Fall is in the air

Heute morgen fühlte es sich auf einmal an, als sei der Herbst schon fast da. Der Himmel in diesem ganz speziellen Jahreszeitenwechselblau, die ganze Landschaft spröde-gelb verbrannt, unter den Bäumen verkümmert nur noch ein bißchen Fallobst und die Blätter fallen. Das gildet fei nicht! Denn der September ist bekanntermaßen die Zeit, in der selbst in San Francisco an ein paar vereinzelten Tagen Sommer stattfindet und ich bin ab-so-lut noch nicht darauf eingestellt, daß es um achte abends schon wieder dunkel ist.

Lieber Herbst: ich mag dich. Sehr. Aber bitte nix überstürzen. Ich mag dich auch in ein paar Wochen noch!

Beast of burden

Der “Affordable Health Care Act”, auch bekannt als Obamacare, tritt ab Januar in seine zweite Phase. Das heißt, daß dann wirklich jeder Amerikaner krankenversichert sein muß. So ganz genau scheinen selbst Versicherungsmakler das Prinzip einer Solidargemeinschaft noch nicht verstanden zu haben bzw. verstehen zu wollen, wie der Betreff dieser e-mail eines Maklers heute zeigt: “Affordable Care Act is now in your face. Are you ready for the challenge?”

Alles in allem führe Obamacare doch nur dazu, daß “You and I will be subsidizing the rates or paying  for rest of America’s unhealthy residents.” Wie war das nochmal mit Einer trage des anderen Last? Scheinheiliges Gesocks!

Katastrophen im Tierreich

Meine Fresse! Das hat ja keiner ahnen können! Der Hahn ist tot, das wissen wir aus dem Volkslied und von Frau Noll. Aber der Wolf erst. Der Wolf ist Toast! (Nein, nicht “ißt Toast” – das wäre Schonkost und ist nicht Thema dieses Blogposts, Mann!) Speziell, wenn er in Wyoming wohnt. Das wissen wir vom Sierra Club, der nichtsahnende Menschen mit Bettelbriefen belästigt.

 

Damit’s besonders glaubhaft wird, hat der Sierra Club Mama Wolf selbst einen Brief schreiben lassen. Nicht etwa handschriftlich, denn wo kein Daumen da keine Schönschrift, aber offensichtlich mit einer wolftauglichen Schreibmaschine. Wobei sie sowohl für einen Computer als auch für Bütten dann doch zu geizig waren und der armen Frau Wolf nur billigstes gelbes Notizpapier gegönnt haben. So wird das nix mit dem Tierschutz.

Vielleicht finde ich ein Kind, das gerne Wolf-Klebebildle mag. Vielleicht sogar eines aus Wyoming, das weiß dann dieses zu schätzen.

Würde aber doch zu gerne wissen, was den Adressenhändler drauf bringt, daß ich die korrekte Zielgruppe für Wolfsschutz bin.

Diversifizierung

Noch nicht einmal High Noon am Sonntag und ich habe mich bereits in einigen Berufen wacker geschlagen: Wäscherin (2 Maschinen, mit Sortieren und Aufhängen und Kackvögel von der Wäscheleine verscheuchen), Elternseelsorgehotline, Rechercheurin (gibt’s sowas wie Käsekuchenmuffins?), Bäckerin, Spülerin, Internetwiedereinschalterin (gut, das ist leicht. Aber auch nur, wenn man weiß, welcher Stecker zu ziehen ist), Klempnerin (der Spülbeckenabfluß in der Küche war aber auch hartnäckig und hat erst nach heftigem Pümpeln aufgegeben) und schließlich Küchenaufwischerin.

Ich glaube, bis 12:00 sollte ich es noch lässig schaffen, meine Talente als Frühstückerin und dabei Zeitungleserin unter Beweis zu stellen.

Ü-50

Als ich vor fünf Jahren hier ankam, habe ich im Volkshochschulprogramm die Sektion mit Kursen für über Fünfzigjährige ignoriert. War ja nicht annähernd Zielgruppe. Irgendwie hat sich das inzwischen geändert und nun wäre ich interessiert. Stattdessen bin ich sauer.

Das “50Plus Program” (kursiv wg. cool und nicht von mir) bietet an:

Sicheres Autofahren mit folgenden Themen: Defensives Fahren, neue Verkehrsregeln, Umgang mit aggressiven Fahrern, sichere Benutzung eines Autotelefons (gibts sowas noch?) sowie “much more”. Des weiteren Hussen, selbstgemacht. Die Kursleiterin hat es zu nix außer VHS-Kursleitung und folgendem Selbstbild gebracht: “I have been active in art my entire life. As I travel through life, I find many inspirations to incorporate into my art.” Lassen Sie sich von mir gesagt sein, gute Frau: Hussen sind keine Kunst, sondern Scheußlichkeiten. Die gleiche Dame betreut mit derselben Agenda das Programm Polstern für Anfänger. Last but not least: “Crime Scene Investigation” mit einem Fachmann aus der Forensik-Abteilung des San Mateo Sheriff Office (im echten Lab und einer “mock crime scene”).

