Nach umpfzig Jahren wiedergesehen: “The Nanny”

Manchmal ist es einfach genug mit schon wieder schlechten Nachrichten und man braucht Ablenkung von dieser Welt. Weil ich nicht der Typ bin, der einsam in Alleen hin und her wandert und treibende Blätter sowieso gerade austreibenden Ästen (Haa-aaaptschi) weichen, besteht meine Lustbarkeit darin, mir eine Serie aus den frühen Neunzigern anzusehen.

Die Geschichte ist so überzogen wie simpel: eine junge Frau (Fran Drescher, Autorin, Produzentin, Hauptdarstellerin) wird von dem Mann, mit dem sie seit über sechs Jahren verlobt ist (“drum prüfe, wer sich ewig bindet”) aus dessen Leben und Laden und Flushing*, Queens, New York geworfen. Krönchen richten, weitermachen und schon zieht sie mit ihrem Kosmetikköfferchen** von Tür zu Tür und zwar im Borough auf der anderen Seite der Brücke, Manhattan, da, wo die reichen Leute wohnen. Klingelt bei einem gutsituierten Witwer, der zwar weder Lippenstift noch Wimperntusche kauft, sie aber vom Fleck weg als Kinderfrau für seine drei Kinder engagiert. Dann muß man sich als Zuschauerin nur noch auf das gräßliche Konservenlachen, die großen großen Haare und die grotesk überzeichneten Figuren wie die jüdische Mutter sowie Großmutter, den – natürlich – verklemmten britischen Chef und prominenten Broadwayproduzenten sowie seine Höhere-Hampton-Tochter-Blaustrumpf-Geschäftspartnerin, die Dumm-wie-Brot-Beste-Freundin-Seit-der-Schulzeit***, den hyperbritischen Butler – die Reinkarnation aller britischen Butler, wie die Amerikaner sie aus Fernsehserien kennen, die verwöhnten High-Society-Blagen und Fran Dreschers fürchterlich nasale Stimme einlassen und einmal das Intro anschauen.

Schon ist man mittendrin in der Weltflucht.

Von wegen. Ich hatte vollkommen vergessen, dass in der Serie Cameos sonder Zahl vorkommen und Namedropping als Zuschauersport betrieben wird. Wuppdich isser wieder da. Donnie. Sein Trum-Trump-Turm. Marla. Klein-Ivanka, das Playdate fürs Produzenten-Nesthäkchen. Es ist zum Schbeiben.

Ich habe sowieso nur die ersten drei Staffeln auf (entsetzlich schlecht editierten) DVDs, vor allem, weil sich das Serienkonzept irgendwann mal totläuft, aber jetzt noch mit einem viel besseren Grund. In Staffel 4 tritt Nr. 47 auf. Natürlich nicht, ohne vorher ein Fass aufzumachen. Wer’s genauer wissen will, siehe hier: https://www.youtube.com/watch?v=uFQ8DJllA7g.

Ich schau dann vielleicht doch lieber “The Godfather”. Oder “Apocalypse Now”. Kein Lachband. Kein Trump.

* “Flushing” heißt auf Deutsch übersetzt “Wasserspülung” und man kann sich gar nicht ausmalen, wie viele Witze bzw. Witzähnliches darüber im Verlauf der Serie gerissen werden.

** Der Koffer ist knatschpink und es gibt wahrscheinlich keinen Menschen mindstens meiner Altersgruppe in den USA, der “Mary Kay” nicht kennt. In Deutschland haben es die Avon-Vertreterinnen zu einem vergleichbaren Bekanntheitsgrad gebracht.

*** Direkt herausfordernd sind die Plots nicht und so hat man Zeit, sich beim Zuschauen seine Gedanken zu machen. Wie zum Beispiel: Welche Rolle würde ich in der Serie spielen wollen? Ganz fraglos die Schulfreundin Val Toriello. Wenn es nicht schon existierte, hätte für sie das Wort “treudoof” erfunden werden müssen, und ich kann nur meinen Hut vor der schauspielerischen Leistung ihrer Darstellerin Rachel Chagall ziehen, die es durchgehend schafft, eine Balance zwischen dem sehr unterdurchschnittlichen IQ und der schwer überdurchschnittlichen Loyalität der Figur zu schaffen. Val nicht zu mögen wäre wie Welpen treten.

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