Mein Untergang (verhindert)

“Follow me – I know the way” steht auf dem Kennzeichenrahmen des roten Pick-up-Trucks vor uns. Keine Frage, so leicht wie ich immer verloren gehe, würde ich dem bis ans Ende der Welt nachfahren – oder wenigstens bis zu seiner Garageneinfahrt. Aber nicht, wenn Toni am Steuer sitzt! Der ignoriert einfach, daß der Truck nach links abbiegt und bleibt auf dem rechten Weg und wir verbringen den Sonntagnachmittag wie geplant an den Tide Pools in Moss Beach.

Ganz tief drinnen find ich das doch ein bissele schade. Wer weiß, wo wir sonst gelandet wären…

“Happy Beretta!”

grüßt es von einem großen Banner am Waffenladen von San Bruno. Als ob wirs nicht alle längst wüßten steht als Fußnote drunter “Life is betta with a Beretta”. Übrigens, für die, die’s noch nicht mitbekommen haben: wegen des Feiertags trifft sich der Glock-Club kommende Woche am Dienstag.

Frage 1: heißt der wohl MOnday GlOck ClOb? Frage 2: welcher Club trifft sich dienstags?

Aus dem Vokabelheft

Bei uns in der Arbeit ist gerade viel los. Ja, wir lachen auch immer, wenn wir “gerade” sagen, als ob es sich um einen Ausnahmezustand handeln würde – aber die Hoffnung stirbt zuletzt und vielleicht wirds ja wirklich mal anders. Bis dahin müssen wir halt weitermachen, mit “The whole kit and caboodle”.

Ein schwerer Fall von Logorrhoe

Man fragt sich ja manchmal, was andere Leute so über einen denken, und der Herr, der gerade an meiner Haustür sturmklopft* teilt es mir ganz unaufgefordert mit: ich sähe aus wie eine kluge Frau, die weder ihre Zeit noch ihr Geld gestohlen habe und ganz genau wisse, daß man ein Angebot, viel viel Geld zu sparen, nicht ausschlagen dürfe. Während dieser Redeschwall in einem Südstaatenakzent auf mich einprasselt, überschlagen sich meine Synapsen: Woher weiß der, daß ich Schwäbin bin? Hat das nicht schon Vito Corleone so oder so ähnlich formuliert? Ich könnte mir eigentlich Beasts of the Southern Wild bald mal wieder anschauen, die kleine Hushpuppy war wirklich herzig – und warum guckt der jetzt so komisch?

Er guckt nicht komisch, sondern erwartungsvoll, offensichtlich hat er mir eine Frage gestellt und möchte eine Antwort. Ich setze mein “Ichbinnichtvonhier”-Gesicht auf und sage, daß mir das jetzt gerade alles viel zu schnell gegan… Der Herr ist ein Inswortfaller: Soo ein netter Akzent. Er mag ja die Iren und würde unheimlich gerne mal nach Dublin fahren, und zwar in das echte und nicht das Fake-Dublin auf der anderen Bayseite und Pubs crawlen bis zum Umfallen, denn, wie gesagt, er mag die Iren, die sprechen so hübsch und sind ja so nett und auch sehr sparsame Menschen. In meinem Kopf kriecht Leopold Bloom in einem Kleeblatt-Halloweenkostüm über Kopfsteinpflaster und ich denke an Barnacles und Ägypten** und der Mann guckt mich schon wieder fragend an. Immerhin habe ich mitbekommen, daß “energy bills” immer zu hoch sind und er meine Meinung dazu hören möchte.

Ach wissen Sie, werter Herr, jetzt im Sommer bin ich mit unter $30 im Monat für Strom, Gas und Wasser dabei, das finde ich gar nicht so schlimm. Ganz falsche Antwort, meint er, auch wenn es mit irischem Akzent einfach umwerfend klinge. Wenn ich ihn nur machen lasse, dann zahle ich in Zukunft nur noch an seine Firma und hab keinen Ärger mehr mit PG&E und billiger sei es außerdem. Ich verstehe nicht recht? Im Moment zahle ich doch auch nur an PG&E und das klappt eigentlich immer alles ganz fein? Von wegen, sagt er und stalinorgelt mir sein Businessmodell vor, begleitet von einer 20-Folien-Powerpointpräsentation, die er in einer Art Daumenkino wegblättert. Diese Woche habe er schon 99 Home-Owner glücklich gemacht – wenn ich Nr. 100 werde, bekomme ich nochmal einen Extra-Rabatt. Manchmal denkt mein Hirn recht simpel und blendet nun den “Isch ‘abe gar keine Auto”-Werbemann ein, denn ich bin ja hier nicht der Hausbesitzer. Nu isser aber enttäuscht. Neee, dann geht das nicht. Dann kann ich nicht sparen. Weil, Landlords mögen das nicht, denn man müsse ja Apparate und Zähler am Haus anbringen und der Besitzer müsse für diese Investition aufkommen. Ich denke noch, das ist aber mal ein interessantes Sparmodell und ob man vor sowas wohl bei Nepper, Schlepper, Bauernfänger gewarnt werden würde, da wendet er sich auch schon ab.

Auf dem Weg zu Carmen und Francisco ruft er mir zu, daß ich mich nicht “americanizen” lassen und mir meinen “beautiiiiful Irish accent” bewahren und “blessed” sein soll – alles auf unter 5 Metern Strecke. Reschpeckt!