Darüber hinaus die üblichen Verdächtigen, also Malen, Töpfern, Stricken, Quilten etc. sowie jede Menge Fitness. Die sind aber alle erst ab 65 und vormittags. Ist das jetzt eigentlich Mittelaltersdiskriminierung?

1000 x Nebel

Der eine Typ in jeder Reisegruppe, der immer das Offensichtliche noch einmal laut aussprechen muß: “Ja, glaabst as, wie ich das Ortsschild g’lesen hab, da hab ich nicht denkt, daß dieses Wolkenkuckucksheim so dermaßen groß is. Dawai*…”

 

* Für Nicht-Bayern: Der Mann wechselt nicht etwa spontan ins Russische. Er meint “derweil”, das bayrische Äquivalent zu “stattdessen”.

Post aus Deutschland

Das Wahlamt München teilt mit, daß man mich gem. §18 Abs. 5 BWO in das Wählerverzeichnis der Landeshauptstadt München aufgenommen hat.

Dammit! Ich hatte ganz kurz gehofft, sie hätten meinen Antrag verschlampert und ich mich aus der Verantwortung gestohlen, eine wählbare Partei zu finden…

Auch anders

Und da glaubt der Amerikaner nun, er bekomme “typical German food”:

Gourmet Haus Staudt (Redwood City)
Annie R found her hoppy place in the back of a RWC gift shop. Boasting eleven German beers outside, she dares you: “Try not to feel that sense of wide-eyed, childlike wonder when they deliver your first piping hot salami cheese pretzel to the table.”

(Was ein “hoppy place” ist, muß ich erst noch herausfinden. Bestenfalls ein Tippfehler wie hier  http://bit.ly/1coKyWP)

Anders

Wenn man nach so langer Zeit in der Fremde wieder mal für einen vom –> American Consulate General verlängerten Aufenthalt sein Heimatland besucht, dann fällt einem schon auf, wie anders alles ist. Es mag daran liegen, daß ich’s inzwischen aus der amerikanischen Perspektive betrachte.

–> Auswärts Essen: Deutsche Restaurationsbetriebe trauen ihren Gästen zu, selbständig einen Tisch zu finden und zu entscheiden, wann der Servierkraft Geld zu geben sei; möglicherweise sogar nach längerem Rumsitzen ohne beständiges Heischen nach Nachbestellungen. Wenn dann der Gast vom Nebentisch mit einem großzügigen “Stimmt so” um ein Zehnerl auf den nächsten runden Betrag erhöht, kann man die Damen und Herren Bedienpersonal für ihre Contenance nur bewundern – ICH wäre dem Typen ins Gesicht gesprungen. Außerdem gibt es lauter gute Sachen, wie Schnitzel mit diversen Kartoffelvarianten (und nicht irgendwelche wilden Spätzlekreationen, die Amerikaner für typisch deutsch halten) und Schwammerl in Rahmsoß und Knödel und Brezn satt. Auf jedem Draußen-Tisch stehen Aschenbecher – das hat einen herrlichen Entpariasierungseffekt. Richtig gefehlt hat mir nur das Glas Wasser, das in den USA auf den Tisch kommt, sobald man sich zum Essen in einem Restaurant hinsetzt und stetig nachgefüllt wird. Ein junger Kollege von mir, gerade erst von seiner ersten Europareise zurück, hat sich angelegentlich erkundigt, ob das Leitungswasser in Europa eigentlich nicht trinkbar sei, weil man nirgends welches bekomme… Es ist mir richtig schwergefallen, ihm erklären zu müssen, daß Wasser für umsonst  nicht gereicht wird, weil das den Profit der Gastronomen schmälern würde.

–> Einkaufen: An jeder Ecke gibt es Bäckereien mit frischem gutem Backwerk sowie Kaffee Togo und es gibt immer noch nichts besseres, als sich auf dem Weg zur Arbeit eine Butterbreze zu holen (wobei ich den Kaffee nach zwei Versuchen aufgegeben habe. Mag keine Latte aus Milchpulver mit einem Schuß Braunbitter in lauwarmem Wasser gelöst). Daß die Bank nebenan eine Zweistundenmittagspause einhält mag der mediterranen Nachbarschaft im Bahnhofsviertel geschuldet sein und geht noch als exotisch durch, aber Ladenschluß fühlt sich nach fünf Jahren Allzeitverfügbarkeit wirklich fremd an. Ebenso, wenn auf die Frage “Nehmen Sie Kreditkarten?” mit Glück vom Ladenschwengel irgendwo ein Lesegerät herausgekramt und am Kabel Richtung Kundin gezogen wird, mit Mittelpech die Antwort lautet: “Ja, mit Geheimzahl” (dann ist das keine Kreditkarte, Herrschaften!) und mit Richtigpech einfach aus einem eher fassungslosen “Nein!” besteht. Ist aber noch gar nichts gegen Lebensmitteleinkauf, wo die Auslaufbahnen an den Kassen ins Lächerliche geschrumpft sind und der lästige Kunde doch bitte gleichzeitig wegpacken, bezahlen, Wechselgeld verstauen und verschwinden soll. Da lob ich mir das amerikanische Prinzip, wonach Grocery Shopping erst als abgeschlosssen gilt, wenn alle Einkäufe von Einpackfach- oder Kassenkräften in Tüten im Einkaufswagen verstaut sind und König Kunde “Help out” kategorisch abgelehnt hat (sonst räumen sie’s einem auch noch in den Kofferraum).

