Für die, die den Inhalt nicht aus dem Stand parat haben: der alte König Lear verteilt sein Erbe an seine drei Töchter. Das gute und ehrliche Kind geht leer aus und wird verstoßen. Die anderen beiden, nun jeweils im Besitz eines halben Königreichs, entpuppen sich als miese Intrigantinnen, die den immer schwieriger werdenden Greis einfach nur noch loswerden wollen.
Die Besetzung, hier ein Auszug, ist zum Niederknien: Sir Anthony Hopkins (Lear), Emma Thompson (Goneril), Emily Watson (Regan), Florence Pugh, was für eine Entdeckung! (Cordelia), John Macmillan, auch eine Entdeckung! (Edmund), Jim Broadbent (Earl of Gloucester) und mein persönlicher Liebling Andrew Scott (Edgar), den kennen und schätzen wir als Moriarty aus “Sherlock”.
Warum die Regie die Herren auf den traditionellen Burgen und Schlössern in modernen Uniformen Krieg und welchen spielen läßt, hat sich mir nicht erschlossen. Es ist auch egal. Hopkins könnte den Lear auch in einem weißen Clean Room spielen, diesen alten Mann, seine wachsende Demenz und die dieses Krankheitsbild begleitende Aggressivität. Man fühlt mit ihm, aber auch mit Emma Thompsons Goneril, die den schmuddeligen alten Kerl und seine Hundertschaft von speichelleckenden Haudruff-Söldnern raus aus ihrem gepflegten Schloß haben will. Es ist einer der seltenen Momente, an denen noch so etwas wie schwesterliche Solidarität zwischen ihr und Emily Watsons Regan zu fühlen ist. Sie werden sich entzweien, über Besitz, über Macht und, besonders furchtbar, über den geltungssüchtigen Emporkömmling Edmund, der sie geschickt gegeneinander ausspielt. Dass sie einem in all ihrer Verrohung dennoch leidtun können, ist große Schauspielkunst.
Am Ende steht Lear vor den Leichen seiner Töchter, der Gerechten und der Ungerechten. Das größte Drama der griechischen Tragödie hat wieder stattgefunden: Kinder sterben vor ihren Eltern. Und dass Shakespeare ihn in dem Moment verrecken läßt, als er glaubt, die geliebte Cordelia atme doch noch, zeigt, dass es keine Gerechtigkeit gibt in der Welt des König Lear. Nix Deus. Auch nicht ex machina.
Wer Zeit hat, möge sie sich nehmen, um diese Verfilmung anzusehen, gnädig über den einen oder anderen Regieunfug hinwegzusehen und sich auf die exzellenten Schauspieler konzentrieren.

