Ich bewundere Tilda Swinton und will mich, ähnlich wie durch Atwoods geschriebenes Gesamtwerk, in loser Folge durch ihr darstellerisches sehen.
Dies vorausgeschickt, wurde mir gestern Abend Regisseur Armando Iannuccis Version des ikonischen “David Copperfield” vorgeschlagen. Neben Swinton besetzt mit anderen Größen wie Dev Patel und Hugh Laurie. Warum also nicht?
Gegenfrage: Warum? Warum muss der urenglische Dickens’sche Bub mit der grausamen Kindheit und dem späteren Erfolg als Schriftsteller vom indischstämmigen Dev Patel gespielt werden? Der ist ein großartiger Schauspieler, keine Frage, von Slumdog Millionaire bis zum Best Exotic Marigold Hotel, und er spielt auch den Copperfield gut. Aber warum? Woher kommen die schwarzen Matronen (Nikki Amuka-Bird) in der britischen Oberschicht? Warum passen die Hautfarben von Müttern und Söhnen nicht zusammen? Das ist möglicherweise wahnsinnig woke, mich hat es aber ungemein irritiert. Vor allem, weil alle anderen Konventionen treu eingehalten werden. In London wird die Zukunft gebaut, es ist schmuddelig und laut, die feinen Leute leben auf weitläufigen Landgütern, die Herren der Gesellschaft tragen hohe Hüte, die Damen reichlich Putz, Straßenkinder Schmutz auf den Wangen und Ballonmützen. Alle sind mehr oder minder exzentrisch, Hugh Lauries Figur Mr. Dick leidet an einer mindestens milden Schizophrenie, Tilda Swintons herrliche Tante an einer Eselphobie. Ach, nein, es ist entweder gut gemeint (und schlecht gemacht) und/oder soll witzig sein und ist es nicht. Da haben der Herr Regisseur eine ganze Menge sehr großartiger Schauspieler sehr vergeudet.
Letzte Frage: Warum spielt Morfydd Clark eine Doppelrolle? Davids Mama und seine erste große Liebe, das Dummchen?
Nein, das muss man nicht anschauen. Es sei denn, wir schwimmen jetzt alle auf der Bridgerton-Welle und ich habe, weil ich die Serie nicht gesehen habe, einfach mal wieder einen Trend verpasst und bin viel zu streng und un-woke. Dann soll es so sein.