Schon sehr lang nicht mehr im Kino: “The Lincoln Lawyer”

Matthew McConaughey gibt den sowohl street- wie booksmarten Anwalt Mick Haller und ist immer dann besonders gut, wenn er in breitem “Southern drawl” Sätze fürs Merkbuch absondert. Ganz richtig ideal besetzt ist er nicht, das schafft Manuel Garcia-Rulfo in der von diesem Film inspirierten gleichnamigen nunmehr schon dreistaffeligen Serie besser, nicht zuletzt, weil er hispanischer Abspannung ist, dies thematisiert wird und damit besser zu und nach Los Angeles passt.

Wer aber gerne amerikanische Gerichtsdramen und spannende Unterhaltung mit überraschenden Wendungen mag, ist mit diesem Film gut bedient und unterhalten.

Frühlings Erwachen

Nachdem mein Pflichttermin im äußersten Schwabinger Norden heute Mittag erledigt ist und die Sonne so sehr lacht, entschließe ich mich zur Kür, lasse mich von der Tram zur Station Nordendstraße gondeln und kreuze und quere das Uni-Viertel. Ich war da schon ewig nicht mehr, schon gar nicht mit viel Zeit und nichts im Sinn, außer vielleicht durch ein paar Buchhandlungen zu stöbern, vielleicht irgendwann einen Happen zu essen und vielleicht noch bei César aus Kabul meine Franselhaare in eine Art Form bringen zu lassen.

Fangen wir hinten an: César hat umgesattelt. Er “macht”, wie er mir in einer schnellen Zigarettenpause erzählt, “nur noch Männer, weissu? Sind zuverlässiger, kommen alle vier Wochen, weissu? Haben keine eigenen Ideen, lassen mich machen, weissu? Und tippen gut.” Weiß ich das jetzt auch und sooo schlimm ist meine aktuelle Frisur gar nicht. Dann halt statt Haareschön nur noch einmal umgefallen zu Der Koreaner, einer Schwabinger Instanz seit meinen Studientagen. Flugs ein Bibimbap geordert, mit dem Getränk nach draußen getragen und zum Essen Leut geguckt. Sehr schön. Und man bekommt sein Essen von normalem Geschirr und nicht aus der Hand oder in einem Napf. Den Kaffee danach muss ich leider streichen, wenn ich nicht mit einem Pappbecher durch die Straßen ziehen will. (Will ich nicht.) In keinem einzigen Café oder Coffee-Shop oder Kaffee-Manufaktur ist auch nur noch ein Sonnenstühlchen frei. Pfffhhh. Buchhandlungsmäßig hat Herr Bezos ganze Arbeit geleistet. Zwei von dunnemals umpfzig sind noch übrig. Schade.

Trotzdem. Thomas Mann mag es mit “München leuchtet” poetischer ausgedrückt haben, ich habe aber mit “München sitzt draußen” mindestens ebenso recht.

Bin soweit mit der Gesamtsituation zufrieden.

Habe nun, ach…

… auch Literatur studiert und mit der Erkenntnis, Schiller habe ein “Weimar Classic” geschrieben, die Hochschule verlassen.

Wie weit gefehlt.

Gelesen: Rita Kohlmaier – “Kriegsreporterinnen – Im Einsatz für Wahrheit und Frieden”

Kohlmaier stellt in ihrem Buch in Kurzporträts Kriegsreporterinnen vor, die eine Mission einigt: sie sehen sich verpflichtet, Zeugnis abzulegen und der Welt die Greuel von Kriegen vor Augen zu halten.

Mir war nicht bekannt, dass die erste ihrer Art, Alice Schalek, schon im 1. Weltkrieg akkreditiert war, hingegen waren mir die Namen dieser mutigen Frauen aus dem 2. Weltkrieg, Vietnam und der Zeit, als ich selbst politisch denken konnte, leider fast alle geläufig (pars pro toto für meine Generation steht Antonia Rados, berichtend aus Bagdad).

Wir hier scheinen bei diesen Kriegen ab 45 in der Goethe’schen Tradition zu stehen:

Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

Bis jetzt konnten wir uns das auch leisten. Mal sehen, wie es weitergeht.

Lesenswert. Mein Exemplar liegt zur Weitergabe bereit.

Nach umpfzig Jahren wiedergesehen: “The Nanny”

Manchmal ist es einfach genug mit schon wieder schlechten Nachrichten und man braucht Ablenkung von dieser Welt. Weil ich nicht der Typ bin, der einsam in Alleen hin und her wandert und treibende Blätter sowieso gerade austreibenden Ästen (Haa-aaaptschi) weichen, besteht meine Lustbarkeit darin, mir eine Serie aus den frühen Neunzigern anzusehen.

