Neues aus Gitmo

Nennt man sowas eigentlich einen de Sade’schen Versprecher?

SPIEGEL ONLINE

Chaotische Szenen in Camp Justice

Aus Guantanamo berichtet Matthias Gebauer

Sie schreien, beten oder strafen das Gericht mit Missachtung: Zum Auftakt des Prozesses um die Terroranschläge von 9/11 haben die Verdächtigen versucht, die Verlesung der Anklage zu boykottieren. Kaum begonnen, droht das Verfahren von Guantanamo im Chaos zu versinken. […]

In dem eigens errichteten Gerichtsgebäude im sogenannten Camp Justine verweigerten owohl Mohammed, weltweit bekannt unter dem Ermittler-Akronym KSM, als auch die vier mutmaßlichen Mitverschwörer von Beginn der Verhandlung an jegliche Antwort auf die Fragen des Richters, Militär-Oberst John Pohl.

[…]

http://bit.ly/KvMuvm

Reisevorbereitungen

Mein guter Nachbar Sam fährt zum Cinco de Mayo immer heim nach Mexiko (5. Mai, der Feiertag an der der Schlacht von Puebla 1862 gedacht wird, in der die Mexikaner zu aller (auch ihrer eigenen) Überraschung die Franzosen geschlagen haben). Außerdem ist am Wochenende danach Muttertag und er hat Anwesensheits- und Geschenkebringpflicht.

Er kauft seit Wochen Mitbringsel, nimmt weitere Bestellungen an und wäscht Wäsche. Letzten Sonntag war er beim Bader, Haare und Bart muttertagstauglich trimmen lassen. Vorgestern hat er Rasen gemäht (meinen), gestern und heute standen Obst- und Gemüsekisten vor der Tür (meiner Tür). Ich schätze, damit hat er seine Vorbereitungen abgeschlossen, um guten Gewissens in Ferien fahren zu können.

Was habe ich mit dem für einen Riesendusel!

Neulich im Wald

habe ich Michelle kennengelernt. Sie fährt zwei Mal im Monat zwei Stunden (einfache Strecke) von San Mateo (das liegt 10 Minuten südlich von San Bruno) bis in den Big Basin Nationalpark, um dort als Park Ranger-Gehilfin ehrenamtlich Touren und Wanderungen zu führen und Menschen den Wald zu lehren. Michelle stammt aus Wisconsin, ist aber zum Kaliforniertum konvertiert und bekennend und begeistert bei der Sache.

Was genau macht denn den Kalifornier aus, Michelle?

  • “We are environmental” (umweltbewußt)
  • “We recycle” (was nicht heißt, daß weniger Einwegzeugs gekauft wird, es wird aber in blauen Tonnen getrennt entsorgt)
  • “We are tree-huggers”
  • “We know that cars are bad. We are ashamed when we drive anyway. That’s why we drive Priusses” (Soweit, daß der Ausbau des Öffentlichen Nahverkehrssystems eine Option wäre, geht sie dann doch nicht)
  • “We love the outdoors” (deswegen gibt es auch an jeder Ecke Geschäfte, die alles verkaufen, was man zum Campen, Wandern, Wildwasser-Rafting, Klettern, etc. un-be-dingt braucht. Man kann schließlich nicht einfach so in den Wald gehen…)
  • “We don’t go anywhere without a spare hoodie” (Ich habe keine Ahnung, wo Kapuzenjacken erfunden wurden, aber sie haben unzweifelhaft hier ihren natürlichen Lebensraum und man kann nie genug davon haben. Ich habe ja erst neulich meinen Eddie-Bauer-Treue-Gutschein gegen ein wunderbares weinrotes Sherpa-Hoodie-Modell eingetauscht. Mit kunstfellgefütterter Kapuze. Und wurde wieder als Mathe-Genie identifiziert, weil ich nur einen Dollar und ein paar Cents aufzahlen mußte und den Laden ohne weitere Einkäufe wieder verlassen habe. Aber ich schweife ab…)
  • “We don’t wear Prada. We wear Jack Wolfskin” (oder eben Eddie Bauer)
  • “We buy our food at Whole Foods (for our whole paychecks) or at Trader Joe’s” (kann ja nicht jeder einen Sam haben)

Dann fällt ihr noch was ein, was sie endgültig als Kalifornierin h.c. ausweist:

  • “We love Avocados!”

