Quantum of Solace

Wenn hierzulande in einem chinesischen Restaurant die Rechnung kommt, dann immer mit Glückskeksen. Im allgemeinen verheißen die Zettelchen Glück in Spiel oder Liebe oder wirtschaftlichen Erfolg und beruflichen Aufstieg oder daß einem ein sonniges Wochenende oder ein schöner Abend bevorsteht. Die Tradition gebietet, daß man die Botschaften in der Tischrunde verliest. Neulich wars wie sonst auch. Glück, Wohlstand, Karriere – bis meiner drankam. “It’s not that bad!” Ein Trostbescheid. Das, so waren wir uns einig, gabs noch nie.

Weiß der Keks was, was ich nicht weiß?

Böse versagt

Mein Spamfilter war wohl mal kurz abgelenkt, sonst hätte er niemals zugelassen, daß ein solcher Müll in meinem Posteingang landet. Ich weiß gar nicht, was mich mehr graust. Die dümmlich-denglische anbiedernde Jugendsprache? Die Geschichte von Thomas und Bifi (ein Fotoroman nach einer wahren Begebenheit)? Die Aussicht, mein Haus mit einem Mini-Kühlschrank im BiFi Design zu verunstalten? (Das ist zum Glück vermeidbar, denn nur wer mitmacht, ist der Gefahr des Gewinnens ausgesetzt.) Doch, ich weiß doch, was ich am wiederlichsten finde: daß jemand sich erdreistet, mich mit “Lieber BiFi Fan” anzureden. Die sollen zur Strafe ihre ganze Plastikwurstjahresproduktion auf einmal essen müssen. Und mit Bubble-Tee runterspülen.

Schuh – Hut – Hemd – Hose

Während ich im Stau heute früh so vor mich hinstehe, bemerke ich, daß neben der Leitplanke ein FlipFlop liegt. Kurz danach eine 49ers-Mütze. In ungefähr gleichen Abständen folgen ein T-Shirt und ein Paar Leggins. Weil immer noch Stau ist, habe ich Zeit mir auszudenken, wie die Sachen dort wohl gelandet sind. Hat sie sich wer im Freudentaumel über den Sieg seines Teams vom Leib gerissen? Oder aus Frust, weil die Mannschaft verloren hat? Handelt es sich um einen Wetteinsatz (Nacktfahrt in den Süden)? Steckt Uma Thurman schon wieder in irgendeinem Kofferraum und gibt mir Zeichen? Hat der schusselige SA-Lasterfahrer* einen Altkleidersack nicht ordentlich verschnürt? Oder…

Wir haben die Unfallstelle passiert (viele Autos ineinander gekracht, drei dicke Feuerwehrtrucks und Abschleppwagen und Cops mit Signallampen, huijuijui!) und keiner glotzt mehr und alle Photos sind gemacht. Muß mich wieder auf den Verkehr konzentrieren…

* Der SA-Truck ist hier nicht negativ besetzt. Im Gegenteil, damit sammelt die Heilsarmee – Salvation Army – Sachspenden ein.

Mama, machst du mir ein Bro-hot?

Dieser Tage habe ich gelesen, daß nur in einem Drittel aller amerikanischen Haushalte mehr als drei Mal in der Woche eine Mahlzeit zubereitet wird. So gesehen brauche ich mich nicht zu wundern, daß alle drei Menschen, die vor mir in der Schlange der Feinkostabteilung anstehen, sich ein Sandwich machen lassen. Ich tus aber trotzdem. Was genau ist so schwer daran, auf eine Scheibe weißes (wheat) oder gräuliches (rye) Weichstbrot ein paar Scheiben Putenbrust, ein paar Scheiben Käse (es ist immer Pute, nur die Käsefarben wechseln) und gegebenenfalls noch einen Tomatenschnitz oder ein Salatblatt oder eine saure Gurke zu türmen, das ganze mit einer entsprechenden Schwesterscheibe Brot zu abzudecken und diagonal (wichtig!) durchzuschneiden? Rechtfertigt wirklich der Umstand, daß man jemandem hinter der Theke Anweisungen erteilen kann wie “Käse soll unten liegen” oder “Tomate in der Mitte” oder “Salat zweimal durchschneiden”, daß man dafür wesentlich mehr bezahlt als die Summe der Einzelteile? (Alles eben mitgehört.)

Mir wurscht. Ich bin endlich dran und Jose, mein neuer Kumpel von der Kühltheke greift schon vorausschauend nach der Schnittbrottüte. Nein, Jose. Ich möchte nicht. Ich hätte hingegen gerne ein halbes Pfund vom Original Schweizer Emmenthaler, gaaaaanz dünn aufgeschnitten bitte. Jose gräbt den Käseleib unter den bunten Amikäsen hervor, säbelt ein paar Probescheibchen ab und drückt sie mir auf einem Papier in die Hand. So dünn? Ist das recht? Ich schau’s mir an an, bin zufrieden und will ihm das Papier zum Weiterdraufschneiden zurückgeben. Nicht doch, bedeutet er mir. Essen soll ich. Und auch hiervon. Und gibt mir mehr Papier, dieses Mal mit Putenbrust drauf. (Truthähne haben hierzulande Brustkörbe wie Preisboxer und die zwei Riesenscheiben wiegen cirka ein halbes Pfund.) Ob ich auch noch Brot? Oder ein Gürkchen? (Das ist aber nett, denke ich. Ich habe zwar abgenommen, aber sehe ich wirklich schon so verhungert aus?) No gracias, mucho appreciado, quetsche ich mit vollen Backen kauend hervor. Hach, und Spanisch kann sie auch noch… Jose schneidet und schneidet, ich kann bis hier sehen, daß das weit mehr ist als ein halbes Pfund. Dann kommt er nach vorn und wiegt, bis er auf 226g kommt (ein Pfund sind in Amerika 454g), druckt einen Bon aus und packt mir freudestrahlend den Rest mit obendrauf. Das ist aber wirklich nett! Nochmal gracias und no mas für heute.

