Gelesen: ChloĂ© Cruchaudet – “Gewiss, Monsieur Proust”, 1. Teil

Cruchaudet erzĂ€hlt in einer Graphic Novel mit wunderschönen Pastellbildern panel-ĂŒbergreifend von Marcel Prousts HaushĂ€lterin CĂ©leste Albaret, einer sehr naiven jungen Frau vom Land, die eher zufĂ€llig in den Proust’schen Haushalt in Paris gerĂ€t und dann vom Schriftsteller-Genie mit Haut und Haaren quasi absorbiert wird.

Lohnt sich! Lesen! Lesen! Lesen!

Gelesen: Harald JĂ€hner – “Höhenrausch – Das kurze Leben zwischen den Kriegen”

Noch ein Buch ĂŒber die Weimarer Republik? Ja. Dieses Mal nicht aus der Sicht eines Historikers, sondern aus der eines Feuilletonisten, der seine Themen aus Zeitungsarchiven schöpft und auf neue Art und Weise verknĂŒpft und daraus eine Art erzĂ€hlendes Sachbuch macht.

Gleich vorangestellt: ich habe das Buch, obwohl umfassend recherchiert und in Teilen hochinteressant, nicht besonders gemocht. Nicht, weil mich das Thema nicht interessiert. Ganz bestimmt nicht. Auch nicht, weil ich die Sichtweisen und Ableitungen uninteressant fand. Gar nicht. Aber der Ton. Der ging mir stellenweise so dermaßen auf den Wecker. Die Angelsachsen haben eine Redensart: “Hindsight is 20/20”. Dazu muss man wissen, dass der Wert 20/20 fĂŒr das perfekte Sehvermögen steht und “Hindsight” “RĂŒckblick” bedeutet. Ja, klar, wir wissen heute, wie es nach den “Roaring Twenties” weitergegangen ist. Wieviele Menschen zu Tode gekommen sind. Und dann kommen manche seiner Kommentare so brĂ€sig-besserwisserisch daher, dass es mir ĂŒbel aufstĂ¶ĂŸt. Dann doch lieber weniger aphoristisches Geplauder und lieber sachliche Sachbuchsprache. Das mag an mir liegen, die Rezensenten waren durchgehend sehr begeistert. Wer mag, kann mein Exemplar haben und sich selbst einen Eindruck schaffen.

Man wird lesen ĂŒber die politische (wenig) und soziale Geschichte der Weimarer Republik, die Kultur der 1920er-Jahre en gros et en dĂ©tail, Frauenemanzipation und verĂ€nderte Geschlechterrollen, den Aufstieg der Angestellten, ihren Alltag und ihre NĂ€chte. Architektur und Bauhaus, Tanz (lieber alleine herumzappeln als in traditioneller Zweierform), Musik, Musik, Musik und Mode ohne Fischbein – wobei die Röcke in den ganz frĂŒhen Dreißigern wieder lĂ€nger und die Ausschnitte kleiner werden, Tonfilm und Theater, Zeitungen, Zeitschriften, Literatur, MobilitĂ€t und Straßenbau, Vereinsleben, Vegetarismus und Flugzeuge und und und… Und ganz vui Gfui, bei dem JĂ€hner im Kopf eines FrĂ€ulein vom Amt genauso steckt wie in dem Eberts und ihnen Aussagen in den Mund legt, die nicht belegbar sind. Aber tief empfunden.

Wie gesagt, es mag an mir liegen. Ich bin ein großer Fan von Fakten. Nun freu ich mich umso mehr auf das Buch von Jens Bisky, von dem ich mir mehr Sachlichkeit verspreche (s. https://flockblog.de/?p=50525).

Gestern Abend im Metropoltheater: “Weltuntergang oder Die Welt steht auf kein’ Fall mehr lang”

In Befolgung der bewĂ€hrten Methode, zu Kulturveranstaltungen Eintrittskarten sowie meine Begleitung zu verschenken, war ich gestern Abend mit einer lieben Freundin mal wieder in Freimann. Es wurde ein StĂŒck von Jura Soyfer gegeben, die zweite Fliege in meiner Klappe, denn seine Bearbeitung des “Kolumbus” von Tucholsky und Hasenclever war seinerzeit ein maßgeblicher Bestandteil meiner Magisterarbeit.

Aber darum soll es jetzt gar nicht gehen, sondern vielmehr um die BĂŒhnenbearbeitung und die Umsetzung des nunmehr schon 90 Jahre alten StĂŒcks. Die Zauberer (generisches Maskulinum) aus dem Norden haben wieder mit einfachsten Mitteln (SelbstverstĂ€ndlich können ein Wirthaustisch, ein GarderobenstĂ€nder und ein Barhocker glaubhaft ein Teleskop darstellen. SelbstverstĂ€ndlich.), in einer großartigen Ensembleleistungen in vielen Mehrfachrollen eine wunderbare, teilweise erschreckend aktuelle Revue auf die BĂŒhne gebracht. Die helle Freude!

Ich kann es mir nicht ganz versagen, doch zwei Schauspieler hervorzuheben. Der eine ist der inzwischen 80-jĂ€hrige Gerhard Lohmeyer, der quasi dauernd auf der BĂŒhne steht und mit viel Text den einsamen Mahner Professor Guck gibt, der andere Paul Kaiser, der ganz herrliche Rampensaurollen hat und sie in einer VirtuositĂ€t ausspielt, ganz besonders das Radio und das Vogerl, dass ich gar nicht mehr an mich halten konnte vor Begeisterung.

Hingehen! Anschauen! Klug unterhalten lassen!