In der ARD-Mediathek: “Kurzschluss”

Nicht weniger als ein “kleines Silvesterwunder” hat Dirk Peitz, der Filmkritiker der “ZEIT” gesehen und fragt sich und uns (mehr so rhetorisch): “Wie gut ist das denn, wie brüllkomisch, wie gegenwärtig auch, wie zugänglich und universell und dabei total eigen.”

Ja doch, Herr Peitz. Anke Engelke und Matthias Brandt spielen da ein kleines feines mehr als überdurchschnittliches Kammerspiel, das sie, zwei nicht mehr junge Menschen mit leicht geknickten Biographien am Silvesterabend im plötzlich zugesperrten Geldautomatenvorraum einer Bank zusammenbringt.

Ich pflege sowas eine “Sternstunde” des öffentlich-rechtlichen Fernsehens zu nennen, Seibt nutzt es zu einer Generalabrechnung mit den Rundfunkanstalten an sich sowie einem Publikum, das sich Ansprüche ohnehin längst abgewöhnt habe. Ruhig, Brauner. Ganz ruhig. Jetzt freuen wir uns doch erst einmal an dieser gelungenen halben Stunde Fernsehunterhaltung mit zwei sehr sehr guten Schauspielern und bauen darauf auf.

Ziemlich neu im Kino – “Avatar: The Way of Water”

Wenig überraschend sind Wald- und Wasserblauindigene gut und waffenstrotzende Marines, die die Schätze der Natur ohne Rücksicht auf irgendwen oder -was ausbeuten, böse. Würde man Camerons neues Werk nur wegen der Story bewerten, käme nix besonderes raus. Allenfalls Irritation über die Art, wie Jake Sully seine Söhne erzieht, mehr Drill-Sergeant als Vater. Hätte eine sehr gute Basis für eine Kain-und-Abel-Tragödie gegeben, wird aber anders aufgelöst. Viel amerikanischer.

Ahaber: darum gehts ja nicht. Es geht um die Bilder und die sind unübertroffen mächtig und großartig und mitreißend und deswegen kann man sich diesen Film mit großer Freude und Genuß ansehen.

Ausstellung in der HypoKunsthalle – “JR Chronicles”

Stell dir vor, es ist die Zeit zwischen den Jahren, ein ordinärer Wochentag mit für die Jahreszeit mildem Wetter, sogar die Sonne zeigt sich. Stell dir weiterhin vor, du lebtest im oder im Umkreis (oh ja, Italien zählt!) einer südlich gelegenen Landeshauptstadt mit einem großen Angebot an Kommerz, Kulinarik und Kunst. Könnte es dann nicht auch geschehen sein, dass du dich an diesem ordinären Wochentag dafür entschieden hättest, in die Stadt zu fahren, ein bißchen zu shoppen, irgendwo eine Kleinigkeit zu essen und dann noch die Ausstellung in der HypoKunsthalle mitzunehmen, die am 15. Januar eh schon aus ist – nicht, dass man Ende was verpaßt.

Eben.

Es war gestern schwarz vor Menschen, ein Elendsgedrängel schon in der U-Bahn und in der Fußgängerzone (Merke: Es ist wie das alte Taschendiebgesetz in New York: Nur Touristen schauen nach oben und bremsen dazu mitten im Schritt), mit Schlangestehen vor dem Eintrittskartenkauf (übrigens der ersten Seniorenkarte meines Lebens. Zwei Euro gespart, was man damit alles tun könnte), zum Garderobe abgeben, zum eigentlichen Einlass und vor jedem Exponat.

Es ist dies eine tolle Ausstellung. Es geht um das Sichtbarmachen von Menschen. Recht eigentlich von Menschenmengen, genauer Menschenmassen. So gesehen passt alles. Außer mir. Ich konnte das noch nie gut und bekenne: ich kann es nicht mehr. Zu voll. Zu eng. Zu laut. Zu viele Reize. Zu viele Gerüche. Und dieser Lärm. Gar nicht mehr meins.

Das nächste Mal suche ich mir einen ordinären Wochentag aus, auf den nicht auch alle anderen kommen. Nämlich.

Misanthropische Grüße, eure Frau flockblog.

Vorhin beim Einkaufen

Wie sie sich auch reckt und streckt, die hutzelige kleine alte Dame, sie reicht einfach nicht an die Kekse auf dem oberen Regalboden heran. Weil ich a) eh ein hilfsbereiter Mensch bin und b) viel größer und c) darüber hinaus den Göttern noch die gute Tat für den heutigen Tag schulde, helfe ich gerne aus.

Belohnt werde ich mit Dank sowie einer der schönsten Sentenzen, die ich in diesem Jahr gehört habe: “Kenne ich Sie oder sehen Sie bloß wem ähnlich?”

Bumm! Bumm! Bumm!

Hier in der Anstalt vertreiben sie schon seit vorgestern das Jahr 2022 mit allem, das die Pyrotechnik hergibt. Das ist vor allem mal laut und zieht Hundegebell und vom Balkon schimpfende alte weiße Männer nach sich.

Irgendwie kann ich die Böllerer verstehen. Wenn schon der Feldenkirchen vom Spiegel kein gutes Wort für das auslaufende Jahr übrig hat. Und der Terminus “Nacktschnecke” ist als Beschimpfung wenigstens originell.

Heute ist im Hunsrück keiner zu erreichen,

heute ist Bindelschesdaach. Das heißt, man kehrt nach einer nicht allzu langen Wanderung in eine Kneipe ein und trinkt dorten mit seinen Freunden.

Woher das historisch kommt? Weiß die Hunsrücker Referenzdame nicht. Ausgehen. Trinken. Reicht doch.

