Ein Virus hat mich heute gezwungen, mich nicht weiter als im Dreirennminutenumkreis eines Badezimmers aufzuhalten. Gegen Nachmittag normalisierten sich die Abstände zwischen den Toilettenbesuchen wieder und ich beschloss, mir im Drugstore Magentropfen zu besorgen, um den Genesungsprozess weiter zu beschleunigen. Jetzt weiß ich, warum Amerika den Ruf hat, ein gefährliches Land zu sein.
Ich sollte vorausschicken, dass ich, seit ich hier lebe noch nie an einem gewöhnlichen Nachmittag unter der Woche im Supermarkt war. Es ist wahrhaft aufregend! Stay-Home-Mums nehmen allen verfügbaren Kleinstnachwuchs zu dessen Unterhaltung mit zum Einkaufen, und alle Kinder, die nicht im Einkaufswagen angebunden sind, benehmen sich wie auf dem Abenteuerspielplatz. Der Mann am Mikro war schon ganz heiser, weil Klein-Stacey abgeholt werden wollte, oder wieder ein Mitarbeiter gebraucht wurde, der in Gang Sieben … und Neun … und Vier aufwischen sollte, oder Klein-Tommy plärrend im Hintergrund gemeinsam mit ihm nach Mummy rief. Darüber hinaus mußte er laufend Promotions ansagen, in drei, in zwei, in einer Minute verschenke jemand hinten im Gang bei den Backwaren (auch dort wurde mal wieder “clean-up required”) Küchenmesser im Werte von fünf Dollar. Auch wenn das “totally crazy” klinge, es sei aber wahr.
Ich hab’s mir natürlich angesehen: ein junger Mann hat im Jahrmarktstil das Mega-Messer angepriesen, und zu Demonstrationszwecken einen Stahlhammer, ein Holzbrett und Tomaten geschnitten. Totally crazy, das Ding gibt es heute für nur 39,99. Und noch verrückter: er packt ein zweites dazu. Sowie ein paar verschiedene Gimmicks und wo heute Cinco de Mayo ist, noch ein drittes – immer noch 39,99. Da kann doch keiner widerstehen! Sie haben mir sehr gefallen, die amerikanischen Supermarktshopper. Und wie sie konnten. Sie waren wegen des versprochenen Gratismessers da und haben mit verschränkten Armen gewartet, bis Cheap Jake verteilt hat. Ich kann bestätigen, dass es nette Gemüsemesserchen sind. Habe jetzt auch eins.
Richtig gefährlich wird es erst wieder auf dem Parkplatz. Myriaden winziger weißhaariger Frauen mit abenteurlichen Kopfbedeckungen in amerikanischen Schlachtschiffautos tragen dort die letzten Sekunden der 24 Stunden von Le Mans aus. Bremsen quietschen, Hupen kreischen, die Köpfchen mühen sich krampfhaft über das Lenkrad hinauszusehen. Fenster werden heruntergekurbelt (!) und die Damen fluchen wie die Matrosen. Ausnahmslos jede von ihnen hatte einen 10-Barren-Pack Seife im Einkaufswagen. Wahrscheinlich waschen sie sich zu Hause zur Strafe damit den Mund aus. Vielleicht war es auch ein Sonderangebot.
Tropfen habe ich übrigens keine. Ich war angesichts von mehr als 6x3x0,5 Regalmetern (Länge, Höhe, Tiefe) Magenmittelchen schlicht überfordert.