Im chinesischen Tierkreis ist auf das Jahr der Ratte vor ca. 2 Wochen das neue Jahr des Stieres gefolgt. Mein Kollege in China nennt es “the year of the bull” und erwartet (nach der einen Festwoche, die in China traditionell zu Beginn des neuen Jahres zelebriert wird) immensen wirtschaftlichen Aufschwung, die Bewohner der San Franciscaner China-Town sprechen vom “year of the ox”. Letztes Wochenende wurde Miss Chinatown gewählt, Cindy Wu aus Houston, Texas, mit den schönen Hobbies Singen, Tanzen, Volleyball, Lesen und Bowling. Gestern dann wurden die hiesigen Feierlichkeiten mit der traditionellen “Chinese New Year Parade” beschlossen, gesponsert von SouthWestAirlines.
Das war vielleicht ein Auftrieb! Vorab war berichtet worden, dass der “Dragon Master” einen neuen Drachen gebaut habe, 238 Füsse lang und noch Kopf und Schwanz dazu, und der musste, weil neu und noch nicht umzugserfahren, in einer recht komplizierten Zeremonie “aufgeweckt” werden. Ich war leider zu weit weg, um genau zu sehen, wie das geht, habe aber verstanden, dass man viele viele Böller und Rauch braucht. Das Privileg der Eröffnung des Umzugs war schwarzuniformierten Motorradcops mit verspiegelten Sonnenbrillen vorbehalten, möglicherweise ist der Drache schon allein von deren Motorengeräuschen wach geworden.
Und dann kam alles, Schulklassen, Fahnenschwinger, Marching Bands ohne Ende, geschmückte Festwagen, der Erzbischof, die ganze chinesische Handelskammer, die Feuerwehr, lokale (Polit)Prominenz, überdurchschnittlich viele Wikinger, der Bürgermeister, noch mehr Schulklassen, teure Kabrios mit sich räkelnden asiatischen Schönheiten, noch teurere mit dunkel bebrillten Anzugträgern (keine Ahnung, ob die Triaden da auch ihre Repräsentaten hinschicken), mit Gold- und Silberlametta gepimpte Limousinen, wieder Schulklassen aller Alterstufen, bandschwingende Mädchen, mal wieder Fahnen, Chinakracher-Werfer, der ganz große Drache, viele kleine Drachen, großkopfige Theaterfiguren, Tänzer, Martial Arts Gruppen, weniger martiale Sportvereine, Foot- und Baseball-Mann- und Frauschaften, South-Western-Airlines-Fahnen-Fahnenschwinger, Glücksschiffe mit Rudermannschaften, Musikkapellen, kleinere Drachen, klitzkleine Azubidrächelchen, Fähnchenschwinger, Kamellenwerfer (kein Bonbon abgekriegt), Glückbambuswerfer (zum Glück nicht getroffen worden), irrsinnig aufwendig geschmückte Wagen, die für (chinesische) Restaurants in Chinatown warben, tanzende Kühe, dicht gefolgt von winzigen asiatischen Cowpersons (Boys und Girls), die mit Platzpatronen schießen durften, ein Wagen, der mit einem einsamen Kaktus gekrönt war, behelmte Veteranen, Kapellen, Mönche auf Wagen und zu Fuß, immer mal wieder Bullerei in Autos mit Signalbeleuchtung an (meist heftig beklatscht), bunte-Tücher-Schwinger, die Müllabfuhr mit tanzenden “garbage men” mit großen Silbermülltonnen, Männer, die ihre Hörner mit großem Stolz trugen, angeführt von einem mächtige Pick-up mit Riesengeweih (keine Reverenz an Miss Chinatown aus Texas, sondern, wie auch die – zunächst mißverstanden – Wikinger an das titelgebende Tier) … Wie Toni so recht bemerkte, es fehlten eigentlich nur noch die Panzer und überfliegende Düsenjets.
Ich möchte nicht im Paraden-Teilnehmer-Auswahlkomitee sitzen; ich glaube, das ist wie bei den Kölner Schull- un Veedelszöch – lass eine Gruppe sich nicht angemessen repräsentiert fühlen, dann sind die die nächsten Jahre beleidigt.
Das Ganze hat fast vier Stunden lang gedauert und mich hat am meisten ein Herr beeindruckt, der auf einer Trittleiter stand und die ganze Zeit eine 1,5×1 Meter hohe (und schwere) Papptafel hochhob, voller Text, dahingehend, dass Gott Obama und ihn selbst ausgewählt habe, Tibet die Freiheit zurückzugeben. Außer uns war sehr viel anderes Publikum zugegen und wäre Rainer in der Nähe gewesen, dann wäre der Satz von des Herrgotts großem Tiergarten nicht nur einmal gefallen. Ein buntes Volk. “Leut’ anschaug’n” war mindestens ebenso unterhaltend wie Parade. Möglicherweise ist es dem Erzbischof und seiner Diözesankapelle in schmuckem Violett zu danken, dass wir herrlichsten Sonnenschein hatten. Heute hat es nachmittags mal wieder angefangen, wie aus Kübeln zu schütten, heute war aber auch keine Chinesenparade und der Erzbischof nicht im offenen Wagen unterwegs.
Wat’n Satz …. und dann noch die Cowpersons mittendrin!
Genau: ein Satz, gefühlt so lang wie der große Drache – danke, Thomas!
boah, ey! das sind ja schon fast Thomas-Mann’sche Dimensionen 🙂
wir sind stolz auf dich!