Habs dann mal für alle recherchiert (Quelle: Wikipedia): Der Bündelstag (auch: Bündelchestag, auf Hunsrückisch: Bindelschesdaach) war im späten Mittelalter der Tag des Dienstbotenwechsels. An den Weihnachtsfeiertagen erhielten die Mägde und Knechte ihren Jahreslohn ausbezahlt. Diejenigen, die von ihrem Dienstherrn nicht über den Winter versorgt wurden, mussten am zweiten Weihnachtstag, seltener am 27. oder 28. Dezember, ihre armselige Habe in ein Stück Stoff zum Bündel schnüren, denn Tücher konnten sie sich nicht leisten. Alternativ legten sie ihr Zeug in einen Weidenkorb und machten sich auf die Suche nach einer neuen Anstellung. Da die Jahreszeit nicht besonders geeignet ist für längere Wanderungen, endeten diese meistens recht schnell in einem nahe gelegenen Gasthaus.

Le Correcteur

Die Herrschaften von Spiegel Online protzen fast täglich mit dem einen Tippfehler, den sie gefunden und ausgebessert haben. Meistens sind die nichts rechtes und ich finde häufig schönere, aber der hier war wirklich hübsch:

Gesehen: Neu auf BBC: “C. B. Strike – Troubled Blood”

Frau Rowling hat irgendwann ihren Zauberlehrling ab- und sich ein (männliches) Pseudonym zugelegt. Weil Frau Rowling was von Marketing versteht, ist der Alias ziemlich früh entschlüsselt worden. Daraufhin verkauften sich die Bücher wie geschnitten Brot und die BBC gewann den Kampf um die Filmrechte.

Und so kommt es zum Leinwandauftritt von Cormoran Blue Strike, Afghanistan-Veteran mit Beinstumpf und nunmehr mufflig-melancholischer Privatdetektiv. Ein Alkoholproblem nicht ganz ausgeschlossen (Tom Burke). Weil es nicht gut ist, dass der Mensch allein sei, hat Rowling ihm früh eine hermioneähnliche Zeitarbeitskraft (Holliday Grainger) zur Seite gestellt, die sich inzwischen zum geschätzten Partner in der Kanzlei hochgearbeitet hat. Außerdem, deuten Blicke in – uiuiui – speziellen Situationen an, könnte zwischen den Beiden auch mehr sein. Aber dafür brauchts noch ein paar Bände, sie haben ja schließlich erst einmal an ihren ganz persönlichen Päckchen zu tragen. Überhaupt Traumata: so viele wie in dieser inzwischen 5. Folge waren gefühlt noch nie.

Strike bekommt von einer schon lange halbverwaisten Tochter den Auftrag, nach ihrer Mutter zu suchen, die seit 1974 vermißt wird. Mutter war Ärztin, in der Frauenbewegung organisiert, immer auf der Seite der Armen und Schwachen (hat also auch Schwangerschaftsabbrüche durchgeführt).

“A very cold case”, sei es, den sie da lösen sollen, konstatiert Strike, und macht sich mit seiner Robin auf, in alten Akten zu wühlen und Zeitgenossen des Opfers, also alte Menschen, zu interviewn. Selten so realitätsnah gesehen, wie Alter und altersbedingte Zipperlein in Szene gesetzt werden. Chapeau! Die Geschichte entwickelt sich über vier spannende hochkarätig besetzte und gespielte Folgen und endet in mehreren Höhepunkten. Die ich nicht spoilern werde. Außer der großartig geschriebenen und gespielten Szene, in der Strike einen Serienmörder vorführt. Qua erzählerischem Gesetz muss ein Serienmörder ein hochintelligenter, gerne strunzarroganter Typ sein, der Ermittlern immer mehere Schritte voraus ist. Dieses Gespräch hingegen verläuft überraschend gegen das Stereotyp und macht beim Zusehen große Freude.

Dies war übrigens der erste Film, in dessen Abspann mir mehrere Menschen auffielen, die COVID-bezogene Aufgaben am Set wahrgenommen habe. Wie immer man sich einen Covid Runner oder einen Covid Secretary auch vorzustellen hat.

Anschauen? Aber ja doch. Intelligent unterhalten lassen.

Fehlzündungen

Woran immer es liegen mag: jedes Mal, wenn ich an dieser Überschrift auf www.zeit.de vorbeiscrolle, poppt vor meinem inneren Auge immer “Josef, der erste mordende Vater” auf…

Gesehen: Neu auf Netflix – “Glass Onion: A Knives Out Mystery”

Irgendwo im Krimihimmel legt Agatha Christie in ihrem Schaukelstuhl ihr Strickzeug weg, gießt noch einmal Tee nach (auf die Milch!) und lehnt sich, sanft schaukelnd und zufrieden lächelnd zurück. “Da unten”, sagt sie zu den anderen älteren Damen in Tweed und Wolle, “da unten sind welche, die haben das auch raus mit den “Wer-Wars?”-Geschichten und dass es netter ist, reichen Leuten beim Herumschurken zuzusehen als armen.”

Dann nimmt sie ein Schlückchen vom inzwischen zufriedenstellend temperierten Tee und ihr Strickzeug wieder auf.

Auch der zweite Knives-Out-Film ist absolut nicht nötig, macht aber Spaß und Daniel Craig kommt langsam in seinem Benoit Blanc an. Der Southern Drawl nicht mehr ganz so dick, die (Bade)-kleidung dafür gentlemenlike herrlich antiquiert, wie überhaupt Maske, Kostüm und Ausstattung wirklich ganze und tolle Arbeit geleistet und die Schauspielerinnen und Schauspieler Spaß am Spielen gehabt zu haben scheinen. Doch, das kann man anschauen, wenn man sich einfach nur unterhalten lassen mag.