Wenn mir eines diesen Sommer noch zu meinem Sommerglück gefehlt hat, dann ein Besuch im California Shakespeare Theater in Orinda. Nun nicht mehr. Gestern haben wir Pygmalion gesehen. Sehr hübsch.
Regisseur Jonathan Moscone hat stark gekürzt, dem Shaw die längsten Giftzähne gezogen, Ironie – nicht zu viel, der Großteil des Publikums sind langjährige Abonnenten – und Lacher dringelassen und das so gut gemacht, daß nicht “My Fair Lady” rausgekommen ist. Hut ab! Unfreiwillige Komik ist dem Umstand geschuldet, daß der aus Indien hochdekoriert heimkehrende Colonel Pickering mit einem schwarzen Schauspieler besetzt wurde – ich wußte bis gestern nicht, wie tolerant die kolonialen Streitkräfte Ihrer Majestät schon gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren. Sehr schön auch, daß er, trotz Abopublikum, kein Happy End aufpfropfte: Moscones Eliza wirft dem dummen klugen Mann nicht nur die Pantoffeln ins Gesicht, sondern auch irgendwann den Bettel hin. Die Darstellerin Irene Lucio war mehrfach gefordert; nicht nur, daß sie Elizas Wandel vom Blumenmädchen zur Dame in Mimik und Körpersprache (Der Gang! Hach! Der Gang!) glaubhaft gespielt hat, nein, auch den Aufstieg von breitem über schmaleres Cockney bis hin zum Queen’s English hat sie sehr gut hinbekommen. Schon witzig, wenn eine Amerikanerin britisches Englisch spricht – ich bin jetzt schon so lange hier, daß ich das hören kann und das hat nun wieder mir viel Spaß gemacht. Was meine These angeht, der Nerd sei der Held des 3. Milleniums – I stand corrected. Professor Henry Higgins ist im Nerd-Stammbaum ein sehr würdiger Ahne!
Wie immer: sehr gutes Ensemble, gute Musikauswahl, phantasievolles und dabei praktisches Bühnenbild, was ich sehr mag, und die Kostümbildner haben schon vorausgedacht, falls das Haus irgendwann einmal Oliver Twist auf den Spielplan nehmen sollte. Auf jeden Fall den Dreck für die Arme-Leute-Schmutzgesichter aufheben!
Auch wie immer: zum Abschluß haben Toni und ich uns noch Schnitzel im “Gaumenkitzel” gegeben. Einziger Malus: die – selbstverständlich – amerikanische studentische Bedienung hat auch nach der 3. Wiederholung Tonis akzentfreie “Köstritzer”-Bestellung nicht verstanden. Aber ich kenne mich ja aus und habe dann mit “the dark beer, you know?” und dem Anspielen einer Köstritzer-Tulpe aushelfen können. Da hat das Mädele dann nach langem Zapfen das richtige gebracht – mit vorschriftsmäßiger Braunschaumkrone.
Ich hadere nun wieder damit, daß es hier schon so viele Routinen gibt. Nicht, daß die nicht schön wären, aber es fühlt sich an, als wäre jetzt auch langsam mal wieder höchste Zeit für was Neues.