Hoch damit!

Beim Stadtbummel mit dem Freund aus Australien konnte einem nicht entgehen, dass der modische Unterwäschetrend dieses Sommers die “Bralette” ist, eine Art Corselette, dazu geschaffen, Brüste ordentlich zu quetschen und zu heben und so geschnitten, dass die spitzenverzierten Träger dieses Dingens unter der Kleidung hervorlugen. Huiuiui!

Ich will mich mal damit herausreden, dass es an seinem Akzent lag, dass ich ihm zunächst “Buletten” und dann deren bayerische Entsprechung, die Fleischpflanzerl erklärt habe.

Maul halten!

Früher, als ich noch eine aufstrebende Jungfeministin war, vermittelten mir Bands mit Namen wie “Schneewittchen” städtebaulich fragwürdige Informationen wie “unter dem Pflaster, ja da liegt der Strand” und berieten mit “komm reiß auch du ein paar Steine aus dem Sand” zu einer Karriere als Archäologin oder sonstiger Buddelei*.

Heute nun kommt mir meine fairgetradede Öko-Ananas nicht nur mit der Aufforderung daher “nenn’ mich ‘Süße Tropenkönigin'”, nein, sie behauptet auch “unter meiner Schale wächst die Sonne”, was wahrscheinlich die Achtsamkeitstante aus der Chiemsee-Reha in Verzückung versetzt hätte, mir als Linguistin jedoch kalte Schauer über den Rücken jagt.

Dass Nestlé sein (und durch eine vorausgegangene finanzielle Transaktion nunmehr mein) Frühstücksmüsli** (in deren Sprech “Cerealien-Produkt”) mit einem “Vollkornhäkchen” adelt, war da bei der heutigen Morgenmahlzeitzubereitung nur noch das Tüpfchen auf dem I.

Herrschaften, am Sonntagmorgen will ich mich nicht schon vor der ersten Tasse Kaffee (“Fair Trade mit dem vollmundigen Geschmack der kolumbianischen Hochebene”***) aufregen müssen – man unterlasse hinfort diesen Marketing-Dummschwätz.

 

* Ja, ich weiß auch, dass sie’s mehr als Aufruf zu “Macht kaputt, was euch kaputtmacht” verstanden haben, allein, wirklich verständlich ausgedrückt haben sie sich nicht…

** Nimm das, Türkisch!

*** Wie schmeckt Hochebene im Vergleich zu Tiefebene im Vergleich zu Tal?

Im Gleichschritt marsch!

Wenn ich auf der Besetzungsliste von “A Chorus Line” gestanden hätte, wäre der Film unter dem Titel “Domino Day” in die Lichtspielhäuser gekommen. Bis dato hatte ich angenommen, dieses mein Nulltalent, Choreographien zu adaptieren (“uhund jetzt alle einen Kreuzschritt links. ALLE!”), wäre unschlagbar, doch gestern im Bewegungsbecken der IRENA-Reha habe ich meinen Meister gefunden. Der war nämlich schon von der simplen Anweisung, sich diagonal zu bewegen (rechtes Bein und linker Arm nach vorne, dann wechseln) solchermaßen überfordert, dass er wilde Fontänen aufwirblend durchs Becken pflügte und jeweils bereits nach spätestens einer halben Bahn entknotet werden mußte.

Zum Glück waren wir wegen Pfingstferien und Allgemeiner Freitagsnachmittagsunlust nur zu zweit im Pool – bei den sonst üblichen bis zu acht Teilnehmern wär’s ohne Baywatchretter nicht gut ausgegangen.

Aus dem Vokabelheft. Quasi.

Ich bewundere ja immer wieder die Unverfrorenheit, mit der man im Englischen Substantive verbalisiert. Mein neuestes Lieblingsbeispiel habe ich in der nachfolgenden Beschreibung eines wahrscheinlich nicht sehenswerten Films gefunden – immerhin: die Wortschöpfung ist schon sehr hübsch.

Plot: A bombastic throw-back horror-comedy that follows three young women who go out partying one night and find themselves Frankensteined together in one body. Now they must put aside their differences so they can find who did this and exact revenge!

Gelesen: Ben H. Winters – Underground Airlines

In “Underground Airlines” spielt Winters mit der Geschichte der USA: was wäre wenn das Attentat auf Lincoln VOR der Abschaffung der Sklaverei verübt worden wäre, der Civil War nie stattgefunden hätte, die Südstaaten (Louisiana, Mississippi, Alabama und die Vereinigten Carolinas) am Konzept der Sklaverei festgehalten hätten und dieses Recht im 18. Amendment bis heute als unveränderbar und unumstößlich festgeschrieben worden wäre?

Ich bin seit der Last Policeman-Trilogie großer Winters-Fan, unter anderem, weil das Konzept des Ich-Erzählers angesichts des Endes der Welt so ungeheuer schwer durchzuhalten ist und er das großartig löst. In “Underground Airlines” gelingt es ihm nicht. Die Idee bleibt gut, die zeitgeschichtlichen Referenzen (Jesse Owens in Berlin zum Beispiel) zwingen in diesem Kontext zum Nachdenken, aber seine Figuren bleiben dieses Mal seltsam holzschnittartig und die Auflösung am Ende des Buches ist keine, sondern nur eine verwaschene hollywoodtaugliche Ende-Version.

Trotzdem lesen.

