Wenn man’s laut liest, erschließt sich, daß sich eine amerikanische Kollegin gerade in fließendem Deutsch bedankt.
Gesundheit!
Ich habe mich sehr gefreut zu hören, daß es der Mutter meines Nachbarn Sam besser geht und sie Mitte letzter Woche aus dem Krankenhaus entlassen wurde. Er kam heute früh nach siebten von sieben Nachtschichten in dieser Woche kurz vorbei, um mir Obst und Gemüse zu bringen. Wieso er denn noch extra Schichten arbeite, frage ich. “For the money” – in mexikanischen Krankenhäusern steht nämlich jeden Morgen noch vor dem Doktor der Buchhalter des Hospitals am Bett und präsentiert die Rechnung. Wer bezahlt, kann bleiben. Wer in US-Dollars bezahlt, bekommt darüber hinaus einen guten Arzt, gute Medizin und gute Pflege.
Dafür schuftet Sam Sonderschicht um Sonderschicht.
TV, amerikanisch: “Community”
Community Colleges haftet in Amerika immer der Ruch von Zweite Wahl an. Sie kosten einen Bruchteil der Studiengebühren von “normalen” Hochschulen, liegen im Wohnort, bieten auch Abendkurse an und sind daher ein Sammelbecken für alle, die auf dem 2. Bildungsweg noch irgendwie zu einem Abschluß kommen wollen.
In USA lief kürzlich das Season Finale der 3. Staffel und was anfangs wie eine SitCom nach üblichem Strickmuster daherkam (man mische leicht bis schwer kaputte Persönlichkeiten unterschiedlichen Alters, Geschlechts, sozialen Hintergrunds und ethnischer Zugehörigkeit in einem definierten Rahmen), ist von Autor und Produzent Dan Harmon über die Zeit zu einem kostbaren Juwel anarchistischen Fernsehkunstschaffens geführt worden. (Der Trailer gibt einen Vorgeschmack: http://bit.ly/3m9erO).
Ich hoffe, daß die Academy irgendwann einmal Casting-Oscars vergeben wird, denn die Besetzung ist unglaublich stimmig: Chevy Chase (den ich in seinen alten Filmen überhaupt nicht leiden kann) hat ein fulminantes Comeback als alter und sieben Mal geschiedener Erbe einer Feuchttuchdynastie und Danny Pudi gibt einen so dermaßen wunderbar liebenswerten Nerd, daß alles zu spät ist.
Ich wollte immer ein bahnbrechendes Werk über “Das “Ach” in der deutschen Literaturgeschichte” schreiben, erwäge aber stattdessen nunmehr eine Arbeit mit dem Titel “Der Nerd. Held des dritten Millenniums.” (Sowohl in meinem Leben wie in der Popkultur sind sie omnipräsent.)
Lieblingszitat:
Schulleiter: “I thought you had a bachelor’s degree from Columbia?”
Jeff, gewesener Anwalt: “Well, now it appears I need one from America that does not come as an e-mail attachment.”
(Ich bin nicht sicher, wie man dieses Wortspiel ins Deutsche übertragen kann: “Columbia” steht gleichermaßen für eine der berühmten alten Universitäten wie für das Land Kolumbien.)
Ich höre, die erste Staffel ist inzwischen in Deutschland angelaufen. Anschauen! Unbedingt.
Wieder what learnt (Lektion 2)
An der Ostküste herrscht zur Zeit eine Hitzewelle (im 100° Fahrenheit-Bereich). Dies, so die Kollegin aus New York, sei die Zeit, in der New Yorker bei der Heimkehr immer die LEDs an elektronischen Geräten blinkend vorfinden. Ich verstehe nicht ganz? Warum das? Wegen der “Brownouts”, sagt sie und ist verwundert, daß ich immer noch nicht begreife.
Na, erklärt sie mir wie einem begriffsstutzigen Kind, es sei doch heiß. Deswegen liefen alle Klimaanlagen auf Hochtouren. Daher sei das Stromnetz überlastet und die Energieversorger schalteten gelegentlich mal für einen kontrollierten Zeitraum von Minuten bis hin zu Stunden den Strom ab. Dann flackern die Lichter kurz bevor sie ausgehen und alles ist in Sepia gefärbt, daher nur Brown- und nicht Blackout.
Das sei ja noch gar nichts, mischt sich der Kollege ein, der viele Jahre in Atlanta gelebt hat. In den großen Städten der Südstaaten seien die Städte in “Rotating Outage Blocks” aufgeteilt und in Hitzezeiten werde der Strom Block für Block in einem ca. eineinhalbstündigen Rotationsprinzip abgestellt, wobei aus unerfindlichen Gründen die weißen Viertel nie zur Dinner- und Prime Time betroffen seien.
“Flame” programmieren können und Weltpolizist sein. Wen schert da schon die Stromversorgung im eigenen Land.
