“Fourth of July”*

assoziiere man bitte nicht nur mit Roland Emmerich und Oliver Stone, nein auch mit “DUI Patrols” ( DUI steht für “Driving Under Influence”, siehe hierzu: https://flockblog.de/?p=3838 – alle Kräfte im Einsatz, um Drunken Drivers zu jagen und zu fangen) und einem generellen Verbot von Feuerwerk in der Bay Area. Generell? Nein, ein kleines Häuflein von Gemeinden (2 auf dieser, 2 auf der anderen Seite der Bay) mit vorwiegend mexikanisch- bzw. karibischstämmiger Bevölkerung böllert. Eine davon ist San Bruno. Andere, zum Beispiel Redwood City, haben sogar ihr Ortsschild um ein Verbotsschild erweitert.

Letztes Jahr hatte ich den 4. Juli mit meinem Besuch in der City verbracht und inmitten von Menschenmassen das offizielle Feuerwerk an Bay und Golden Gate Bridge gesehen. Heuer wollte ich was anderes, wußte aber noch nicht so recht, was? In die San Bruno Hills fahren und von oben Feuerwerk gucken? Oder nach Pacifica ‘rüber? Feuerwerk am Strand? Ich war sehr unentschieden, habe erst mal Äpfel geklaubt und bin mit meinem roten Eimer zu Nachbars gegangen, Obst verschenken. Damit war auch mein Dilemma gelöst, Carmen und Francisco luden mich zu ihrem Gartenfest ein. Ganz zwanglos, Familie und ein paar Freunde, Potluck (das heißt, jeder bringt irgendwas zum Essen mit). Klasse! Ich habe einen deutschen Apfelkuchen versprochen, alle meine Klappstühle und free parking in meinen Driveways.

Als die Musik nebenan immer lauter wurde (vorwiegend Paloma-Lieder mit viel Amor und Dolor) und die Einfahrten zugeparkt waren bin ich mit Kuchen und Stühlen nach nebenan gegangen. “Familie und ein paar Freunde” – anwesend schon knapp 20 Erwachsene, jede Menge Kinder, sprich: Carmens Schwestern mit Familien, dabei hatte es eigentlich noch gar nicht richtig angefangen.

Als wir doppelt so viele waren, warf Francisco die Grills an, es fehlten zwar noch ein paar, aber die müßten heute auch arbeiten. “Echt? Am 4. Juli? Am Nationalfeiertag?” Ja, schon, aber das sei nicht schlimm, dafür gebe es dann “Triple Paid Time Off, that’s a good deal.” Die meisten sind Handwerker oder arbeiten im Dienstleistungsgewerbe, das heißt, viele haben überhaupt keinen bezahlten Urlaub. Ausnahmen sind allenfalls die großen Feiertage, also Weihnachten, Independence Day, Labour Day, Thanksgiving und der dazugehörige Brückentag und da gilt dieselbe Überstundenregel. Damit wird dieses Land am Laufen gehalten.

Die Anwesenden waren streng nach Geschlechtern getrennt, die Männer umstanden die Grills und fachsimpelten, wir Frauen saßen entspannt in der Nachmittagssonne, mit einem halben Auge bei den Kindern und beim Büffet (wer hat was mitgebracht und wessen Balg nascht hier schon wieder unautorisiert?) und alle gleichzeitig durcheinander redend. Für mich mit englischen Untertiteln, nebenher konnte ich meinen spanischen Wortschatz immens erweiteren. Zum Beispiel um “Quinceañera”, DAS Thema bei den Teenie-Mädchen. Es handelt sich dabei um eine Art Debütantinnenball, das mexikanische Äquivalent zur amerikanischen “Sweet Sixteen” und ist schwer aufregend: formelle Kleidung (Ballkleid bzw. Anzug)? (Die Mütter raten davon eher ab, weil die Klamotten schweineteuer sind und die Kids eh bald rauswachsen.) Zu Hause im Garten, oder im Restaurant oder in einer eigens angemieteten Location? (Ratet mal, wofür die Mütter sind?) Da flossen schon immer mal wieder ein paar Trotztränchen…