Die Geschichte ist so überzogen wie simpel: eine junge Frau (Fran Drescher, Autorin, Produzentin, Hauptdarstellerin) wird von dem Mann, mit dem sie seit über sechs Jahren verlobt ist (“drum prüfe, wer sich ewig bindet”) aus dessen Leben und Laden und Flushing*, Queens, New York geworfen. Krönchen richten, weitermachen und schon zieht sie mit ihrem Kosmetikköfferchen** von Tür zu Tür und zwar im Borough auf der anderen Seite der Brücke, Manhattan, da, wo die reichen Leute wohnen. Klingelt bei einem gutsituierten Witwer, der zwar weder Lippenstift noch Wimperntusche kauft, sie aber vom Fleck weg als Kinderfrau für seine drei Kinder engagiert. Dann muß man sich als Zuschauerin nur noch auf das gräßliche Konservenlachen, die großen großen Haare und die grotesk überzeichneten Figuren wie die jüdische Mutter sowie Großmutter, den – natürlich – verklemmten britischen Chef und prominenten Broadwayproduzenten sowie seine Höhere-Hampton-Tochter-Blaustrumpf-Geschäftspartnerin, die Dumm-wie-Brot-Beste-Freundin-Seit-der-Schulzeit***, den hyperbritischen Butler – die Reinkarnation aller britischen Butler, wie die Amerikaner sie aus Fernsehserien kennen, die verwöhnten High-Society-Blagen und Fran Dreschers fürchterlich nasale Stimme einlassen und einmal das Intro anschauen.

Schon ist man mittendrin in der Weltflucht.

Von wegen. Ich hatte vollkommen vergessen, dass in der Serie Cameos sonder Zahl vorkommen und Namedropping als Zuschauersport betrieben wird. Wuppdich isser wieder da. Donnie. Sein Trum-Trump-Turm. Marla. Klein-Ivanka, das Playdate fürs Produzenten-Nesthäkchen. Es ist zum Schbeiben.

Ich habe sowieso nur die ersten drei Staffeln auf (entsetzlich schlecht editierten) DVDs, vor allem, weil sich das Serienkonzept irgendwann mal totläuft, aber jetzt noch mit einem viel besseren Grund. In Staffel 4 tritt Nr. 47 auf. Natürlich nicht, ohne vorher ein Fass aufzumachen. Wer’s genauer wissen will, siehe hier: https://www.youtube.com/watch?v=uFQ8DJllA7g.

Ich schau dann vielleicht doch lieber “The Godfather”. Oder “Apocalypse Now”. Kein Lachband. Kein Trump.

* “Flushing” heißt auf Deutsch übersetzt “Wasserspülung” und man kann sich gar nicht ausmalen, wie viele Witze bzw. Witzähnliches darüber im Verlauf der Serie gerissen werden.

** Der Koffer ist knatschpink und es gibt wahrscheinlich keinen Menschen mindstens meiner Altersgruppe in den USA, der “Mary Kay” nicht kennt. In Deutschland haben es die Avon-Vertreterinnen zu einem vergleichbaren Bekanntheitsgrad gebracht.

*** Direkt herausfordernd sind die Plots nicht und so hat man Zeit, sich beim Zuschauen seine Gedanken zu machen. Wie zum Beispiel: Welche Rolle würde ich in der Serie spielen wollen? Ganz fraglos die Schulfreundin Val Toriello. Wenn es nicht schon existierte, hätte für sie das Wort “treudoof” erfunden werden müssen, und ich kann nur meinen Hut vor der schauspielerischen Leistung ihrer Darstellerin Rachel Chagall ziehen, die es durchgehend schafft, eine Balance zwischen dem sehr unterdurchschnittlichen IQ und der schwer überdurchschnittlichen Loyalität der Figur zu schaffen. Val nicht zu mögen wäre wie Welpen treten.

Gelesen: Bianca Schaalburg – “Der Duft der Kiefern – Meine Familie und ihre Geheimnisse”

Es ist, spätestens seit Art Spiegelmans genialem “Mouse”-Comic, den letzten Jahren sehr in Mode gekommen, die Antwort auf die Frage “Opa, was hast du eigentlich im Krieg gemacht?” in Form einer Graphic Novel zu geben. Das Resultat ist dann häufig ganz arg gut gemeint und weniger gut gemacht. Weil die Autor*innen nicht schreiben können. Oder nicht zeichnen. Oder beides nicht besonders gut. Dergleichen ackert man dann pflichtbewußt durch und ist froh, das Werk anschließend im roten Bücherschrank bei der Feuerwehr deponieren zu können.

Nicht so Schaalburgs Geschichte. Die Frau hat ihr Handwerk gelernt, sehr viel Arbeit und Zeit in die Recherche gesteckt und sie hat etwas zu sagen. Sie setzt das Medium Graphic Novel so ein, wie es ihm gebührt und ihre Geschichte sollte gelesen werden.

Lesen! Lesen! Lesen!

Mein Exemplar ist zum Ausleihen zu haben.