“Doomsday Preppers” nennt man hierzulande Menschen, die weit hinter den sieben Bergen Bunker buddeln um mit einem Waffenarsenal, Batterien, Klopapier und ewig haltbaren Lebensmitteln den Weltuntergang auszusitzen. Ich lese ja lieber.
Zum Beispiel “Calculating God” von Robert J. Sawyer. Da kommt ein Alien von Beta Hydri III nach Kanada und wünscht einen Paläontologen zu sprechen. Das achtbeinige Spinnenwesen von Outer Space und der Gelehrte vom Royal Ontario Museum in Toronto finden einander sympathisch und plaudern über Gott und die Welt – mit der interessanten Wendung, daß ET selbstverständlich an eine schöpfende Existenz im Universum vulgo “Gott” glaubt, schließlich kann er das wissenschaftlich belegen. Das bringt sein Gegenüber, einen Naturwissenschaftler und Atheisten, ziemlich in die Bredouille.
Manchmal macht es sich Sawyer ein bißchen leicht. Zum Beispiel läßt er die Außerirdischen seit längerem eine fünfte Grundkraft der Physik entdeckt haben, die dann ein bißchen schwammig für viele Erklärungen herhalten muß. Aber man muß ihm zugute halten, daß er viel gelesen hat, Philosophen von Carl Sagan bis Eric Cartman zu zitieren weiß und mit hinreichend wissenschaftlichem Wissen angibt, um einen Laien wie mich zu beeindrucken. So gut er Aliens kann – zwei vollkommen unterschiedliche Rassen in Physiognomie, Kontaktfähigkeit und -interesse sowie Wertesystemen (ich bin ein ganz großer Fan der Wreed), so flach geraten ihm seine Menschen. Die religiös Fanatischen sind dumm und gewaltätig, der Paläontologe hat nur noch eine begrenzte Zeit zu leben (Lungenkrebs, aber nicht etwa vom Rauchen sondern vom inhalierten Forschungsstaub) und seine Sechzigerjahreglücklichefernsehfamilie geht einem irgendwann auf den Keks. Feminist ist er auch keiner. Als erfährt, daß Der Außerirdische weiblich ist, ist es ihm zu mühselig sich umzugewöhnen. Das ändert sich aber schlagartig, als er erfährt, das Der Außerirdische Mutter ist. Mit Wehen hat sie sich weibliche Pronomina redlich verdient. Waaahhh?
Dennoch, “Calculating God” ist eine gute Denkübung. Reicht einmal Urknall und die richtige Entfernung zur Sonne zur Entwicklung hochkomplexer physikalischer Abläufe, damit aus der Handvoll Sternenstaub ein Planet, bevölkert mit Lebewesen, wird? Oder ist es nicht nachvollziehbarer, daß dahinter eine planerische Intelligenz steckt? Man lasse mal das Bibelgeschwurbel beiseite und nehme das Universum/die Universen als Experiment eines am Gesamtergebnis interessierten Forschers, der Kleinigkeiten (Menschheit, Forinhor, Wreed) gegenüber schlichtweg ignorant ist und sie wieder wegmacht, wenn’s nicht gut gelungen ist. Um anschließend neu und besser zu kreieren. Wäre man dann bereit, eine übergeordnete Intelligenz zu erwägen?
Lesen!
Man nennt die Gattung “Cerebral science fiction” und ich hatte großes Glück mit der Empfehlung meines Referenzbibliothekars für “The Last Policeman” von Ben H. Winters und bin im Genre geblieben.
Die Ausgangssituation ist in beiden Büchern identisch: ein Asteroid taumelt aus seiner Umlaufbahn und wird demnächst auf der Erde einschlagen. Wo Sawyer nun Außerirdische Schöpfungsgeschichte und Gottesbeweis ins Spiel bringt, bleibt Winters mit beiden Beinen auf dem Boden und will eigentlich nur wissen, wie es um Menschen bestellt ist, die wissen, daß ihr Leben in einem halben Jahr vorbei ist.
Es wird geraucht. Öffentlich und überall. Drogen sind astronomisch teuer. Viele fliehen in den Freitod. Winters läßt die Suizide regional unterschiedlich ausführen, in den Südstaaten mit Schußwaffen, Neu-Engländer erhängen sich lieber. Flucht in Religion oder andere Verschwörungstheorien. Doomsday Preppers. Aussteiger, die endlich mal das machen, was sie immer schon machen wollten. Leben im Rausch, von allem nicht nur viel, sondern alles. Verlorene Existenzen, Kriegsgewinnler. Und unser letzter Policeman, der einfach nur seine Pflicht tut. Dem ein Suizid komisch vorkommt und der daraufhin eine Mordermittlung anstrengt.
Mehr verrate ich nicht. Will ja nichts spoilern. Lesen! Lesen! Lesen!
Die Moral der Geschichten? “It is what it is. Life sucks and then you die.”