Vor einem Jahr bin ich, gestresst vom Abschiednehmen und dem Dauerkonflikt Wegwerfen/-geben oder Mitnehmen & Einpacken, einem Container mit Hausstand auf dem Schiff und der Aussicht auf eine noch ungewisse Zukunft, mit meinen beiden Koffern in den Nachtflieger von San Francisco nach München eingestiegen. Zum ersten Mal seit vielen Jahren ohne Rückflugticket.
Und dann war ich hier. Um zu bleiben.
Was macht der Mensch dann? Einen Plan. Wo wohnen? Die Übergangsphase wurde mir leicht gemacht und ich werde dafür immer dankbar sein; ich war eingeladen, so lange im Gästezimmer von Annette und Otto zu bleiben, bis ich was Eigenes habe. Wie großartig, nicht mit Sack und Pack auf wechselnden Freundescouchen surfen zu müssen, sondern schon mal wo zu sein – nicht, dass es an Angeboten gemangelt hätte, für die ich ebenfalls für immer dankbar sein werde.
Was aber nichts an der Frage ändert: wo wohnen? Und sollte ich das wirklich entscheiden, bevor ich weiß, wie und wo ich meinen Lebensunterhalt verdienen werde? Nein. Also erste Priorität: Arbeit finden. Nicht gerade wenig herausfordernd, mitten in den Sommerferien in Bayern, und es wurde auch nicht leichter, als ich entdecken mußte, dass die Festplatte, auf der alle meine Zeugnisse und sonstigen bewerbungsrelevanten Unterlagen gespeichert waren, den Flug nicht überstanden hatte und irreparabel gecrashed war. Himmel, kann denn bei mir nicht einmal irgendwas einfach einfach sein?
Das Jammern bleiben lassen, zurückgelehnt, auf meine Stärken besonnen, tief durchgeatmet und einen Drei-Monats-Plan aufgestellt:
- Die Welt* wissen lassen, dass ich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe.
- Den richtigen Job finden.
- Die richtige Wohnung finden, möglichst mit Balkon, möglichst in U-Bahnnähe (dieser im Nachhinein weise Entschluß stand schon fest, bevor ich ein Vierteljahr Spaß mit der S7 hatte) und, nach der Erfahrung von sieben Jahren viel zu langem zeitverschwendendem Commute, nicht zu weit von der neuen Arbeitsstelle entfernt.
- Langsam in Panik ausbrechen, wenn bis Ende November noch überhaupt keine Erfolge zu verzeichnen sind.
- Ganz wichtig: Punkt 4 gründlich beachten: “Langsam …”.
- Sollte sich bis Ende November wirklich nichts getan haben, Ferienpläne für Dezember machen. In der Vorweihnachtszeit tut sich eh nichts und es lohnt nicht, dann im kalten Deutschland zu sitzen und das Feuer unter dem Panikkessel zu schüren.
- Ein erster Panikausbruch mit Weltuntergangsstimmung (“das wird nie was, oh mein Gott, ich werde mit einem Einkaufswagen unter einer Isarbrücke enden”) ist zulässig, wenn Ende Januar immer noch weder die Aussicht auf einen Arbeitsplatz noch eine Wohnung besteht.
- Panikausbruch beenden. Danach sofort Ansprüche überprüfen, ggfs. reduzieren und Anstrenungen in jede Richtung verdoppeln. In diesem Fall: Ohren steifhalten, Zähne zusammenbeißen und an Monaco Franze denken.
Ja, und dann?
Dann haben sich die Puzzlesteinchen zu einem Bild gefügt: einer meiner Ex-Chefs empfahl mich meinem neuen; das Vorstellungsgespräch war eher eine Aufgabenbeschreibung, auf die ich mit “kann ich, weiß ich, mach ich gerne” antworten konnte. Erster Arbeitstag am 1. November. Damit war das Thema Jobsuche erledigt und der Zeitplan geradezu lässig eingehalten. Als nächstes war die Wohnung dran, in U-Bahnnähe, mit über die ganze Wohnungsbreite gehenden Balkon. Da hat es einem meiner ansonsten wohlwollenden Götter gefallen, sich ein kleines Späßle zu erlauben (s. https://flockblog.de/?p=29155), aber nachdem es letztendlich keinen Einfluß auf den Mietbeginn am 1. Dezember hatte, sei es ihm gegönnt. Auch hier: Vorpanikzeitplan eingehalten. Wenn auch knapp.
Was bleibt zu tun?
Nach einem guten halben Jahr** mit eigenem Herd finde ich das meiste, das ich eingeräumt zu haben glaube und weiß, was wo stehen, liegen, hängen soll. Demnächst werde ich jemanden mit gut sortiertem Werkzeugkasten anheuern, mir bei den Abschlußarbeiten zu helfen und dann wird die Wohnung um ein paar Provisorien ärmer sein; ganz ohne geht bei mir eh nicht.
Ich werde ein paar lang aufgeschobene Besuche machen, die, die bisher mit ordentlich Aufwand verbunden waren (“Meine S-Bahn kommt dann und dann an und wo soll ich auf dich warten und wie komme ich später wieder heim, wenn wir alle was getrunken haben werden?”). Der Corolla freut sich schon, endlich wieder Auslauf zu haben. Und ich erst.
Ich kann gar kein anderes Fazit treffen, als dass meine Heimkehr unter einem guten Stern steht. Ich Glückspilz ich.
* “Welt” ist sogar wörtlich zu nehmen, immerhin habe ich lange genug auf zwei Kontinenten gearbeitet.
** Doch, doch, die Rechnung stimmt ungefähr: ich war ja nicht immer zu Hause, sondern habe schon angefangen, mir meinen Wunsch nach Reisen zu Zielen in Europa zu erfüllen.