Für Mark Gatiss, an den sich die eine oder der andere als den älteren Bruder Mycroft aus “Sherlock” erinnert, dürfte die Kreation und Umsetzung dieser Serie die Erfüllung eines langgehegten Traums gewesen sein. Alles hat er sich selbst ausgedacht, mit allem drin, was man sich wünschen kann. Die Hauptfigur, die er selbst spielt, ein zitatfester Antiquar namens Gabriel (!) Book (!) mit einer Buchhandlung, die stark an die Aziraphales in “Good Omens” erinnert, der neben seiner Qualität, seiner Kundschaft genau das passende Buch zu richtigen Zeit zu empfehlen, auch noch Kriminalfälle löst, autorisiert durch einen Brief Churchills, der ihm Zutritt zu jedem Tatort, jedem Verdächtigen, jeder Vernehmung, jeder Verfolgungsjagd und jeder Obduktion verschafft.
Eine Entourage aus fleißigen Helferlein, beginnend mit der eigenen Gattin (Polly Walker), der er jeden Abend vor dem Einschlafen genau das jetzt passende Buch vorliest, einem geheimnisvollen noch sehr jungen Mann und Archetyp eines “Jungen Wilden” (Connor Finch), der nach seiner Haftentlassung bei ihm Anstellung und Wohnung findet, einer Kriegswaisen usw. usf., denen er diskret Schutz bietet im Hier und Heute, dem nach dem “Blitz” in Trümmern liegende London. Einem London, in dem graue Menschen in langen Schlangen um Lebensmittel anstehen und Schurken zu dramatischer Musik vor Backsteinruinenmauern mit grellen rundem Scheinwerferlicht gejagt werden, als wären sie der dritte Mann.
“Bookish” spielt in einer Zeit, in der der Krieg noch allgegenwärtig ist, seine Folgen in der zerstörten Stadt und in den zerstörten Menschenseelen sichtbar. Und weil gar kein Thema ausgelassen werden darf (Achtung, Spoiler) ist der Held nicht nur oh so very british, sondern auch homosexuell und die Ehe nur ein “Arrangement”, über das nicht gesprochen werden darf. Außerdem gibts ständig Tee. Und Kekse.
“Bookish” ist, das muss man neidlos anerkennen, gut gemacht. Es hätte gut werden können. Ist es aber nicht. Weil, noch so gut gemeint halt nicht zwingend gut wird. Alles ein bißchen zu dick aufgetragen. Der Held zu klug. So siebengescheit, dass er einem auf den Senkel geht. Zu. Zu british. Zu snobbish. Zuviel Tee. Und bitte, bloß keinen Keks mehr! Nie mehr!
Für die Literaturaficionados unter uns mein Lieblingsbeispiel von aus dem Ruder geratener Ironie: eine Dame kauft regelmäßig seichte Literatur (die arme Georgette Heyer). Bis Book ihr was Vernünftiges empfiehlt. Der begleitende Gatte ist ein grober Stiesel, der ihre Lesefreude abfällig kommentiert. Bis Book ihr “Nora oder Ein Puppenheim” von Henrik Ibsen schenkt. Das nächste Mal kommt sie allein und berichtet, dass ihr Scheidungsanwalt das Nötige regelt. Nun wünscht sie Reiseführer zu kaufen.
Eine zweite Staffel ist dem Vernehmen nach schon in Auftrag gegeben. Ich werde sie nicht ansehen und kann allen anderen nur raten, sich auch die erste zu sparen. Ist vergeudete Zeit.