Amerikaner und ihre Schlaglöcher; es fällt mir immer noch schwer, die richtigen Worte für diese Beziehung zu finden. Resignierte Duldung? Achselzuckende Toleranz? Eine gediegende Fuck-Y’all-Mentalität? Eigentlich wurscht.
Dabei ist in den Verkehrsmeldungen fast täglich zu hören, daß sich wieder ein paar Autos an einem Riesen-Pothole die Reifen plattgefahren haben; aber kein Grund zur Sorge, die sitzen alle nun auf der Schulter** und der Reststau fließt langsam und unter achtsamer Umkurvung des Schlaglochs ab. Oder neulich in einem Comic, wo Bauarbeiter von der Ladefläche ihres Trucks herab die Straße mit “instant potholes” pflastern bzw. löchern und die Crew im nachfolgenden Pick-up umgehend Verbotsschilder und Absperrungen aufstellt. Gefragt, wo denn nun Jack und seine Männer seien, in deren Zuständigkeit das Auffüllen fällt, wird lakonisch mitgeteilt, daß dessen Trupp aufgrund von Sparmaßnahmen entlassen worden sei. Es bleiben also nur Löcher in der Straße und orange-weiß-gestreifte Bauzäunchen und, nun ja, “job security” für die ersten beiden Teams sowie resignierte Duldung, achselzuckende Toleranz und eine gediegende Fuck-Y’all-Mentalität.
Ganz schön lang, wenn man bedenkt, daß das nur die Einleitung für die eigentliche Geschichte ist, die damit beginnt, daß am Sonntagmorgen vor dem Häuschen ein Preßlufthammer dröhnt. Wir leben hier in einem kleinen nachbarlichen Mikrokosmos am Ende einer Sackstraße und wollen immer gerne genau wissen, was los ist. Also raus, gucken. Francisco von nebenan hat ein Geviert im Gehweg vor seinem Haus aufgebohrt und fängt gerade an, Zement zu mischen. Carmen erklärt: nach den vielen Regenfällen im letzten Mai hatte sich im Gehweg vor ihrem Haus ein Schlagloch gebildet. (Weiß ich, ich gehe auf dem Weg zum Bahnhof kurz vor diesem Trottoirabschnitt immer auf der Straße weiter.) Als gute Bürger haben sie die Stadtverwaltung von San Bruno angerufen und die hat nach mehreren Erinnerungstelefonaten die Jungs von Trupp 2 vorbeigeschickt und im August eine kleine orange-weiß-gestreifte Warnbarriere aufstellen lassen. Das war’s.
Sollte jemand fallen, hat das Straßenbauamt seine Schuldigkeit getan und hinfort müßte Carmens Hausbesitzerversicherung für etwaige Schäden aufkommen (und anschließend die Beitragszahlungen saftig erhöhen). Carmen ist Arzthelferin, Francisco “on and off job” (d.h. sein Unternehmen beschäftigt ihn bei Bedarf und entläßt ihn am nächsten Tag wieder – bis übermorgen oder zur nächsten Woche oder zum nächsten Monat); dick haben sie’s nicht. Außer mit dem Getrödel der Stadtverwaltung. So haben sie zur Selbsthilfe gegriffen und ihr Stück Gehweg eben in Eigenregie repariert (die Geräte hat Francisos zurzeitgeradewieder Arbeitgeber gestellt und die Materialien gab’s zum Einkaufspreis). Wenn das Bauamt sie erwischt, sind $400 Strafe fällig.
Aber, und da sind wir uns in der ganzen Nachbarschaft einig, das Risiko ist als minimal einzuschätzen.
So eine Aktion ist auch Amerika. Gutes Amerika! (Ein so professionell repariertes Trottoir habe ich hier noch nie gesehen.)
* in diesem Falle zu übersetzen mit “hilf dir selbst (ein anderer tut’s nicht)”
** “To sit on the shoulder” bedeutet, daß die Fahrzeuge nunmehr auf dem Randstreifen oder im Bankett stehen;
schlimmer ist gar keine Schulter (das ist genau wie eine sehr kalte) oder womöglich gar weiche.
