Der gute Hirte (für Chico)

4:00 Uhr früh. Levante will mich nicht schlafen lassen. Er heult um die Hausecken, verwirbelt den Bäumen aus allen Richtungen gleichzeitig die Raschelblätter und ist so ganz insgesamt ein lästig-lärmender Gesell. Ein Unfriedenstifter. Wenn es irgendwo Schlummer geben sollte, dann nicht in dieser Nacht und nicht für mich. Mir wird auch immer heißer. Liegen zu bleiben und auf Bruder Schlaf zu warten ist keine Option.

Vielleicht hilft aufstehen? Herumlaufen? Im Haus auf keinen Fall, da schlafen zwei. Draußen, also. Levante zieht und zerrt an meinem Nachthemd, als ich mich ihm Richtung Pool entgegenstemme. Da ist ein Bänkchen, da will ich einsam sitzen, mit dem vollen Mond plaudern, Zahara in ihrem Lichterglanz bewundern und zusehen, wie Levante auf der Stauseebleiplatte immer neue Muster ziseliert.

Einsam und allein? Nicht doch. Chico besinnt sich spontan auf seine Hütehundvorfahren, begleitet mich, heftig schwanzwedelnd, auf dem Pfad zum Pool, springt sofort neben mich auf die Bank und wacht ab dann gefühlvollen Blickes über mich. So gefühlvoll, dass ich ihm eine Stunde lang Liedchen vorsinge und für ihn Gedichte rezitiere. Chico hat Geschmack, er mag Arbeiterlieder und die Marseillaise und Brechts Liebesgedichte. Bei der Seeräuberjenny verlangt er ein daCapo, ich glaube, das liegt daran, dass er die Strophe mit dem “Hoppla” so mag.

Levante schert das alles nicht, Levante lärmt weiter. Aber mein Hütehund und ich sind nach einer Stunde Poesie und Musik soweit abgekühlt, dass wir nochmal ins Bett schlüpfen und so richtig einschlafen könnten, wenn der Haushalt hier aufsteht.

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