Höchst ungern
Komme soeben vom Flughafen, wo ich Toni durch die “Departures”-Türe gehen sehen mußte. Ich hatte es doch schon mehrfach gesagt: ich mag das nicht. Ich fahre lieber bei “Arrivals” vor und hole wen ab. Manno!
Davon unbenommen: Toni, hab wunderbare Ferien und schlaf dich endlich mal aus.
Give Back
Über die Bedeutung von zurückgeben/ sich revanchieren/ etwas zu entgelten im Wertesystem der Amerikaner habe ich schon einmal geschrieben – http://bit.ly/MuMSbD. Ich gebe gerne, und leicht gemacht wird es einem obendrein: einfach 1-800-SA-TRUCK anrufen und einen pick-up-Termin vereinbaren, und ein paar Tage später werden das alte Sofa und die Altkleidersäcke aus dem Vorgarten abgeholt und eine Spendenbescheinigung zurückgelassen. Und man muß dafür noch nicht einmal zu Hause sein.
Bei mir war’s ja ein “Give Back” im Wortsinne – ich hatte das Sofa seinerzeit bei der Heilsarmee gebraucht gekauft; http://bit.ly/Kjygw3. Das ist jetzt auch schon wieder über drei Jahre her – time flies.
Fluente en Espagnol
Die Mutter meines Nachbarn Sam daheim in Mexiko ist schwer krank und er rechnet damit, jederzeit an ihr Sterbebett gerufen zu werden, Als ob er nun nicht schon genug um die Ohren hätte, macht ihm auch noch sein großer schwarzer Truck Sorgen. Also nicht das Auto, sondern vielmehr dessen Unterbringung. In unserer Straße findet nämlich immer dienstags “Street Swiping” statt. In Wahrheit handelt es sich hierbei nur um eine Einnahmequelle der Kommune; die Straße sieht nie nach erfolgter Reinigung sondern vielmehr nach “Parking Enforcement” aus und unter den Scheibenwischern klemmen Knöllchen. Ach, Sam, wenn’s weiter nicht ist:
“Mi driveway es su driveway.”
Autsch!
Wenn man im Heilsarmeeladen sieht, wie eine gebeugte armselige alte Frau mit zittrigen Händen das Preisschildchen auf einer angebrochenen Packung Erwachsenenwindeln ganz nah vor die trüben Augen führt und sich dann wegen $1.99 gegen den Kauf entscheidet, dann trifft einen die grausame Ironie der Produktbezeichnung wie ein Schlag. Die Dinger heißen “DIGNITY DIAPERS”.
Wieder what learnt (Lektion 1)
Meine amerikanischen Kollegen machen sich inzwischen einen Jux daraus, mir Idiome oder Slang-Ausdrücke beizubringen. Nachfolgend eine Auswahl aus den Lektionen dieser Woche:
- YOWZA!
Ist, wie man schon vom Klang ableiten kann, ein Ausdruck nicht unbedingt positiven Erstaunens, mehr dazu hier: http://bit.ly/kB62h - I felt bad I had to leave you in the lurch.
Das bedeutet nicht etwa, daß die Kollegin ein schlechtes Gewissen hatte, mich mit einem Lurch alleine zu lassen, sondern mir aus der Patsche helfen wollte. - Shoma chetur hastin? (شما چطور هستین)
Doch, doch, das gilt auch: unsere neueste Kollegin ist persischer Abstammung und wir tauschen jeden Tag eine Vokabel in Farsi gegen eine deutsche. In diesem Fall: “Wie geht es dir?” - I’ve worked until the crickets came out
Wörtlich: ich habe gearbeitet bis die Grillen ‘rauskamen – also bis spät in die Nacht. Ein im übrigen interessanter soziokultureller Hintergrund, denn der Begriff Moon Crickets beschreibt Sklaven, die nach getaner Plantagenplackerei spätnachts bei Mondschein in den Feldern Spirituals sangen. [“Hey! Billy Bob and Joline, grab the shotguns the damn moon crickets are escaping from the plantation!”] - Standard? That’s the American expression for “It is what it is and we did not improve anything the last fucking fifty years!”
No comment.
Aber recht hat er. - He’s such a putz!
Ein Rüpel, Ignorant, Ekelpaket, unangenehme Person (hier mehr: http://bit.ly/5h8rvo) - dunka
So sieht es aus, wenn ein Amerikaner sich freundlich per skype bei der deutschen Kollegin bedankt und der festen Überzeugung ist, dies in ihrer Muttersprache zu tun. - He’s going all screensaver again
Damit beschreibt man den leeren Gesichtsausdruck, der sich bei Teilnehmern viel zu langer Besprechungen einstellt.
So, das war’s für diese Woche. Wenn ich meinen Haufen nur halbwegs richtig einschätze, werden mit dieser Überschrift noch viele blogposts folgen.
