Neu im Kino: “Joe”

Ich mag Nicolas Cage*. Deswegen hoffe ich ja auch bei jedem neuen Film, daß er es dieses Mal geschafft haben möge einen auszusuchen, der ohne grottenschlechtes Drehbuch mit hanebüchenem Plott und vor allem ohne Regieanweisungen wie “brüllt aus heiterem Himmel unmotiviert herum und schlägt einen unbeteiligten Passanten nieder” auskommen.

Nun spielt er “Joe”. Joe war im Knast, weil er mal aus heiterem Himmel herumgebrüllt und einen ignoranten Hilfssheriff niedergeschlagen hat. Inzwischen ist er zurück in seinem Mobile Home mit Bulldogge knapp außerhalb der Grenzen eines Kaffs in Hintertexas und Vormann einer Karohemd/Jeans/Stiefel-Truppe, die ihren Lebensunterhalt mit dem Vergiften von Bäumen verdienen. In Texas heißt das “Honest pay for honest work”. Die Gegend ist so elendiglich nicht-tot-über-dem-Zaun-hängen wollen, Arbeit ist rar und wenn vorhanden, knochenschindend, wer dort lebt, ist White Trash oder Black Trash. Spielt keine Rolle. Die Männer kommen mit der Situation nicht klar, saufen und schlagen sich untereinander und daheim alles, was sich bewegt. Kinder, Frauen, Hunde – macht keinen Unterschied. Die Frauen sind resigniert. Einzelne Jugendliche begehren auf, vor allem, wenn sie ihren Vätern irgendwann physisch gewachsen sind. Wie in Winter’s Bone, nur schwüler und regnerischer und ohne Meth und Jennifer Lawrence. Gaaah. Und so geht der Film dahin.

Bis Tye Sheridan** auftaucht, der einen Fünfzehnjährigen spielt, der aus der Gewaltspirale herauswill und sich ausgerechnet Joe als Vorbild aussucht. Natürlich bleibt der Vater ein Arschloch, und läßt seine Frustration, daß der Bub einen Job hat und Geld nach Hause bringt, mit brutalen Schlägen an seinem Sohn aus (und nimmt ihm das hartverdiente Geld weg), natürlich kann Joe auf die Dauer nicht wegsehen, natürlich kommt es zum Showdown und natürlich geht es nicht gut aus. Soweit, so vorhersehbar.

Dann ist es dunkel und der Film doch nicht aus. In einer Szene, die aussieht wie nachträglich angetackert, sieht man den Buben Bäume pflanzen. Das universale Symbol: Baum planzen ist gleich Hoffnung. Waaah?

Nick Cage spielt den gebrochenen zerissenen Charakter ganz wunderbar. Überzeugend. Man möchte sagen authentisch. Aber warum muß er wieder aus heiterem Himmel herumbrüllen und irgendwen umhauen? Mehrfach? Und warum müssen wir in einer mehrminütigen blutigen Szene zusehen, wie er mit dem Messer Schrotkugeln aus seinem Schlüsselbein herausbohrt? Daß er tough ist, haben wir doch schon verstanden. Er trägt schließlich die Bruce-Springsteen-Kollektion. Ich glaube, die haben mehr gewollt als gekonnt. Es sind einzelne Versatzstücke dabei, die sind an der Grenze zur Genialität. Der Rest ist ganz knapp daneben.

Das ist schade. Der Film hätte gut werden können.

 

* Scheint wieder ein Beleg für die Existenz meines Inner Nerd zu sein, das Internetz ist voll von Foren, in denen heiß diskutiert wird, ob Nick Cage einfach nur ein wahnsinniges Talent hat, schlechte Rollen auszusuchen, ein wahnsinnig schlechter Schauspieler ist oder ein Genie, das permanent die Grenze zum Wahnsinn kreuzt. Ich habe dazu keine Meinung oder alle. Ich mag Nicolas Cage. Wer bitte sonst spielt das gesamte Alphabet solchermaßen überzeugend? https://www.youtube.com/watch?v=WLrALs-Nq_I

** Tye kann was. Den sollten wir uns merken.

Add a Comment

Your email address will not be published. Required fields are marked *

five × five =