Manchmal bin ich doch erleichtert, dass meine Mutter sich mit ihrer Idee, ich solle eine Banklehre machen, nicht durchgesetzt hat.

Für dieses von ihr sehr empfohlene Rezept, sagt die Kollegin, brauche man als wichtigste Zutat Kirchenerbsen.
Das ist so schön. Das behalte ich zur fürderhinnigen Verwendung.
Die Schale meines frischgekauften Demnächst-Suppe-Kürbisses ist mit Spinnennetzen und grinsenden Kürbissen tätowiert, meine Brotzeiteier leuchten mich aus ihrer Schachtel in Orange und Schwarz gestreift, gefleckt, gepunktet an und selbst die Umverpackung meiner Kakis ist mit Kürbissen sowie – huhuhu – Hexenbesen- und hüten und Spinnennetzen “verziert”.
In meiner Gastheimat fand ich die Halloweenbesessenheit seinerzeit skurril, berichtens- und irgendwie doch liebenswert, hier geht sie mir auf den Senkel und ich freue mich, dass der Spuk Ende nächster Woche hoffentlich ausgestanden sein wird.
… und, wie ich vorhin an der Museumskasse gelernt habe: Krüppel schlägt Greis.
Der Eintritt für Schwerbehinderte ist gleich dem für Jugendliche und gerade mal halb so teuer wie für Personen, die “nur” einen Rentnerausweis vorlegen können.
Sie, sagt die Freundin, werde jetzt ins Buchheim-Museum fahren, sich dort “Rahmen und Bilder” anzusehen und es sei so ein schöner Herbsttag für einen Ausflug an den See und ob ich wohl mitkommen wolle. Wollte ich. Vor Ort erfahre ich, dass es sich wirklich um den leicht gekürzten Namen der Ausstellung “Rahmen und Bilder von Ernst Ludwig Kirchner” handelt und nicht bloß um einen von ihr erfundenen originellen Titel für Museumsbesuche.
Wir trinken erst einmal gründlich Kaffee auf der Sonnenterrasse mit Sonne satt, See- sowie Herbststimmungsblick, fliehen gegen die Stimmgewalt einer überlauten Führerin nebst an ihren Lippen hängenden Gruppe Kunstinteressierter in die jeweils andere Richtung, sehen eine sehr schön gehängte und hinreichend beschriftete Ausstellung von Rahmen und Bildern und beschließen den Ausflug mit einem guten Abendessen.
Vielen Dank, liebe Frau L. aus M. Und was machen wir nächsten Sonntag?

Endlich ist er da, der letzte Band der Trilogie um die trojanischen Frauen (s. https://flockblog.de/?p=47585 und https://flockblog.de/?p=47689) und doch ich habe ihn nicht mit demselben Genuß lesen können wie die ersten beiden. Warum? Nun. Wegen des Urteils meiner Freundin, die “The Silence of the Girls” mittig abgebrochen hatte, weil, “jaha [leicht ungeduldiger Unterton], ich hab’s verstanden.”
Stimmt schon: die Trilogie ist eine andauernde Variation des immer selben Themas. “Männer machen Kriege” (danke, Häbbät) und Frauen sind Opfer. Weil man ihnen ihre Männer, Väter, Söhne umbringt und sie selbst zu Sklavinnen macht, ohne Recht auf eine Stimme oder gar den eigenen Körper. So auch in “The Voyage Home”. Ich-Erzählerin der Überfahrt von den Feldlagern vor dem besiegten und vernichteten Troja und Ankunft in Mykene ist Ritsa, die man Kassandra, der verfluchten Seherin, Opfer und “Kriegsweib” des Agamemnon, als Magd zugewiesen hat.
Was für die Griechen nach 10 Jahren Belagerung die langersehnte Reise nach Hause ist, ist für die versklavten Frauen, unabhängig vom Stand, eine Fahrt ins Ungewisse. Ob diese Heimat für die Heimkehrer so viel gewisser ist, ist zu bezweifeln. Spätestens, als das Schloss erst lange nach einem offensichtlich in der letzten Dekade errichteten Mausoleum sichtbar wird. Das Heim des Fürsten entpuppt sich denn auch als “Haunted House”. Körperlose Stimmen, Gestalten, die sich in Nebeln auflösen, Wände, die mit Hand- und Fußabdrücken beschmiert sind… Barker baut ein rechtes Gruselschloss aus den Elementen der griechischen Mythologie, in der ein Bruder die Kinder des anderen umbringen und sie ihm zum Mahl vorsetzen läßt, der Vater die geliebte Tochter ersticht, weil “die Götter” nur dann bessere Winde verheißen, die kleinere Tochter von entsetzlichen Hautkrankheiten geplagt wird, der junge Sohn das Elternhaus flieht und alle ständig herumirren, nicht nur Neuankömmlinge wie Ritsa und Kassandra. Es kommt, wie es immer kommt. Klytämestra rächt den Tod ihrer Tochter Iphigenie und ersticht den Heimkehrergatten und die schwangere Konkubine gleich mit.
