Long time no do

Ich bin dem Kandidaten, der noch in einem festen Anstellungsverhältnis ist, entgegengekommen und habe ein sehr spätes Vorstellungsgespräch vereinbart. Als wir dann endlich das Büro verlassen, ist es stockdunkel, steinkalt und mein Auto rundrum eingefroren.

Ja, dann werde ich wohl vor der Abfahrt Scheiben kratzen müssen. Zum ersten Mal seit wieviel Jahren?

Zauberbalkon

So, wie’s heute grausliggrau und feuchtkalt ist, gestern sonnenhell und trockenkalt. In solchen Fällen besinnt sich frau auf die Thomas Mann, legt den Stuhl mit Schaffell aus, sucht und findet die Fingerhandschuhe mit den langen Stulpen, wickelt sich in Decken und gibt sich anschließend auf dem Balkon erbaulicher Lektüre hin. Außerdem Vitamin D-Nachschub.

Geht zwar, wg. doch arg kalt, nicht lang, reicht aber, um sich heute dem Ablagepapierberg zu stellen.

Wetterphänomen

Vormittagszigarettenpause im Hof auf der Nordseite des Gebäudes, Temperatur knapp über dem Gefrierpunkt. Vom Himmel donnern weiße harte Perlen in Globuligröße. Schnee isses nicht und Hagel aber auch nicht recht.

Aha! Muß wohl Schnagel sein.

Immer wenn du denkst, es geht nichts mehr…

… dann brennt ein Lichtlein, wenn ich den Aufzug herbeidrücke, im Schacht schrubbert die Kabine nach unten, macht bereitwillig die Tore weit, läßt ihr helles Licht erstrahlen und bringt mich wohlbehalten nach oben.

Geht doch.
(Ich war vorbereitet. Die Dame von der Hausverwaltung hatte zugesichert, dass Himmelfahrten ab 18:20 Uhr wieder möglich sind, da war ich vorher doch grad recht noch flugs zur Happy Aua noch bei Pfisters.)

Haiku-Versuch

Frostreif. Starres Feld.
Schwarze Rabenschnabel hacken
morgenrote Sonne.

(Sowas kommt mir in den Sinn,
wenn ich viel zu früh am Morgen
im Ampelabbiegestau stehe.)

Murphy go home!

Den zweiten Tag in Folge bewegt sich keiner der beiden Aufzüge. Murphys sind offensichtlich here to stay.

Die Anstaltsinsassen bilden Not- und Zweckgemeinschaften. Immerhin. Auf dem Treppenabsatz zwischen dritten und viertem Stock, wo ich mir wg. Hälfte schon hinter mir eine Kniestreckpause gönne, schnaufen zwei reizende Herren an mir vorbei. Sie schleppen der jungen Mutter aus dem 5. den Kinderwagen hinterher, die hat nämlich schon genug am Kinde und den Einkäufen für die Familie und den gehbehinderten Nachbarn zu tragen. An der Briefkastenwand war vorhin ein Herr mit mehreren Schlüsselbünden für die Entleerung des heutigen Postaufkommens für den sechsten Stock zugange und ich werde morgen für meine Nachbarin deren Beschwerdebriefe an die Hausverwaltung aufgeben und ihr außerdem Milch und Brötchen besorgen, wenn bis dahin nicht eine Reparaturmannschaft getan hat, was eine Reparaturmannschaft tun soll.

Erfreuliche Beobachtung am Rande: Wenn das bißchen nachbarschaftliche Solidarität, das ich in den paar Minuten mitbekommen habe, die es gebraucht hat, um zum Feierabend sechseinhalb Stockwerke zu erklimmen, ein Indikator für die ganze Anstalt ist, dann scheint es sich hier doch um eine recht gut funktionierende Hausgemeinschaft zu handeln.

Trotzdem werde ich mich spätestens morgen wahrscheinlich fragen, ob ich nicht doch besser die Erdgeschoßwohnung mit dem fünfstrandhandtuchgroßen Gärtchen hätte nehmen sollen.

Für immer ungelesen

Neulich, beim Rumtrödeln in einer Buchhandlung, bekomme ich ein Werk in die Hand, auf dessen Klappentext der Handlungsträger als “Hybrid zwischen Blaumann und Chefsessel” angepriesen wird.

Nein, ich möchte nicht kaufen. Auch nicht zum halben Preis. Mir reichen diese wenigen Worte und meine blühende Phantasie, um von diesem Geschöpf Albträume zu kriegen.

Netz und doppelter Boden

sollten die beiden Aufzüge hier im Haus bei der Wahl meiner Wohnung im 5. Stock sein. Guter Plan, oder?

Doch wie so oft im Leben hat Brecht recht. Es geht der eine nicht und nicht der andere und ich fluche mich die sechs Stockwerke von der Tiefgarage hoch und wünschte, man hätte Mister Murphy hier nicht einziehen lassen.

Prêt-à-porter

In der besten aller Welten tragen alle Menschen temperaturadaptierende, selbstreinigende, praktische und bequeme Kleidung (inkl. Schuhwerk. Vor allem Schuhwerk). Bis dieser Idealzustand erreicht ist, bleibt es keinem erspart, Zeit für Klamottenshopping zu investieren, was für viele ein Vergnügen, für mich jedoch eine lästige Pflicht ist.

Warum die Vorrede? Weil ich mir gestern einen Pulli gekauft habe. Dunkelblau mit weißen Sternen aufgedruckt. Mir hätte das lässig gereicht. Ich meine, hallo: Pulli, praktisch, bequem. Und Sterne. Allein, der modebewußte Hersteller hat die Sterne vorne mit Blingblingperlen besticken lassen. Also nicht kaufen. Oder doch? Wegnehmen. Zurückhängen. Nochmal nehmen. Zurückhängen. Von der Verkäuferin belehren lassen, dass heute Damenoberbkleidungsrabattaktion sei. Wieder wegnehmen. Himmel noch einmal! Erwartungsvoll angestarrt werden. In der Zeit hätte ich auch Krieg und Frieden, die Trilogie lesen können. Okay, ich kaufe den Pullover.

Und dann habe ich ihn zu Hause und er ist immer noch praktisch und bequem und mit Sternen und ich trenne dieses blöde Blingblingzeug ab. Nicht ohne bei jedem Steinchen des armen Sweatshopkindes zu gedenken, das die Dinger im Schweiße seines Angesichts und im Akkord aufgestickt hat und mich schlecht zu fühlen. Hätte ich den Pulli doch nicht kaufen sollen? Hilft es meinem Gewissen (dem Kinde sicher nicht), wenn ich einen bestickten Stern an irgendeiner nicht prominenten Position blingblingen lasse? Ist das albern?

Fertig. Einen Blingstern stehen lassen. Viele Steinchen aufgefegt, wobei ich ganz sicher bin, dass ich sehr bald baren Fußes in eines treten werde. Bestätigt gefunden, was ich eingangs postuliert habe: In der besten aller Welten tragen alle Menschen temperaturadaptierende, selbstreinigende, praktische und bequeme Kleidung (inkl. Schuhwerk. Vor allem Schuhwerk). Customization not required.