–> Transportiert werden: ÖPNV existiert. In der Stadt kommt man ganz einfach flitzeflott von A nach B, und selbst, wenn einem die 27er-Tram wg. Butterbrezeneinkauf und Wechselgeldgepuschel gerade vor der Nase wegfährt, lohnt es sich nicht, sich aufzuregen, denn die nächste fährt in einigen wenigen Minuten vor. Ganz anders, wenn man im deutschen Hitzewellenhochsommer Zug fahren muß. Zum Beispiel mehrfach nach Frankfurt (s. –> American Consulate General) und wieder retour nach München. Oder zu den lieben Eltern, von der Provinz (Dorfen) in die Provinz (Hall). Das kann auch schon mal über sechs Stunden dauern, weil –> Die Bahn keine –> Klimaanlagen und in Folge keine Züge betreiben kann. Das ist in Amerika ganz anders. Die können Klimaanlagen. Und erfinden fürs Zugverspäten andere Ausreden, wie zum Beispiel “A train got lost in the South”. In Deutschland habe ich nur in Zügen oder Postfilialen erlebt, daß Klimaanlagen auf zu kalt eingestellt waren – wahrscheinlich aus lauter Freude darüber, daß sie funktionierten. Ansonsten gingen die Menschen mit der Hitze erfreulich unaufgeregt um. Sommer = heiß. Das amerikanische Handgewedel und hysterische “Is it hot in here?”-Geseufze ist zum Glück noch nicht über den Atlantik geschwappt. Wirds auch hoffentlich nie tun.

–> Hitzewelle: Diesen Sommer ist Deutschland für mich ungeschlagen und ich bin rechtzeitig vor irgendwelchen Unwettern und noch mehr ausgefallenen Zügen (s. –> Die Bahn) wieder abgereist. Hier in der Gegend können sie im Sommer vor allem Nebel. Der 8. Monat ist nicht ohne Grund in “Fogust” umgetauft worden.

–> Beauty: Obwohl an jeder Ecke “Nail-Studios”wie die Pilze aus dem Boden schießen, in denen kleine Asiatinnen mit Mundschutz an Nägeln herumfeilen, scheint die allmonatliche Mani/Pedi und bunte Finger- und/oder Zehennägel bei den meisten Frauen in Deutschland noch nicht verpflichtend zu sein. Außer sie werken bei Aldi oder Lidl an der Kasse. Aber dann! Nägel with a License to kill! Mindestens. Sowie hitzeresistentes Mehrschichten-Make-up.

–> Zu Fuß: Als Bay-Areanerin ist man gewöhnt, daß alles steht, sobald man nur mit einem sanften Zuckerer die potentielle Absicht zeigt, eine Straße möglicherweise überqueren zu wollen. In München nicht. Da besteht eher die Gefahr, von einem Kampfradler überrannt oder von einem der unglaublich vielen Bettler um eine Gabe angehauen zu werden. Letztere scheinen vor allem im Bahnhofsviertel die Straßen nach Gebrechen aufgeteilt zu haben. Fehlende Gliedmaßen: Schillerstraße. Rudelweise Schmuddelkinder: Goethestraße. Einfach nur alt: Schwanthalerstraße.

–> Wisch und weg: Ganz auffällig. Sobald wer was verschüttet, ruft mindestens eine weibliche Stimme “Ich hab Tempos dabei” und die Packerl sprießen sofort aus mehreren umliegenden Riesenhandtaschen. Könnte in den USA nie funktionieren, weil die Tissueboxes selbst für Monsterhandtaschen zu voluminös wären und das, was in Papiertaschentuchpäckchen verkauft wird, noch nicht einmal genug Saugkraft für ein damenhaftes Nieserchen hat. Die amerikanische Zellstoffindustrie hats nicht so mit Strapazierfähigkeit.

–> SALE: Als angelernter Ami hatte ich beständig mit der Versuchung zu kämpfen, mit einem Rotstift ungelenke Anglizismen ausbessern…

Nun bin ich wieder daheim und werde mich wieder vorwiegend mit amerikanischem Schwachsinn beschäftigen – davon gibts zum Glück immer noch ein bißchen mehr, als man gerade noch für möglich hält.

Abonnement

Treue Leser wissen es längst: ich habe das TIME Magazine abonniert. Und heute festgestellt, daß es wesentlich leichter ist, elektronische Newletter ungelesen zu löschen, als Magazine nicht wenigstens angeblättert ins Altpapier zu geben. Zwischen lang schlafen und einem ausgedehnten Mittagsschlaf habe ich bis abends immerhin auf zweieinhalb von vieren gebracht…