Ich bin in der glücklichen Lage, in meinem Kollegenkreis einen deutschen Toni (i-Toni) und einen amerikanischen Tony (y-Tony) zu haben. Letzterer hat mich zu Neujahr ins Altenheim eingeladen. Anlass war (leider) nicht die Aufforderung zum Vorruhestand, sondern ein Neujahrskonzert des deutsch-amerikanischen Excelsiorclubs.
Das Altenheim ist wirklich eines und mit meinem Erscheinen sank das Durchschnittsalter im Saale signifikant. Ich hatte, wie schon bei der letzten Veranstaltung des Vereins wieder meine Schwierigkeiten mit diesem Berufsexilantentum (irgendwie müffelt es immer nach Heimatvertriebenenverbund); die sind alle ihrem Alter entsprechend etwas zurückgeblieben deutsch, man hat den Eindruck, mit seinen Großeltern zu sprechen. Mit Großeltern, die ihren Nachrichtenbedarf seit Jahrzehnten aus dem knappen Fundus ihrer Heeresberichtsmarken decken.
Pscht, alle auf die Plätze, das Konzert geht los. Der Tenor knödelt sich mitleiderregend durch die Zauberflöte (das Mitleid gilt Mozart), die Sopranistin glitzert mit dem Weihnachtsbaum um die Wette, ihre Gestik und Mimik sind ganz großer Stummfílm und wenn sie vom Tod singt, röchelt und hustet der ganze Raum vorahnend mit. Dann tritt die Diva auf, ein weiterer Sopran, die deutsch singt, ohne zu verstehen, was. Es geht um “Nuneilter-bei”, “Stolsunduber-Mutt” sowie “Schäm-Rott” (das klingt so, als hätte man ihr gesagt, sie solle als Eselsbrücke an “Shamrock” denken). Die Dame kann ausgezeichnet singen und mit diesen sprachlichen Holperern macht sogar mir Oper Spaß. Nach der Pause tragen sie ein Medley aus der Fledermaus vor (die Dame neben mir, mit kalter Verachtung in der Stimme und Wiener Akzent “an das Theater aus der Wien reicht das nicht im entferntesten heran”) und nach der Champagner-Arie wird zügig applaudiert und aufgestanden. Traditionell gibts anschließend Snacks und Champagner (d.i. hiesiges Zuckerbubbelwasser) aufs Haus. Wie zu erwarten: die arme lahme Greisin mit dem Rollator hatte am Büffet die Pole-Position.
i-Toni wird morgen aus Deutschland wieder zurückfliegen. Er schätzt seine Chance, das Land verlassen zu können, recht hoch ein, da der Flughafen Leipzig-Halle im Gegensatz zu manchem Westflughafen noch Enteisungsmittel vorrätig habe. Wundert mich nicht. Wer 40 Jahre nix hatte geht mit seinen Reserven wahrscheinlich sparsamer um. Gelle?