Was meine amerikanische Referenzbekannte “The Electronic Nanny” zu nennen pflegte und zum Ruhigstellen ihrer Nachkommenschaft einsetzte, funktioniert, wie vieles was bei Kindern probat ist, auch im geriatrischen Bereich. Bei mir sind inzwischen zwei Stück Eltern fernsehsüchtig. Hätte mein Bruder am 23. Dezember nicht so schnell und pragmatisch reagiert und ihr sterbendes Fernsehgerät mittels Eileinkauf beim Familienelektronikhändler durch ein lustig lebendiges ersetzt… Man möchte sich gar nicht vorstellen, was passiert wäre. Ich habe mich schon mit Kaschperlpuppen hinter dem ausgehöhlten Fernsehkasten Tatorte nachstellen sehen. (Spoiler: Der Täter wäre immer das Krokodil gewesen.)
Blieb mir erspart, die neue Kiste lief. Mit den alten Programmen. Am viel zu frühen Nachmittag sind das Reality-Polizeiserien. Mit “ächten” Fällen. Wie diesem. Dat Cheyenne is mitten auffe Straße zusammengebrochen. Unnet Asthma-Spray alle. Inzwischen auf der nämlichen Straße und um et Cheyenne herumhühnernd zwei Streifenpolizisten und Cheyennes beste Freundin Nicole und deren große Schwester (wenn die einen Namen hatte, hab ich ihn nicht bekommen. Die Familie scheint frankophil, nennen wir sie also hilfsweise Chantal.)
Nach längerer Diskussion, bei der die arme Röchel-Cheyenne immerhin schon einmal aufgerichtet und an einen Laternenpfahl gelehnt wird, entscheidet ein Mitglied der Ordnungsmacht, “fürleischt doch den Notarzt” zu rufen. Angesichts der mangelnden medizinischen Ausbildung aller Anwesenden keine ganz dumme Idee. Weil diese Sendung auch irgendwie weitergehen muß und Cheyenne wg. bewußtlos eher maulfaul ist, befragen sie die anderen jungen Frauen. Jahaha, Cheyenne sei quasi gar nicht sie selbst gewesen in den letzten Tagen. “Wegen dem Lernstreß.” Was die zufällig vorbeiflanierende Lehrerin bestätig. “Wegen des Lernstresses” flippten ihre Mädels gerade alle aus. Nicole hat auch noch Text: “Weil, Lernstreß, ey.” Zwischenzeitlich macht sich einer der Polizisten an Cheyennes Rucksack zu schaffen, denn, erklärt er seine Handlung, es könnte ja noch ein volles Asthma-Spray drin sein, nicht nur das leere. Nix da. Er findet ein Beutelchen mit grünen getrockneten Preßkräutern. Ahahaha! Jetzad! Die Mamsell ist bekifft! Das glaubt der inzwischen eingetroffene Notarzt nicht. Nein, nein, da wäre sie jetzt albern oder hungrig oder beides und läge nicht bewußtlos auf Straße herum. Man möge ihm das Tütchen (hihi) fürs Labor reichen. Das Labor hat er scheints in der Nase, denn er analysiert nach kurzer Geruchsprobe, dass es sich beim Inhalt um Oregano handelt.
Das treten die ernsthaft noch über 10 Minuten lang breit, mit Abtransport ins Krankenhaus und heulenden Schwestern und warum die Lehrerin auch mit im Sanka sitzt, muß man nicht verstehen und dann haben der Herr Doktor seinen ganz großen Auftritt. In einem gestellten Interview darf er mit salbungsvoller Stimme aufsagen, dass man nichts rauchen soll, was einem irgendwer andreht. Also, dass man am besten gar nicht rauchen soll. Und wenn schon, dann doch lieber Gras und nicht Oregano, weil da seien ja oft noch Reste von Pestiziden drin. Uff!
Von dem Dreck kommen immer drei Folgen am Stück. Bei der zweiten gings darum, dass ein Herr einer Dame, die an seiner Haustür aufdringlich geworden war, die Tür vor der Nase zu und diese damit blutig geschlagen hat. War aber dann doch nur ein Geschenk seiner Freundin, die befand, dass er verklemmt sei, weil alle Männer sich freuen, wenn man ihnen zum Geburtstag eine Nutte bestellt. Und bezahlt. Im Voraus. Von der dritten weiß ich nichts. Habe hinter verschlossener Küchentür das Abendessen zubereitet.
Zum Abendmahl wurde Ramsch geschätzt und gegen Geld verkauft. Und wenn der letzte Ramsch geschätzt und gegen Geld verkauft ist, dann kommen Quiz-Sendungen mit echten Quizmastern, so wie ich das aus dem Fernsehen meiner Kindheit kenne. Oh je! Oh je! Oh je! Und das ist alles wohlgemerkt noch Vorabendprogramm. Eines weiß ich sicher:
ICH BRAUCHE KEINEN FERNSEHER! NIEMALS WIEDER!