Bei fast allem konnte ich ihr aus vollem Herzen zustimmen. Ja, genau, so sind sie, und ein bißchen färbt das auf einen ab.

Wir mußten es allerdings einschränken: das gilt alles nur für die Guten, die Nord-Kalifornier. Southern California ist ganz anders und böse, denn die haben Hollywood und vergeuden Wasser.

Abbreviationism*

Heute in einer e-mail gelesen: “SWU”. Das hat sich mir aus dem Zusammenhang nicht erschlossen. Nachgefragt. Das stehe selbstverständlich für “seriously what’s up” und bedeute, daß das Gegenüber ernstzunehmendes Interesse am Gesundheitszustand seines Brieffreundes hat.

Ich bezweifle das. Ich kannte den Typen überhaupt nicht. Seriously what’s up with you guy?

*Abkürzeritis

Mein Freund, der Baum

Toni unterstellt Wald grundsätzlich einen höheren Lichtschutzfaktor als Strand und außerdem sollen frische Luft und draußen herumlaufen der Gesundheit zuträglich sein. Mehr als genug Gründe für einen Frühlingssonntagsausflug in den Big Basin Nationalpark. (Außerdem hatte ich in letzter Zeit alle meine Gäste hingeschickt und war selber schon ewig nicht mehr dort).

Alles da, gute Luft, sprudelnde Bächlein, hohe, sehr hohe Nadelbäume, frischgrünbeblättelte Laubbäume, Unterholz. Nein, stimmt ja gar nicht: “We Redwoods don’t do underwood,” erklärt Park Ranger Volunteer Michelle* aus Wisconsin einem Rentnerpaar, das sich bei ihr erkundigt hat, wo denn die “Critters” seien (pelziges Waldkleinviehzeugs). Redwoods machen kein Unterholz, und ohne Unterschlupf keine Viecher.

*Michelles Selbsteinschätzung (nicht ganz ohne Selbstironie) “150%-Neo-Californian-Tree-Hugger.” Mir san mir, mir Redwoods, oder wia?

Pragmatisch und doch pietätlos

Ist mir heute zum ersten Mal aufgefallen, nämlich, daß es zur Veteranenklinik (zusammenflicken) und zum Soldatenfriedhof (wenn’s nicht geklappt hat) in San Bruno über die gleiche Autobahnausfahrt geht. Erst ganz kurz vor dem Ziel gabelt sich die Straße.

Stranger Danger

Man hat’s hier gerne als griffigen Begriff und so wird aus “Geh’ nicht mit Fremden!” die “Stranger Danger” (http://bit.ly/AmCpl).

Ich war glücklicherweise nie in der Situation, ein Kind die rechte Balance zwischen Paranoia und Gefahrenerkennung lehren zu müssen, ich kann schwer beurteilen, wie man das richtig macht. Daß es allerdings in einer wohlhabenden Gegend wie Palo Alto verboten ist, seine Kinder vor dem Haus auf der Straße spielen zu lassen und ein Nachbar den anderen anzeigt, vorgeblich, weil bei dessen draußen spielendem Nachwuchs das Kindeswohl gefährdet sei, halte ich doch für übertrieben. Nicht so der hiesige Gesetzgeber. Die Eltern, deren Kinder in einer Wohngegend auf dem Gehweg an einer kaum befahrenen Straße auf- und ab radelten, wurden zu einer Geldstrafe verurteilt und hatten eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Im Wiederholungsfall droht ihnen eine Haftstrafe. (Dann ist Kevin eben allein daheim, oder wie?)

Paranoia rulez!

Too cool to be President?

Mitt Romney, der republikanische Präsidentschaftskandidat hat es unter den hiesigen Satirikern zur fast schon traurigen Berühmtheit des “Ned Flanders”* der amerikanischen Politik gebracht. Ned Flanders ist nicht cool. Es ist vielmehr so: Uncooler als Ned Flanders geht nicht.

