Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren

Wenn ich jemals in die Verlegenheit kommen sollte, ein Herbstgedicht zu schreiben, dann wird in der ersten Strophe vorkommen, wie in den jetzt schon recht trüben Morgenstunden (im Gegensatz zu den lichtdurchfluteten Sommermorgenden) auf seltsam schwachgelben (beige isses nicht, gelb schon lange nicht mehr, ein Farbton, den ich erst erfinden müßte und der keine positive Konnotation haben dürfte), auf diesen dürrgelben Feldern also, jettschwarze Krähen weiden.

Die zweite würde ich dann dem Umstand widmen, dass der Herbst an sich gar keine so üble Jahreszeit ist. Immerhin, werde ich loben, gibt es endlich wieder Lebkuchen. Außerdem werde ich preisen, dass man noch bei weit offener Balkontür unter der Sommerdecke schlafen und weiterhin strumpflos in Sandalen herumlaufen kann, ohne dass man zu Tode frieren muss. Außerdem, dass nach wie vor Sonnenlicht und -wärme zu sehen und zu fühlen sind, zwar weniger, aber passt schon, würde ich sagen. Könnte viel schlimmer sein. (Wie schlimm würde ich möglicherweise schreiben, wenn sich nach diesem grauen Wochenende nicht bald was tut.)

Damit werde ich geschickt zur dritten Strophe übergeleitet haben, in der ich meine Verwunderung darüber auszudrücken gedenke, dass schon der erste kühlere Tag eine für mich sehr überraschend hohe Anzahl von Frauen dazu getrieben hat, ihre Füße in Stiefel zu sperren. Ein, zwei Zeilen würde ich dem Klackergeräusch der Absätze widmen, das im Sommer nie zu hören ist; vielleicht werde ich darauf abstellen, dass es mir auch nie gefehlt hat oder je würde. Also, kein Stück. Die Abschlusszeilen dann würde ich einem prophetischen Bild widmen: Noch sind es am frühen Morgen nur die Tauben, die dick aufgeplustert der Kälte standhalten. Bald aber auch Du, ich, wir alle.

Und dann wäre mein Herbstgedicht aus und zum Winter fällt mir immer nix ein.

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