Ober sticht Unter

… und, wie ich vorhin an der Museumskasse gelernt habe: KrĂŒppel schlĂ€gt Greis.

Der Eintritt fĂŒr Schwerbehinderte ist gleich dem fĂŒr Jugendliche und gerade mal halb so teuer wie fĂŒr Personen, die “nur” einen Rentnerausweis vorlegen können.

Vorhin im Buchheim-Museum

Sie, sagt die Freundin, werde jetzt ins Buchheim-Museum fahren, sich dort “Rahmen und Bilder” anzusehen und es sei so ein schöner Herbsttag fĂŒr einen Ausflug an den See und ob ich wohl mitkommen wolle. Wollte ich. Vor Ort erfahre ich, dass es sich wirklich um den leicht gekĂŒrzten Namen der Ausstellung “Rahmen und Bilder von Ernst Ludwig Kirchner” handelt und nicht bloß um einen von ihr erfundenen originellen Titel fĂŒr Museumsbesuche.

Wir trinken erst einmal grĂŒndlich Kaffee auf der Sonnenterrasse mit Sonne satt, See- sowie Herbststimmungsblick, fliehen gegen die Stimmgewalt einer ĂŒberlauten FĂŒhrerin nebst an ihren Lippen hĂ€ngenden Gruppe Kunstinteressierter in die jeweils andere Richtung, sehen eine sehr schön gehĂ€ngte und hinreichend beschriftete Ausstellung von Rahmen und Bildern und beschließen den Ausflug mit einem guten Abendessen.

Vielen Dank, liebe Frau L. aus M. Und was machen wir nÀchsten Sonntag?

Gelesen: Pat Barker – “The Voyage Home”

Endlich ist er da, der letzte Band der Trilogie um die trojanischen Frauen (s. https://flockblog.de/?p=47585 und https://flockblog.de/?p=47689) und doch ich habe ihn nicht mit demselben Genuß lesen können wie die ersten beiden. Warum? Nun. Wegen des Urteils meiner Freundin, die “The Silence of the Girls” mittig abgebrochen hatte, weil, “jaha [leicht ungeduldiger Unterton], ich hab’s verstanden.”

Stimmt schon: die Trilogie ist eine andauernde Variation des immer selben Themas. “MĂ€nner machen Kriege” (danke, HĂ€bbĂ€t) und Frauen sind Opfer. Weil man ihnen ihre MĂ€nner, VĂ€ter, Söhne umbringt und sie selbst zu Sklavinnen macht, ohne Recht auf eine Stimme oder gar den eigenen Körper. So auch in “The Voyage Home”. Ich-ErzĂ€hlerin der Überfahrt von den Feldlagern vor dem besiegten und vernichteten Troja und Ankunft in Mykene ist Ritsa, die man Kassandra, der verfluchten Seherin, Opfer und “Kriegsweib” des Agamemnon, als Magd zugewiesen hat.

Was fĂŒr die Griechen nach 10 Jahren Belagerung die langersehnte Reise nach Hause ist, ist fĂŒr die versklavten Frauen, unabhĂ€ngig vom Stand, eine Fahrt ins Ungewisse. Ob diese Heimat fĂŒr die Heimkehrer so viel gewisser ist, ist zu bezweifeln. SpĂ€testens, als das Schloss erst lange nach einem offensichtlich in der letzten Dekade errichteten Mausoleum sichtbar wird. Das Heim des FĂŒrsten entpuppt sich denn auch als “Haunted House”. Körperlose Stimmen, Gestalten, die sich in Nebeln auflösen, WĂ€nde, die mit Hand- und FußabdrĂŒcken beschmiert sind… Barker baut ein rechtes Gruselschloss aus den Elementen der griechischen Mythologie, in der ein Bruder die Kinder des anderen umbringen und sie ihm zum Mahl vorsetzen lĂ€ĂŸt, der Vater die geliebte Tochter ersticht, weil “die Götter” nur dann bessere Winde verheißen, die kleinere Tochter von entsetzlichen Hautkrankheiten geplagt wird, der junge Sohn das Elternhaus flieht und alle stĂ€ndig herumirren, nicht nur Neuankömmlinge wie Ritsa und Kassandra. Es kommt, wie es immer kommt. KlytĂ€mestra rĂ€cht den Tod ihrer Tochter Iphigenie und ersticht den Heimkehrergatten und die schwangere Konkubine gleich mit.

Gewinner gibt es keine. Jaha, ich habs auch verstanden. Habe das Buch aber trotzdem nicht ungerne lesen und lege es denen, die Themen gerne abschließen, ans Herz.