Gestern Abend im Bürgerhaus Unterföhring: Theater Unikate in Koproduktion mit den Hamburger Kammerspielen – “Was man vor hier aus sehen kann”

Vorrede: “Theater Unikate” ist Gilla Cremer. Gilla Cremer ist Theater Unikate. Eine Frau wie ein Kraftwerk. Gibt noch eine halbe Stunde vor Aufführungsbeginn eine Einführung mit anschließendem netten Publikumsgespräch und steht dann pünktlich umgezogen und geschminkt und mit hoher Präsenz auf der Bühne und bespielt den – wohlwollend gezählt – gerade mal zu einem Drittel gefüllten Großen Saal des Bürgerhauses in einer Gutzweistundenproduktion (eine kleine Pause dazwischen, die aber wohl mehr dem gewünschten Getränkeumsatz als dem Energielevel Frau Cremers geschuldet ist).

Ich bin ja eines jener Glückskinder, die Eintrittskarten inklusive Begleitung zum Geburtstag geschenkt bekommen. Von jener Freundin, die in derselben Woche Geburtstag hat und als wir beide vorfreudig unsere Kuverts öffnen, stellen wir fest, dass die Veranstaltungen, die wir uns gegenseitig geschenkt haben, noch nicht einmal eine Woche auseinanderliegen. So ist das, wenn man ein Glückskind ist. Wo war ich gleich?

Ach ja, Gilla Cremer. Die hatte sich vor einer ganzen Weile auf einer langen Autofahrt von der großen Sandra Hüller Mariana Lekys “Was man von hier aus sehen kann” (s. https://flockblog.de/?p=42249) vorlesen lassen, sofort die Rechte gekauft, eine Bühnenfassung geschrieben, in Kooperation mit Rolf Claussen unter Lekys geneigten Augen uraufgeführt und tourt seitdem damit.

Der erste Teil ist… so mittel. Was unter anderem daran liegt, dass im Buch ein reiches Panoptikum von Protagonisten und -innen vorkommt, Kremer zwar schon stark gekürzt und einige herausgenommen hat, die verbliebenen, ihre Biographien und Motivationen aber mehr auserzählt als gespielt werden. Das hat eher den Charakter einer szenischen Lesung und weder Cremer noch Claussen grenzen die in Mehrfachrollen gespielten Figuren in der Darstellung sauber ab. Hinzukommt, dass die Unterföhringer Technik etwas mutwillig beleuchtet und schläft, wenn Ton gefragt ist. Dann muss Cremer ihre Figur brechen und die Musik für die Szene einfordern. Hmmm. Ein bißchen mühselig, ein bißchen langatmig und mehr so… meh. Nicht Fisch, nicht Fleisch. Begeisternd sind wieder, wie immer bei Cremer, die sparsamen Requisiten: eine rote Kordel, drei lange, drei halbe Bierbänke sowie eine Wäscheleine voller Nachthemden – reicht vollkommen, um die kleine und die große Welt zu bilden. Kompliment.

Nach der Pause wird es besser: nun sind die Figuren bekannt und haben wesentlich mehr Dialoge. Und weil Cremer und Claussen gute Schauspieler und jetzt noch eine schnuckelige Liebesgeschichte sowie ein trauriger Tod dran sind, bekommt das Ganze nun endlich Theatercharakter. Das versöhnt.

Cremer thematisiert in ihrer Abmoderation (Dank an diese und an jene) den schwachen Besuch. Finde ich mutig. Sie nimmt das hingegen zum Anlaß, sich bei den Anwesenden zu bedanken und sie dazu auffordern, viel mehr Menschen in die Theater “zu treiben”. Herzlich gerne, aber das nächste Mal auch gerne mit mehr Theater.

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