Nachbarin Carmen ist zu einer Hochzeit eingeladen. In Oakland. In der Kirche einer spanischsprechenden Gemeinde. Und dann auch noch an einem Samstag. Sie wünsche dem jungen Paar alles Glück dieser Erde, aber es sollte sich gefälligst nicht wundern, wenn sich der Festsaal nachmittags um 5:00 abrupt leeren werde. Wie könne man nur so dumm sein.
Man kann ja zum Heiraten an sich stehen, wie man will, aber warum sonst ist es dumm? Ganz einfach: Carmen ist auf “unserer” Seite der Bay aufgewachsen und hat schon als kleines Mädchen eingebläut bekommen, daß das auf der anderen Seite der Bay Bridge liegende knapp 20 Meilen entfernte Oakland eine Verbrechenshochburg ist. Eine No-Go-Area für brave Kinder. Und nachts* noch schlimmer als bei Tag. Sie werde reichlich vor Sonnenuntergang die Brücke wieder Richtung Westen überqueren. Denn “at nightfall the church parking lot turns into gang territory.”
*Das Dunkelheit per se böse ist, scheint in allen Amerikanern fest verankert zu sein; wenn Toni mal nicht im Büro ist, bieten Kollegen mir zu Feierabend regelmäßig an, mich zum Auto zu begleiten (“I’ll walk you to your car”) und sind jedes Mal erstaunt, daß es mir nichts ausmacht, allein zu gehen. In the dark. Liegt vielleicht daran, daß meine Vorfahren sich nicht am Lagerfeuer in einer Planwagenburg vor den Ureinwohnern fürchteten.
Die haben hier schon eine ausgeprägte Angstkultur.