Dann war da Lupe. Lupe ist ein unwahrscheinlich süßes kleines Mädchen von ca. drei Jahren, mit einem einladenden liebenswerten Lächeln, bestetig plappernd, Rüschenkleidchen, Löckchen, Schleifchen, das ganze Paket, wie ein Sahnebaiser mit Zartbitterschokolade. Lupe ist darüber hinaus das einzige so junge Kind in einem Rudel von mindestens drei bis zwölf Jahre älteren Cousins und Cousinen und kann auch ganz anders, wenn sie nicht kriegt, was sie will. Dann greift immer ein Erwachsener ein und appelliert an das ältere Kind, doch vernünftig zu sein und der armen Kleinen zu geben, was sie möchte. Meistens will sie’s dann nicht mehr haben, sondern etwas ganz anderes. Früh übt sich: wenn die kleine Lupe erst eine große Lupe ist, ist sie bestimmt eine begnadetete Bitch.

Ich habe mich lange mit Concepcion unterhalten, sie ist knapp vierzig und ihre beiden Großen sind schon aus dem Haus, die Nächste gerade mit der High School fertig. Dann hat sie daheim nur noch die beiden Kleinen – was bleibt einem dann noch, außer auf Enkel zu warten? Ihr Blick ist verdächtig oft auf die süße kleine Lupe gefallen, mich dünkt, sie hat ihre Familienplanung gerade noch mal überdacht…

Carmen und ihre Schwestern haben in der letzten Woche alle mindestens einen Abend lang ehrenamtlich Feuerwerkskörper für die Schulen ihrer Kinder verkauft. Es ist nämlich so: Feuerwerk ist eigentlich böse. Es wird aber gut, wenn der Gewinn aus dem Verkauf einer guten Sache dient (Schule, Heilsarmee, Altersheim…). Die Verkaufsbuden dürfen jedoch wegen Brandgefahr nicht in der Nähe dieser Institutionen aufgestellt werden. Deswegen wählt man als Standort meist recht belebte Straßenkreuzungen. (Da ist es dann nicht so schlimm, wenn’s brennt? Das verstehe, wer will.) Statt der üblichen 9,25% Sales Tax werden 17% erhoben und die Differenz geht direkt an die Feuerwehr (das wiederum scheint mir einsichtig). Carmens “Booth” (eine von ca. 15 in San Brunos Stadtgebiet) hat innerhalb einer Woche $65,000.00 Umsatz gemacht. Nicht übel.

Einen großen Teil des Nachmittags haben die Damen mit Kinder-Logistik verbracht. Bis auf eine Ausnahme (und das ist nicht etwa Concepcion!) sind alle in Vollzeit (oft im Schichtdienst) berufstätig und mehrfache Mütter. Ihre Kinder haben aktuell Sommerferien und die Budgets dieser Haushalte reichen weder für lange Ferienreisen (noch dazu, wo der Urlaub der Eltern dann unbezahlt wäre), noch für wochenlange Summer-Camp-Aufenthalte. Also verteilt man die Kinder. Das hängt alles an den Frauen, die Männer werden gegebenenfalls mal für Fahrdienste eingespannt. Hut ab!

Die Männer haben natürlich auch noch andere Aufgaben. Berge von Fleisch und Wurst (Chorizo, yummie!) grillen und verteilen und dann nach Einbruch der Dunkelheit mit den Kindern Feuerwerk abbrennen (die Frauen räumen derweil auf, spülen, verteilen Reste und verlagern die Gesellschaft in die Garage, weil’s draußen zu kalt wird – San Bruno Wínd). Francisco hatte die Feuerwerkskörper im Kofferraum eingeschlossen und in ganz kleinen Rationen an die Böller-Buben abgegeben – ein Heidenspaß, zu dem die Mädchen kreischen. Jeder Haushalt in meiner Straße hat stundenlang gekrachert – das ist nämlich in Wirklichkeit kein amerikanischer Feiertag, sondern eine ausgewachsene Fiesta Mexicana.

Ich bin dankbar: neben der herzlichen Gastfreundschaft und der unverfälschten Neugier aller auf mich und mein Leben (die haben mich auf Herz und Nieren ausgefragt und ich schwöre, dass das Gros der anwesenden Frauen für sich beschlossen hat, mich unter die Haube zu bringen – so ist das doch kein Zustand…) habe ich so viel über das Leben der Anderen gelernt, wie in der ganzen Zeit hier bisher noch nicht.

Und heute wird bei mir gegrillt.

* Eigentlich feiert der ganze Kontinent Elenas Geburtstag. Von mir auch alles Gute!

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