Schade, meint er. Ich soll doch am Samstag wiederkommen. Da hat er ganz viele feine Sachen für mich und außerdem um 1:00 Uhr aus.

Neu im Kino: The Great Gatsby

Der arme arme Gatsby und die dumme dumme herzlose Daisy!

Gatsby hat schon seit ich ihn das erste Mal gelesen habe einen Platz in meinem Herzen. Damit hat es jeder schwer, der es wagt, den Roman zu verfilmen, doch Baz Luhrmann hat für mich auf ganzer Strecke gesiegt. Seine Roaring Twenties sind eine Ausstattungs- und Statistenorgie, er schwelgt in Farben und Materialien und viel viel Bling. Kein Wunder, daß er sich die Filmmusik von seelenverwandten Hip-Hoppern liefern läßt. Das paßt.

Leonardo DiCaprios Gatsby ist ein Getriebener, ein Fanatiker, ein armer Kerl, einer, der bei denen da oben mitspielen will und nie versteht, daß das, wonach er so sehr strebt, eine Illusion ist, einer, der mit allen Mitteln (und deren hat er viele) um eine Frau wirbt, die es nicht wert ist. (Vorsicht Spoiler.) Mit der Hemdenszene in all ihrer synthetischen Schönheit ist Luhrmann die beste Metapher für Gatsbys tragische Besessenheit und die Aussichtslosigkeit all seiner Mühen gelungen. (Spoiler aus.) Tobey Maguire spielt den Erzähler respektabel gut (und überraschend, ich kann mir nicht helfen, ich sehe ihn immer noch als kleinen Spiderman), genau wie die anderen auch – aber keiner, keine reicht an DiCaprio heran.

Was bin ich froh, daß ich mich nach dem ganzen Rufmlaufen auf der Street Fair nicht für faul auf dem Soffa lümmeln, sondern für Kino entschieden habe.

Anschauen!  Anschauen!  Anschauen!

Und wer ganz viel Zeit hat, möge diesen klugen Aufsatz lesen: http://thebea.st/YJEG4c

HASF

Herrlich sonnig ist es in San Bruno am Sonntagmorgen, ein bissele windig vielleicht, aber auf jeden Fall T-Shirt-Wetter. Toni und ich wollen in die City, auf der Haight-Ashbury-Street-Fair Hippies gucken. Das Straßenfest kürzt sich zwar HASF ab, es wäre aber sinniger, das “F” durch ein “H” zu ersetzen – es reicht schon, ein paar mal tief einzuatmen (ja, Herr Ex-Präsident Clinton “inhalieren” heißt das) und schon ist man ebenso high wie die Upper Haight Street. Was raten wir immer allen Gästen, wenn sie in die Stadt fahren? Richtig, ein Hoodie einpacken. Also machen wir das auch.

Schon am Bahnhof in San Bruno treffen wir auf ein Pärchen, dem man ansieht, daß sie dasselbe Ziel haben – und weil wir ja so local sind und uns besser auskennen als Zugereiste aus Modesto, nehmen wir sie ins Schlepptau und weihen sie in die Geheimnisse des hiesigen ÖPNV ein. Mit jeder Minute Fahrtzeit Richtung Norden wird es dunkler und bewölkter und als wir in San Francisco aussteigen, bedauern wir sehr, daß wir nicht jeder zwei Hoodies mithaben. Oder wenigsten noch einen schönen warmen Wollpullover. Ganz schön zapfig ist es hier. Wird auch den ganzen Nachmittag nicht mehr besser. Dafür ist es nicht so voll und wir können zwischen den Buden hin- und herlaufen, müssen nicht für den 16:00 Uhr-Kaffee anstehen (hey, ich war da mit Toni und der weiß, wann eine Kaffeepause zu sein hat), haben nach guten zwei Stunden alles gesehen und keinen unnützen Kruscht gekauft (wie gesagt, ich war da mit Toni).

Die Bong-Auswahl wird von Jahr zu Jahr reichhaltiger und Batik heißt auf englisch Tie-dye. Und dafür ist man nie zu alt. Nicht in Haight Ashbury, im immerwährenden “Summer of 69”. (Die aktuellen Probleme eines schwer unter Gentrifizierung leidenden Viertels ignoriere ich natürlich mit solchen Kommentaren gründlich.)

Eigene Photos gibts im Laufe der Woche.

Don’t know much about…

Noch bevor Obama Präsident wurde, hatten sich Senatoren aller Lager darauf verständigt, verbindliche Richtlinien für die Schulfächer Mathematik und Englisch festzulegen. Die “Common Core State Standards” sollten sicherstellen, daß der Umzug in einen anderen Bundesstaat reibungslos verläuft und Schulabgänger “from Seattle to Sarasota are college and career ready”.

Nun wittert die Tea Party wieder den Versuch von “Big Gouvernment” sich in die Kindererziehung einzumischen und leistet heftige Lobby-Arbeit gegen “Obamacore”. Bedauerlicherweise mit Erfolg: die republikanischen Staaten Indiana und Pennsylvania haben im Mai beschlossen, die Bildungsreform auf Eis zu legen und mindestens 10 weitere wollen es ihnen in den nächsten Wochen gleichtun. Fuck the Kindeswohl, es geht um Machtspiele.

Förderalismus hat in der Bildungspolitik einfach nix zu suchen. Nicht hier und nirgends sonst!