Präsident Obama hingegen kann gut mit Celebrities, hat die bessere Singstimme und außerdem hat er Bin Laden zur Strecke gebracht. (Das einjährige Jubiläum des Terrorfürstentodes paßt jetzt gerade wunderbar in den Wahlkampf und wird weidlich ausgeschlachtet.)

Obama ist cool.

 

Kurz zum Verständnis: Wahlkämpfe werden hierzulande unter anderem von sogenannten Super-PACs finanziert, die, so lange sie “unabhängig” von Kandidat und Partei agieren, unbegrenzte Mittel in den Wahlkampf investieren können, ohne deren Herkunft deklarieren zu müssen. Der Super-PAC “American CrossRoads” (für den Namen sollten sie sich bei Eric Clapton entschuldigen müssen!) wird angeführt von Karl Rowe, (ja, genau, der Spin Doctor der Bush-Dynastie) mit dem Ziel, Mitt Romney ins Amt zu werben und Obama mit Schmipf und Schande davon zu jagen. American CrossRoads finanziert Print- und Online-Werbekampagnen, unzählige Veranstaltungen sowie Radio- und Fernsehspots.

Ihr jüngster Fernsehspot (http://bit.ly/Ibq022) ist ein echter Kracher: Der Präsident ist also cool? Von wegen, der ist sogar uber-cool. So cool, daß er zu cool ist – und deshalb nicht gewählt werden darf/kann/soll. Daß der Schuß nach hinten losgegangen ist, zeigt die sehr lesenswerte Kommentardebatte auf youtube. Sie zeigt außerdem was ich schon seit längerem predige: durch dieses Land geht ein tiefer Riß. Wer immer der nächste Präsident werden wird, er sollte tunlichst daran arbeiten, den zu kitten. Sonst schreiben die irgendwann nicht mehr nur haßerfüllte Kommentare, sondern schießen gleich. Nach dem jetzt schon in vielen Bundesstaaten legalen Prinzip “stand your ground”.

 

*Ned Flanders ist der uncoole christlich-bourgoise Okeli-Dokeli-Gutmensch-Kleinstadt-Nachbar der Familie Simpson in der gleichnamigen Fernsehserie.

Amerikaner, kauft nicht bei Ausländern!

Die BART (Bay Area Rapid Transit) ist das Nahverkehrsunternehmen, das einen großen Teil der East Bay (auf der anderen Seite der Bay Bridge) ebenso unterversorgt wie auf unserer Seite der CalTrain. Neulich haben sie beschlossen, ihrem Namen (“rapid”) gerecht zu werden, und einen Teil ihrer im Schnitt mehr als 30 Jahre alten Züge durch neue zu ersetzen. Das Ausschreibungsverfahren hat mit den besten technischen Resultaten und günstigsten Preisen (ausgerechnet) die kanadische Bombardier gewonnen, noch vor einem französischen und einem koreanischen Unternehmen. It’s the law: Dieses Angebot muß nun angenommen (oder eine kostspielige Neuausschreibung vorgenommen) werden.

Nun schreit das patriotische Amerika laut auf (und schaltet solche Radio-Spots): BART for America_Bart & Rita_60_MIX_041812 – Wo kämen wir denn dahin, wenn Ausländern Geld für bessere Qualität gezahlt würde? (Erinnert mich an die Zeit, als unser Visa-Anwalt uns empfohlen hatte, die Anforderungen in unseren Jobprofilen herunterzuschrauben, weil sie als Diskriminierung von Amerikanern verstanden werden könnten?!)

Dabei haben sie das hier doch schon immer so gemacht…

One word a day

Heute freut sich Frau Sabine mit euch, daß sie so eine hübsche Vokabel wie “cattywampus” entdeckt hat. Das klingt schief, schräg, quer und durcheinander und das bedeutet es auch. Die Sachsen waren wohl gerade nicht anwesend, als die Angeln dieses Wort erfunden haben, bei denen heißt das noch heute “verwürscht” (damit sind sie ganz nah dran am schwäbischen “verwurschtelt”).

Es ist auf alles anwendbar, was nicht so liegt, wie es soll. Auch auf Haare.