Halloween ante portas

Und weil hier Scheiße-Pipi-Kaka-Furz-Witze immer ganz besonders gut gehen, gibt es schon jetzt batteriebetriebene Geistlein zu kaufen, die “Hu-hu-hu-hu” machen, wenn einer aufs Klo geht. Die Bartmänner dahinter gehören zur Duck Dynasty und gelten zur Zeit als verkaufsunterstützend für jedes Produkt von Acaiberry-Frühstücksflocken bis Zebrabettvorleger.

jokin in the john

Toiletten erhielten den Beinamen “John” zu Ehren des Briten Sir John Harington, der 1596 das erste spülbare Water Closet der Neuzeit erfand.

In Exile

Vor sechs Jahren, am Labor Day Weekend, bin ich am San Francisco International Airport gelandet, um vorerst hier zu bleiben. Damals hatte ich keine Ahnung, wie lange der Gig dauern würde, ich bin halt mal losgezogen in die Fremde, wg. Abenteuer und Bloß-Nix-Verpassen. Inzwischen weiß ich immer noch nicht, wie lange ich hierbleiben werde, habe an dem großen Schritt manchmal gezweifelt und manchmal nicht und an sonnigen warmen Wintertagen nie. In Summe: Edith Piaf.

So ein Jubiäum sowie ein zusätzlicher freier Tag für ein extralanges Wochenende sind der ideale Nährboden für Spintisierereien. Wie ist das, wenn man so lange fern der alten Heimat lebt, hat man dann zwei? Und wie nennt man das? Heimatten? Heimats? Heimätter? Gibt es einen guten Grund, warum der Duden keinen Plural für Heimat kennt und dem Merriam Webster der Begriff gleich gänzlich unbekannt ist und er stattdessen als Ersatzsuchbegriff das Heimlich Manöver vorschlägt? Meine Sorgen möchte ich haben.

Solchermaßen hin- und hergerissen, stelle ich mich tagtäglich aufs Neue der ganz großen Herausforderung kein dummer Ignorant zu sein und mich für Menschen und Politik und Kultur im Gastland zu interessieren, will aber dabei auf keinen Fall den Anschluß an Menschen und Politik und Kultur zu Hause verlieren. Das heißt, ich strebe schon sehr danach, weder zum Hier-ist-alles-besser-Neuland-Konvertiten noch zum Daheim-war-alles-besser-Nostalgiker zu werden und die Augen für das Gute und das Schlechte und das Dumme und das Gescheite in beiden Welten offenhalten. Ganz ehrlich, manchmal zerreißt’s mich dabei fast. Und dann ist da noch das Komische, Seltsame und Bizarre. Wobei ich nicht weiß, ob es an meinem auswärtigen Blickwinkel liegt, aber bei bizarr liegen die Amis ganz weit vorn. Pars pro toto eine Auswahl an Eindrücken von heute, innerhalb einer Zeitspanne von weniger als acht Minuten.

Am Straßenrand salutiert eine uniformierte Gurke*. Auf der Ladefläche des ältesten außerhalb Kubas noch fahrenden Pickups schaukelt ein blitzeblankeneuer schwarzlederner Zahnarztbehandlungssessel, umspielt von in milder Brise flatternden Kabelsträngen. In Vorgärten sind schwäbische Verhältnisse eingekehrt und reinliche Hausbesitzer kehren mit dicken Besen trockene Blätter von Rasen und Randstein**. Wer nicht kehrt, nimmt am Erweckungsgottesdienst im Garten gegenüber teil, heute begleitet von einer hawaiianischen Luau-Band. Wenn mans recht bedenkt, ist das nicht ganz unlogisch, zumindest sprachlich liegen Hula und Hallelujah nicht weit auseinander. Amen! In Deutschland ist ein solcher Streifzug durch Bizarro-World in acht Minuten vom Drugstore-Parkplatz bis zur Häuschen-Einfahrt nicht einmal ganz entfernt vorstellbar. Die Gurke hätte sofort die Gewerbeaufsicht am Hals wg. Verstoßes gegen alle möglichen Hygiene-, Arbeitsschutz- und Wettbewerbsregeln; der Pickup wäre schon vor sehr freundlich kalkulierten 20 Jahren nicht mehr durch den TÜV gekommen und hätte sich außerdem einen Riesenärger wegen ungesicherter Ladung eingehandelt und die empörten Anrufe der Anlieger wegen der un-glaub-li-chen Ruhestörung des Erweckungsvereins erspiele sich jede/r selbst. Einzig das Staubaufwirbelkehren wäre möglicherweise beschwerdefrei geblieben.

Was ist besser? Was schlechter? Ist eines besser? Ist das andere schlechter? Oder alles einfach nur anders? Ich glaube, ich halte es weiterhin ganz mit dem universalen Toleranzcredo meiner rheinischen Oma: “Jeder Jeck is anders jeck! Sollense doch alle machen, wat se wollen. So lang keiner keinem wehtut.”

 

* Der Fachbegriff hierfür lautet “Gurkensalut”, auch wenn die Autokorrektur anderer Meinung ist.

** Kehrwoche ist deswegen bemerkenswert, weil man hier in Zeiten vor der Dürre dergleichen mit Schlauch und viel Wasser erledigt hat. Ich hatte beim Einzug noch Schwierigkeiten, überhaupt einen ganz normalen Besen zu finden, inzwischen sind Verbreitung und Auswahl recht groß.

