Bundeskunsthalle, Bonn – Ausstellung: Alles auf einmal – Die Postmoderne 1967 – 1992

Ist das jetzt tatsächlich schon wieder fast zwei Wochen her, dass wir den 92. Geburtstag meines Onkels mit “Pizza und Rotwein fĂĽr alle” im Kreise seiner Lieben feierten? Des Onkels, wohlgemerkt, der in den letzten beiden Jahren seine Frau, seinen kleinen Bruder, seine kleine Schwester (meine Mutter), seinen Schwager (meinen Vater) und den einen oder anderen Freund und Freundin, nicht aber seinen unbändigen Lebenshunger verloren hat?

Man kommt ja zu nix.

Dann sind es auch schon wieder fast zwei Wochen, dass ich mit meiner Kusine hemmungslos mitsang, dass man uns doch bitte nicht verletzen solle und wir auĂźerdem völ-lig los-ge-he-löst von der E-her-de Major Tom ins All schmetterten… weil nämlich im Eingangsbereich der Postmoderne-Ausstellung auf einer Leinwand in Dauerschleife nicht nur Boy George und Tom Schilling, sondern auch Roxy Music, The Clash und andere den Sound unserer Jugend wiederbelebten – bis wir, durch eben diese Leinwand gehend, in den groĂźen Ausstellungssaal traten. Open Floor und alles von allem.

Architektur, Mode, Musik, Möbel, Körper- und andere Kunst, Design, Elektronik, Malerei, Kino, bunt und viel und wir waren da mal mitten drin. Das war unser Leben. Sex Pistols und Issey Miyake, Jane Fonda und Grace Jones, Arnold (damals noch Bodybuilder) Schwarzenegger und Vivienne Westwood, Frank Gehry und Paco Rabanne, Thomas Pynchon und David Lynch, American Psycho, Schulterpolster, Mondlandung, Alessi, dicke Haare, Vietnamkrieg. Alles von allem. Keine Trennung zwischen E und U. In einem der mehreren Nebenräume läuft ununterbrochen “Koyaanisqatsi”, in einem anderen glitzert eine Discokugel unter bunten Strahlern Highlights auf Fotos von Andy Warhol, Keith Haring, Grace Jones und ihrer Entourage, auĂźerdem viele lines of coke während sie im Studio 54 Hof halten.

Die Ausstellung versucht, das Phänomen Postmoderne einzuordnen, den Besuchenden quasi einen roten Faden zu geben. Bei mir hat das funktioniert, ganz ohne Orientierung hätte ich mich in dem bunten anarchischen Durcheinander sonst irgendwann verloren. So hatte ich große Freude, viel wieder erkannt und viel neues gelernt. Hach!

Falls wer zufällig in der Gegend ist, die Ausstellung läuft noch bis Ende Januar. Falls nicht, nachfolgend ein Rundgang…

Und falls das auch zu lang ist, hier mein LieblingsbĂĽcherregal meines funkelfrisch entdeckten neuen Lieblingsdesigners Ettore Sottsass.

… und ich habe ja keinen billigen Geschmack, will mir scheinen – das gute StĂĽck ist fĂĽr runde 15.000,00 Euro im Handel erhältlich. Gebraucht.

Ein junges Herz

Obzwar ich pĂĽnktlich bin, muss ich erst einmal warten. Denn vor mir ist der Herr Franz und der hat bei “seiner” (also eigentlich unserer) Frau Evelyn nicht nur eine PedikĂĽre gebucht, sondern auch einen Flirt. Und weil der Herr Franz ein echter Herr alter Schule ist (“in dem Sommer sechsaneinzige”), folgt die Konversation ordentlichen Regeln. Wetter (“greislig”), “dä Polidick” (“aa greislig, des lossma glei wieda bleim”), Urlaub (“heia nur beim Wandern in Bayern, ma mog ja gar nimma fliagn”), gefolgt von der Frage, was es denn wohl bei der “scheena Frau Evelyn heit Ohhmd zum Essen” gibt. Wo sie bisher ein bisschen mitgeturtelt hat, steigt sie nun aus. Frau Evelyn kocht nicht. “Gor ned?” Gor ned. Viel zu aufwendig.

Der Herr Franz ist ja kein Dummer, hat inzwischen auch StrĂĽmpfe und Schuhe wieder angezogen bekommen und erkennt seine Chance. “Wissen’S wos? Den nächsten Termin mochma um die Mittagszeit und i bring uns was Schees zum Schnabulieren mit.”

Bin gespannt, wie die Frau Evelyn aus der Nummer wieder rauskommt. Aber jetzt sind erst mal meine FĂĽĂźe dran und dann haben wir beide Wochenende. Ohne den Herrn Franz. Vorerst.

Latte greifen und Augen zu!

Die oben zitierte Bildunterschrift verwendet die SĂĽddeutsche heute auf ihrer Titelseite, um in der Sparte “Psychologie” die Frage “Boomer oder Millennial?” zu diskutieren.

Es mag an mir und meinem Boomertum liegen – ich muĂźte bei “der Latte in der Hand” erst mal grinsen und habe es bis dato noch nicht geschafft, geschlossene Augen und Achtsamkeit in Verbindung zu bringen. Als ich noch das orangene ABC-SchĂĽtzen-Käppchen trug, hieĂź es mehr so “Augen auf! Und Uffbasse!”

Heute keine Pointe.