Gelesen: Ocean Vuong – “On Earth We’re Briefly Gorgeous”

Es gibt nicht viel Schlimmeres, als kurz vor der Abreise noch ein paar Handvoll Seiten in einem Buch nicht gelesen zu haben. Nimmt man es mit, ist es nach viel zu kurzer Zeit Extralast, läßt man es zu Hause, muß man aufs Ende viel zu lang warten. Ja, ich weiß, meine Sorgen möchte ich haben.

Ocean Vuongs Erstling ist dageblieben und vor lauter Ankommen und Kühlschrank füllen und Wäsche waschen und langen Arbeitstagen habe ich ihn erst heute ausgelesen. Es spricht für die Qualität dieses eigen- und einzigartigen Formats, dass ich nicht erst ein paar Kapitel zurückblättern mußte, sondern gleich an der Stelle, an der ich vor etwas über zwei Wochen abgebrochen hatte, wieder anknüpfen konnte und sofort wieder drin war in seinem langen Brief an seine Mutter.

Er schreibt poetisch, teilt Autobiographisches, Gefühle und Gedanken. Generationsübergreifende Kriegstraumata spielen eine ebenso große Rolle wie sexuelle Indentitätsfindung, die Armut des White Trash im sterbenden Rust Belt, die grausame Gewalt und die Opioidkatastrophe, die diese Armut unwillkürlich nachzieht, die Fremdheit von Einwanderern und der verzweifelte Versuch, bloß nicht als fremd aufzufallen im vermeintlichen Meltingpot Amerika. Fakten speist er in gewandter Beiläufigkeit ein, so, dass man erst einige Zeilen später mitbekommt, warum die wesentlichen Wendungen im Leben der Protagonisten geschehen sind.

Ein sehr großartiges Buch, das unbedingt gelesen werden sollte. Die deutsche Übersetzung ist unter dem sehr gelungenen Titel “Auf Erden sind wir kurz grandios” erschienen. Ich glaube, ich werde das gelegentlich auch lesen, einfach, um zu sehen, wie diese poetische Sprache in ein anderes Idiom übertragen wurde.

Lesen! Lesen! Lesen!

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