One of these days

In der Reha-Einrichtung lief heute alles schief. Erst der KG-Physiopaht indisponiert, dann die Lymphdrainiererin im Rahmen ihrer sehr bescheidenen Fähigkeiten ebenso sehr bemüht wie sehr unerfahren und sehr erfolglos, der Ersatztherapeut (“mir ist meine Patientin heute ausgefallen, pack ma’s, auch wenn ich mehr so auf die obere Körperhälfte spezialisiert bin”) trotzdem willens, von El Knie Höchstleistung zu fordern und ihn damit äußerst erfolgreich auf Höchsttemperatur zu treiben und schließlich der Reha-Einrichtungs-Gefrierschrank im Eimer und das für El Knie vorgesehene doppelte Therapie-Eispack leicht über Raumtemperatur. Hrrrgggnnn! Wobei, das mit dem “erfolgreich” halte ich ja für eher fragwürdig: habe heute zum ersten Mal seit langem wieder so richtig hinken müssen und die Krücken beim Busfahren nicht nur wegen der Mitreisenden gebraucht. Doppel-Hrrrgggnnn!

Dabei hätte ich es ahnen können. Wenn ich morgens um Sieben schon in der Zeitung mißlese, dass es im “Würstchenstaat” Katar gerade rund geht, dann kann aus so einem Tag nix G’scheits mehr werden…

Was ist denn das für ein Traum?

Bei dem mir, aufwachend, nur die Frage “Did i ever ask you to wash Ketchup?” im Gedächtnis bleibt?

Manchmal bin ich ganz froh, dass sich mein Hirn nachts alleine mit sich selbst beschäftigt und mich schlafen läßt… Es reicht völlig, dass El Knie zur Zeit wieder jeden Morgen um 4:00 Uhr früh rummuppert. (Da schlafen selbst die Krawallvögel noch.)

Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen*

Immer, wenn ich denke, dass das jetzt schon zwei Monate her ist mir der OP und mir die Krücken beim Bus- und U-Bahnfahren recht im Weg umgehen und ich sie eiiigentlich daheim lassen könnte, dann fällt mir nach eineinhalb Stunden meines Rage against the Machines (jawoll, Plural), plus einer Dreiviertelstunde Hüpfens in der Nachsorgegruppe und plus der guten halben Stunde Hampelns im Bewegungsbad (und das versteht sich exklusive der Rüstzeiten, also der ständigen Umzieherei ins angemessene Turn- bzw. Mit-anderen-Menschen-in-Öffentlichen-Verkehrsmitteln-reisen-Gewand mit Bonusregenjacke sowie -mütze), dass El Knie doch noch ein rechter Neuling ist und leicht ermüdet und sich über nichts mehr freut, als dass die lila Laufhilfen anderen signalisieren, dass er jetzt fix und fertig ist und sitzen will und nicht von einem schon wieder anfahrenden Bus über die viel zu hohe Schwelle an der Ersatzhaltestelle abspringen mag und dann denken wir an Scarlett O’Hara und dass es vollkommen ausreichend ist, wenn wirs erst Ende des Monats ohne versuchen.

No ned hudla!

 

* aber doch schon der eine oder andere Krüppel auf die Schnauze.

Gelesen: Scott Lynch – The Lies of Locke Lamora

Jetzt kenne ich mich schon so lange und falle trotzdem immer wieder auf mich herein. Anstatt das verregnete lange Wochenende dafür zu nutzen, jetzt aber endlich die Unterlagen für die Steuererklärung fertigzumachen und den Postrehakram für die Krankenversicherung auszufüllen, gar nicht zu reden von dem und jenem auf dem Papierstapel, das dringend meiner Aufmerksamkeit bedürfte, weil irgendwelche Fristen demnächst ablaufen, höre ich auf Pauls Einflüsterungen und verfalle einem Buch. Ganz und gar und mit Haut und Haar und das zu Recht.

“The Lies of Locke Lamora” spielt in einem Stadtstaat, der vage an das alte Venedig angelegt ist und Locke Lamora ist zwar Waise, aber alles andere als ein Waisenkind und steigt rasch zum Anführer der “Gentlemen Bastards”, einer Gruppe von cleveren Dieben auf. Scott Lynch schreibt in einer sehr witzigen blumigen Sprache, wechselt ständig zwischen Zeitebenen und immer, wenn man glaubt, alle Intrigen durchschaut zu haben, setzt er noch eine drauf; mit ziemlicher Sicherheit ein Erbe seiner Zeit als Autor von Rollenspielen.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich die vielen Folgebände noch lesen will; ich fürchte, man kann das Thema totreiten und das wäre schade, aber dieser eine und erste hat mir das diesjährige Pfingsten versüßt. Weil das Buch schon 2006 erschienen ist, gibt es bereits eine deutsche Übersetzung, die allerdings allerorten sehr verrissen wird.

Empfehlung: Lesen, wenn’s an Pfingsten regnet und die Steuererklärung fertig ist.

Liebe Süddeutsche Zeitung,

Ihr leistet euch ein Sprachlabor und den Laboranten Hermann Unterstöger, der in jeder Wochenendausgabe über die Fährnisse der deutschen Sprache und ihrer Grammatik doziert. Und laßt es zu, dass einer eurer Kollegen in seiner Konzertkritik über Phil Collins diesem ein kaputtes Schiff anzieht? Ernsthaft, jetzt?

Wrack1

Liebe Süddeutsche Zeitung, wie wärs, wenn ihr die Steine wieder auf den großen Haufen legt, euch in euer Glashaus zurückzieht und euch schämt?