Time is Money – Nachtrag

Manchmal ist man aber auch wie vernagelt! Ich mußte heute Nachmittag noch ein Rezept einlösen. Das heißt hier “to refill a prescription”, weil, wie schon häufig erwähnt, die Aufgabe des Apothekers darin besteht, die Tabletten aus Blisterpackungen in orangefarbene Plastikbehälter mit kindersicherem Verschluß zu drücken, auf daß sie darin lose herumrollen und die Restmenge schwerer abzuschätzen ist. Das dauert immer ein bißchen, und man wird ermutigt, die Wartezeit doch zum “shopping around” zu nutzen, was gleichermaßen “sich umsehen” wie “unnützes Zeug einkaufen” bedeutet.

Da hätte ich lässig meine Milch besorgen können. Allerdings nicht heute. Da war der “pharmacist out for lunch” und dem vertretenden Gehilfen partout keine Aussage zu entlocken, wann er denn wohl aufgegessen haben werde. Fahr ich halt morgen wieder hin, es ist ja nicht so, daß die sonntags nicht da wären. Drogen gehen schließlich immer.

Time is Money

Verdammt, Milch vergessen! Kein Problem, auf dem Heimweg vom Dicke-Damen-Spratzeln gibt es humpfzich Supermärkte, rein, Milch schnappen, raus, heim. Verdammt, warum sind eigentlich die Schlangen so lang und so wenige Kassen besetzt? Ist doch logisch, ey. Die Kassenmitarbeiter sind alle abgeordent worden, mit leichtgläubigeren Kunden an den “Fast-Lane*-Self-Checkout-Kassen” Schlachten gegen Scanner, Waage und Kreditkartenleser zu schlagen (und sie letztendlich doch an der Kasse nebendran zu bedienen).

Merke: Das oberste Gebot heißt “Zeit sparen”. Egal, wie lange es dauert.

* “Fast Lane” = Schnelle Schlange, Überholspur

1000 x Nebel

“Meine Damen und Herren, ich darf Ihnen nun zum Abschluß unserer heutigen Schau den Höhepunkt der “Einfach Himmlisch-Kollektion” präsentieren. Vorhang auf.”

[Monique, Konfektionsgröße DoppelNull, stolziert auf den Laufsteg.]

“Dieses entzückende Ensemble besticht mit mutigem Muster- und Materialmix. Auf einem zarten Bettchen aus babymützenblauer Wolle wuchern asynchrone Breitstreifen in Lachsmetallic, in starkem Kontrast zum indigogeschwärzten Raffsamt, auf dem das Accessoire, eine bleiche Sichel, ums Überleben zu kämpfen scheint. Dieses einzigartige Modell haben wir nur für Sie geschaffen, meine Damen. Wir sehen Sie darin auf einer Dachterasse, wie Sie mit einem beschlagenen Glas in der Hand und einem wehmütigen Lächeln auf Ihren wunderschönen Lippen einen der wenigen kostbaren letzten Spätsommerabende zelebrieren. Vielleicht den letzten? Wer weiß?”

[Beifall. Monique ab. Licht aus.]

Winter is coming.

Voodoo für Anfänger

Sinnend streife ich im Halbdunkel an Töpfchen und Tiegeln, Fläschchen und Flakons entlang. Hmmm, nah, Liebeszauber brauch ich heute keinen und auch keine Flüche oder Verwünschungen, die kann ich selber. Eigentlich würde ich nur gerne abends mal wieder vor Einbruch der Dunkelheit daheim sein und nicht immer ewig im Stau stehen. “Haben Sie da vielleicht was Passendes da, Madame Esmeralda?” Sie würdigt mein Ansinnen gerade mal eines halblauten “Pffhhh” und mit einem sehr müden Augenaufschlag sowie der Bemerkung, daß das erstens alle wollen und es zweitens total simpel sei. Einfach in die Wüste fahren und einen Mann verbrennen.

Nicht erschrecken. Madame meint nicht irgendeinen beliebigen, sondern DEN Mann aus Stroh, Holz und anderen brennbaren Materialien, der zum Abschluß des riesigen Hippie- und Kunstfestivals in der nevadischen Wüste traditionell am Abend des 1. September in der nur für diesen Zweck und nur für ein paar Tage aufgebauten Black Rock City entzündet wird (http://www.burningman.com/). Man rechnet dieses Jahr mit ca. 80.000 “Burners”, allein aus unserer winzigen 20-Mann-Firma ziehen zwei alljährlich in die Wüste. 10% also. Wenn man darauf auf den Burner-Anteil in den Belegschaften der hiesigen Großen wie Google, Apple, Oracle etc. ableitet, dann ist Esmeraldas Männerabfackelei auf einmal gar kein Zauber mehr, sondern eine Verkehrsberuhigungsmaßnahme.

Wurscht wie, Hauptsache ist, daß es tatsächlich funktioniert.

Winter is coming

Starbucks schenkt schon seit heute wieder Pumpkin Spice Latte aus.

(Früher, also noch letztes Jahr, galt Labor Day als eisernes Bollwerk für “The Season”; letztere umfaßt vor allem die Farben Orange und Braun (Thanksgiving) sowie Rot und Grün (Weihnachten) und die Besinnung auf Family Values und Konsum.)

Baby, it’s cold inside

Ich finds lustig, daß der Fahrer des Kühllasters das Heck seines Fahrzeugs mit den sorgsam aufgeklebten Buchstaben “Heroes of the Cold War” verziert hat. Es können doch nicht alle Rednecks sein.

Oder etwa doch?