Ein großes Stück über das Leben und Sterben schwuler Männer in Amerika, spezifisch in New York. In der Reihenfolge der großen Stücke über das Leben und Sterben schwuler Männer in Amerika zeitlich einzuordnen nach dem großartigen “Angels in America”. Eingestiegen wird in den Obama-Jahren, Schwulsein ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen, man ist in der Künstlerszene, spricht über die neuesten Kulturereignisse, Kulinarik, Familienplanung. Der erste große Bruch in diesem Idyll ist der für Menschen in diesem Bubble vollkommen überraschende erste Wahlsieg Trumps über Hilary Clinton. Das kann doch gar nicht wahr sein, dass darf doch gar nicht wahr sein. Daraus folgend die unbestimmte Angst: was bedeutet das für uns?
Insgesamt werden drei Generationen auf der Bühne verhandelt. Die, ich nenne sie der Einfachheit halber, “die Alten”. Die, die sich verstecken mußten, noch gejagt und gehetzt wurden, die, die sich in “Stonewall” und anderen Ereignissen zum ersten Mal wehrten, die wenigen, die die Seuche (AIDS) überlebt und viel zu viele Zeitgenossen zu Grabe getragen haben. Jene, die, siehe oben, aktuell ihr Erwachsenenleben leben und gestalten und die Nachgeborenen, ausgesprochen gut personifiziert in einer Doppelrolle (Adam, “Golden Boy” und Leo, White Trash-Stricher) durch den jungen und natürlich an einer Stelle im Stück wieder nackten Vincent zur Linden.
Das ist komisch und tragisch, langsam und schnell, unterhaltend und brutal, es werden sehr große Worte sehr gelassen ausgesprochen und Banalitäten gründlich breitgetreten und ist dabei erstaunlich kurzweilig, die ersten beiden Stunden vergehen wie im Flug. Dass der zweite Akt des ersten Teils nur noch eine Stunde dauert, ist schon fast bedauerlich. Dann darf das Publikum kurz auslüften, es werden Kühltaschen ausgepackt und die Theatergastronomie leergefuttert und dann klingelt es schon zum zweiten Teil.
Der ist insgesamt etwas telenoveliger, amerikanisch dick aufgetragen und vielleicht an manchen Stellen übererklärt, die Tragik arg tragisch, die Komik aber immer noch witzig und sehr punktgenau und die Figuren entwickeln sich, wie zu erwarten war. Der Schluß ist ein großes Broadway-Finale mit Herbstlaub, die tragischste Figur derrennt sich mit dem Sportwagen, aber die anderen leben happily ever after und wenn einer mit über 90 dann doch stirbt, hinterläßt er ein Rudel Kinder und noch viel mehr Enkel und der Soundtrack könnte von Peter Fox sein.
Großes Kompliment an das gesamte Ensemble! Das schließt sehr explizit wieder den wunderbaren Bühnenbau (ein Bilderrahmen-Guckkasten im Guckkasten und die Drehbühne bis zum allerletzten genial genutzt) und die Beleuchtung ein.
Well done, Resi. Ich hatte schon Angst, ich könnte das Haus nicht mehr mögen wollen.