Gewinner gibt es keine. Jaha, ich habs auch verstanden. Habe das Buch aber trotzdem nicht ungerne lesen und lege es denen, die Themen gerne abschließen, ans Herz.
Zum Glück habe ich meinen alten US-Amazon-Account nie gekündigt und da heute diese Kleinod ausgegraben.
Die Handlung basiert wohl auf einer “wahren Geschichte” (sowas mag ich eigentlich nicht) und geht wie folgt: Nach dem Tod ihrer Mutter beschließt die Tochter (Lena Dunham) eines Holocaust-Survivor-Elternpaares gleich nach Öffnung des Eisernen Vorhangs in den frühen Neunzigern nach Polen zu reisen, um dort mehr über ihre Herkunftsfamilie zu erfahren. Ihr alter Vater (Stephen Fry) entscheidet sich, auch mitzukommen.
Die beiden geraten ständig aneinander. Sie hat einen genauen Zeit- und Reiseplan, schon alle Zugfahrkarten im Voraus erstanden. Er hat einen (mehr als verständlichen) Aber vor polnischen Zügen, wobei es dauert, bis ihr klar wird, warum. Es gelingt diesen beiden Ausnahmeschauspielern, dass man sie beide versteht und fast physisch mitleidet, wenn sie aneinander verzweifeln, weil so vieles nie gesagt wurde. Dennoch ist der alte Herr nicht nur Überlebender, sondern auch und vor allem Lebender, ein Bonvivant, der tanzt und singt und trinkt und “The Sex” hat – etwas, womit sie, die sich selbst unter ein Diktat von gesunder Ernährung sowie sehr amerikanischer Besserwisserei gestellt hat (bespielsweise erklärt sie dem sehr verblüfften Hotelrezeptionisten, dass Auschwitz eben kein Museum, sondern ein Todeslager sei), einfach nicht zu Rande kommt. Dunham ist die ideale Besetzung für diese Rolle!
Regisseurin und Autorin Julia von Heinz ist da ein sehr guter Film gelungen und ihre beiden Hauptdarsteller sind wunderbar besetzt. Unbedingt ansehen! Ansehen! Ansehen.
Nachbemerkung: Gar nicht gut ist, dass man bei Stephen Frys Akzent so sehr geschlampt hat. Seine Figur Edek soll amerikanisches Englisch mit osteuropäischem Akzent sprechen. Tut er auch. Manchmal. Dabei kommt dann sowas raus: “I do not speak in such a way. My English is much more good.” Und man hört und sieht Fry an, wieviel Spaß er am Sprache verbiegen hat. Aber dann rutscht ihm doch wieder britisches Queen’s English dazwischen (seine privatschulgeprägte Muttersprache) oder irgendein schlampiger amerikanischer Akzent. Und weil keiner aufpasst, wirkt ausgerechnet der große Stephen Fry gelegentlich wie eine Knallcharge. Da musste ich mich sehr ärgern.
Ein kleines Mädchen, das mir gerade bis zur Hüfte reicht, in mehrlagigem schwarzem Spitzenkleidchen, drunter “was Vernünftiges” (ein schwarzer Gymnastikanzug), dazu schwarz-pink geringelte Kniestrümpfe und auf dem Kopf ein Spitzhut, Modell Burgfräulein-Teilzeithexe, an dem allerlei plumpe pinke Papiertiere tanzen. Das ganze Ensemble bestäubt mit Unmengen rosa Glitterkruscht, der sich bei jeder Bewegung (und die Kleine ist ziemlich hibbelig) in kleinen Wölkchen auf die Umgebung verteilt. (Ich möchte weder Aufzug noch Kind saubermachen müssen.)
“Weißt du”, wendet sie sich an mich, “ich bin nämlich eine Fledermausfee.”
Da schau her. Zahn-, gute, böse Fee. Kennt man. Aber die Bat-Fee, die war mir neu.