jahrhundert-Gatten wie aus dem Gesicht geschnitten ähnelt, und nehmen die schutzbedürftige Lady mit zum Castle Leoch. Claire, noch neulich im Einsatz an der Front, macht sich umgehend einen Ruf als Heilerin, amputiert, mischt Tees und Tinkturen (wir lernen: Botanik ist ein nützliches Hobby) verbindet, renkt ein. Auch die Schulter des hübschen, stets unfrisierten und lausbübisch grinsenden Jamie* Fraser. Der bietet ihr im Gegenzug galant seinen immerwährenden Schutz an. Hat je ein Mann den Kilt so schön getragen?
Und so geht es weiter und weiter und weiter. Claire trägt fortan züchtige Kleider mit vielen Knöpferln und Bänderln und dennoch riesigen Ausschnitten (und das in diesen kalten Burgen), heilt (dabei stets an der Grenze zur Hexerei balancierend), macht sich durch ihr loses Maul und emanzipiertes Auftreten mehr Feinde als Freunde und entgeht alle Nase lang soooo knapp einer Vergewaltigung (danket Gott für den guten Jamie – immer zur gerade noch rechten Zeit am rechten Ort. Wenn ausnahmsweise nicht, bewähren sich Selbsthilfe und Melkschemel). Dabei will so doch bloß weg zu den Steinen und wieder zurück in die richtige Zeit. Der Clan, der Laird und sein intriganter Bruder schwanken zwischen Miß- und Vertrauen, mal ist sie “Sassenach”, mal “unser guter Doktor”; einzig Jamie, der Grundgute zweifelt nie. Dabei hat er es nicht leicht gehabt. Die Engländer hatten ihn und seine Familie schon lange auf dem Kieker und als sie seiner endlich habhaft wurden, peitschte ihn der verhinderte Claire-Vergewaltiger aus der ersten Folge nicht etwa nur mit den 100 üblichen Schlägen aus, sondern erhöhte auf 200, ungeachtet seiner eigenen Erschöpfung und einer beginnenden Sehnenscheidenentzündung. Es wird in der Fernsehserie immer mal wieder in Rückblenden und sehr ausführlich gezeigt, wie der böse Rotrock dem armen Jamie immer noch mehr Fleischfetzen vom schon zur blutigen Masse deformierten Rücken prügelt – irgendwer hat da seinen Fetisch ganz gründlich ausgelebt (und der Prothesenbauer richtig gute Arbeit geleistet).
In der 6. Folge verhaftet der Schurkenengländer unsere Claire und haut und tritt sie, bis sie schwer verletzt am Boden liegt. Dann tritt er nach. Und? Nein, dieses Mal kommt nicht Jamie zur Rettung, sondern der Bruder des Laird. Jamie ist erst in der 7. Folge wieder dran, dann nämlich, wenn die Hochzeit mit einem Schotten zum Zwecke der Selbstschottischwerdung die einzige Möglichkeit ist, Claire vor der Auslieferung an den bösesten aller bösen Rotröcke zu bewahren. Einzige Bedingung: Hochzeit und Vollzug der Ehe in derselben Nacht. Nämlich. Wie die arme Claire da mit sich ringt. Kann sie es über sich bringen, Bigamie zu begehen? Wäre sie dann doch nicht vielleicht besser gleich tot? Auch wenn das bedeuten würde, daß sie ganz langsam und in Großaufnahmen zu Tode gefoltert wird? Nein. Dann doch lieber Jamie heiraten. Und wenn schon die aus der Zukunft gefallene neuschottische Gattin keine Jungfrau ist, dann ist es immerhin der Held. Aaaarrggghhhhh!
Für mich ist Folge 7 die letzte Folge. Da wurde geheiratet, das gilt als Happy End und reicht mir. Ich will nicht wissen, wie lange die das über wieviele Staffeln noch breittreten wollen. (Die 2. Staffel wird 2015 ausgestrahlt, die dritte derzeit gedreht.) Ich habe Outlander abgesetzt. Und das ist gut so.
* Wie ich es hasse, wenn erwachsene Menschen ihre Kindernamen nicht loskriegen. Was ist denn so verkehrt an James?