USA. Sonntag. Regen.

Ich kann mich nicht mehr so genau erinnern, was man in Deutschland an regnerischen Sonntagen macht. Wahrscheinlich mal aufräumen oder lesen oder Film gucken oder – keine Ahnung. Wenn’s hier schifft macht der gemeine Amerikaner einen Ausflug. In die Mall.

Selbstverständing motorisiert, mit dem Familienvan oder -Pickup, dem Altersheim-Kleinbus (Greise in Rollstühlen, auf Krücken, blind und taub – alle!) oder gar dem Öffentlichen Personennahverkehr (4 Bushaltestellen direkt vor dem Einkaufszentrum, in einer hierzulande nie gekannten Häufigkeit angefahren). Als Parkplatz gilt dem Ausflügler nur als akzeptabel, was einen Steinwurf vom Eingang der Mall entfernt liegt (man denke sich den Stein geworfen von einem eher schwächlichen Kinde im frühen Kindergartenalter). Darum kreist er. Weiter entfernt liegende Parkplätze (bis zu 3 Gehminuten vom Eingang) werden nur angefahren, wenn irgendein Douchebag im Auto wirklich ganz dringend mal muss.

Familien trennen sich sofort. Die älteren Knaben treffen sich mit anderen ältere Knaben (“Hey man” “Yo Man” “Wazzap?” incl. Händedruckritual) und hängen anschließend vor den Eingängen ab. Mega-cool, wollen aussehen wie böse Buben mit Bier und Fluppen (geht nicht, ist ein “family-friendly shopping Paradise”), saugen ersatzweise Cola aus ihren Mäckie-Gallonenkübeln und bellen mit Stimmbruchstimmen gleichaltrigen Mädchen hinterher. Diese wiederum haben sich im Vorfeld stundenlang aufgebrezelt und angemalt (tragen aber alle Uggs und schlurfen, was die Wirkung ein bißchen beeinträchtig) und haken sich in Grüppchen à zwei bis fünf giggelnd und schnatternd unter. Vor jedem Schaufenster mit Blinker und Pink verweilen sie, die “Like-Per-Minute”- und Sehnsuchtsvoller Schmachtseufzer Quoten (“I loooooooooooove [soeben betrachteten Gegenstand einsetzen]…”) sind mit den aktuell in diesem Universum zur Verfügung stehenden Methoden nicht meßbar.

Beinahe hätten wir die Eltern mit den Kleinen aus den Augen verloren. Die werden bespaßt: Mütter lassen sich mit Cremes die Hände salben (nur eine, vor der zweiten ist ein Verkaufsgespräch fällig), auf bequemen Lederliegesesseln die Brauen zupfen und wer – egal welchen Geschlechts – nicht schnell ausweicht, wird mit Parfüm besprüht (da kommen bei einem mehrstündigen Mall-Aufenthalt wilde Gesamtkreationen zusammen). Väter testen in einem mit Kunstrasen ausgelegten eingezäunten Arreal laut aufheulende Akku-Werkzeuge (und sehen aus, als stünden sie mit mindestestens einer AK-47 am Schießstand), werden von ausgesucht hübschen jungen Frauen in rosa Kittelschürzchen ebenfalls mit Salbenpröbchen geschmiert (der Redneck mit Basecap und die Antifaltenaugencreme – ein Bild für Götter), kloppen sich um “You DEERE”-Bumpersticker und umlagern mit den Jungs die Spielautomaten in der “Arcade”. Die Kindlein toben entweder im Spielparadies auf den dortigen Geräten (wie ein Spielplatz draußen, mit Wippen und Federwackeltieren auf einer 20cm dicken Abprallschicht – wenn wirklich mal ein Kind runterfällt, dann ditscht es noch ein paar Mal auf) oder machen am Blöde-Tier-Mützen-Stand beim Fotowettbewerb mit. Das lustigste Mützenkind gewinnt einen $5-Mützenpreisnachlass-Coupon. Und weil alle Kinder gar so hübsch sind können sich die Juroren nicht entscheiden und  siehe da, jedes Kind gewinnt. Fast alle Eltern kaufen, für immerhin noch $24.95. Ein hübsches Businessmodell. Frisch bemützt suchen die Zwerge nun in den Shops nach Saurieren, roten Punkten, dem entlaufenen Alligator und… Sie bekommen bei Erfolg kleine Preise. An der Kasse abzuholen. Nicht an einen Einkauf gebunden. Natürlich nicht. Aber wo man eh grad schon im Laden ist und für den Preis sowieso an der Kasse anstehen muss…

Abschließend trifft man sich in den Food Courts zu Fast Food aus der ganzen Welt, wer’s nobler mag, geht zu Applebee’s oder Denny’s (echtes Besteck und richtige Teller, der gleiche Fraß) und trägt hinterher seine Restebox durch die Mall. Und viele Tüten. Und da ist der Sonntag dann auch schon vorbei. Schön wars. Das lädt zur Wiederholung ein.

Ich habe auftragsgemäß Eddie-Socken gekauft. Sonst nix. Nur Amis geguckt.

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