Da kommt man zum ersten Mal seit Ewigkeiten wg. langem Wochenende und so früher aus der Arbeit und dann werden einem die ersten 10 Minuten Freizeit weggequasselt. Nun ist aber Ruhe! Mein Bedarf an Freizeitunterhaltung ist schon gedeckt: Ich habe Ameisen zu jagen und mit meinen dicken Damen im Wasser herumzutritscheln und Bücher zu lesen und Fischerl zu gucken. (Und die Bügelwäsche steht mitten im Wohnzimmer, auf daß ich irgendwann klein beigebe.) Viel reden wollte ich nicht und so dermaßen viel auf die Ohren bekommen noch weniger. Gerade im Spiegel nachgeguckt, sie bluten nicht. Phhuuuaa! Dusel g’habt!

 

* Das Thema meiner nächsten wissenschaftlichen Arbeit wird lauten: “Türklingelphobie – ein amerikanisches Phänomen”

** Der ist für Insider.

Katastrophen-Countdown

Schon seit Wochen unken Leuchtschilder an der Autobahn, daß am Labor Day Weekend die Bay Bridge geschlossen sein wird (damit der hmmzich Milliarden teure Neubau des Ostteils in Betrieb genommen werden kann). Am Montag wurde es dann ernst, “This week” sei es soweit: “Bay Bridge closed from 8/28 8pm thru 9/3 5pm”. Ich habe schon wieder vergessen, wieviele zigtausend Pendler jeden Tag zwischen East Bay und Peninsula unterwegs sind, aber es sind sehr viele. Und man legt ihnen allen nahe, doch am besten freizunehmen oder von zu Hause zu arbeiten (was Gärtner oder Arzthelferin oder Wurschtverkäufer bestimmt recht wäre, wenn es denn ginge) oder auf einen der Ersatzbusse der BART (Bay Area Rapid Transportation, das mit dem “Rapid” meinen sie aber nicht ernst) auszuweichen. “Carmaggedon” drohe, und Parkplatzogeddon auch, weil die wenigen Park & Ride Parkplätze schon sehr früh sehr voll sein würden – alles ganz schlimm.

Gestern Morgen blinken die Schilder “Today” und am Abend um kurz vor 7 hektikt der Verkehrsmelder im Radio alle von der Brücke, weil die um 8 ernstlich geschlossen werde und fleht, daß man doch bitte weiterfahren solle und nicht noch mehr Photos knipsen und außerdem sei überall Stau und Ausnahmezustand, noch viel schlimmer als schlimm – und morgen früh werde es noch furchtbarer werden.

Alles Panikmache, ehrlich: ich war gestern abend ganz normal daheim und habe heute früh nur 30 Minuten gebraucht, was auch daran gelegen haben mag, daß ich schon vor 7am auf dem Highway war und nicht wie sonst um 8. Ich habe auch nicht vor, mich verrückt machen zu lassen (sollen die Amis doch ganz alleine). Ich gehe morgen noch einmal arbeiten und habe dann langes Wochenende… Und wenn ich was unternehme, dann halt im Südwesten. Geht mir doch weg mit eurer East Bay!

1000 x Nebel

Heute reichen wir: Zuckerwatte in noch mehr Geschmacksrichtungen!

Grauwolle, Eisenglüh, Junggansrupfdaunen, Verrußter Schornstein, Orangenhaut und für die Liebhaber leichter Kost: Rosé-Tutu. Auch erhältlich in Bleue.

1000 x Nebel

Heute ganz frisch: Zuckerwatte!

Erhältlich in den Geschmacksrichtungen Göttergold, Abendrot, Mindestensdreimalunschuldigweiß, Holsteiner Fleckschaf, Rosenfinger, Pastellplatin und Curaçao.

Achtung: Vorrat reicht nur bis Sonnenuntergang.

Antsy

Autsch, auaahh, autsch, was beißt mich da? Drei Uhr morgens und ich bin noch nicht ganz sicher, ob ich gerade sehr lebhaft geträumt habe oder… autsch! Schon wieder. Licht an. Trotz schlafverklebter Augen erkenne ich Schwarzgewusel, mit Brille auf sehe ich es ganz deutlich: Ameisen! In meinem Bett und noch viel schlimmer, unter meinem Nachthemd, schlemmend.

Beim Aufstehen trete ich in irgendwas und hastenichtgesehen sind meine Beine voller Ameisen. Was’n los, verdammt? Um die Zeit sind ich und mein Investigativtalent in einer Tiefschlafphase. Zwischen meinen Zehen quaaatscht im Kill-Bill-Stil ein toter Nachtfalter heraus. Sieht so aus, als hätten die Ameisen, die bei der Mottenmahlzeit nicht zum Zug gekommen sind, mich zum Nacht-Snack gewählt. Ins Bad wanken, Badesprühzeug mit ameisenchitinknackenden Kalklöser holen, auf die Falternager sprühen, die Bescherung inklusive Motte mit einem Papiertuch aufsammeln und im Klo herunterspülen, Dusche auf Beine richten, Restnager in den Abfluß schwemmen, Laken und Kopfkissen absuchen und Viecher knacken, Decke ausschütteln, weiterschlafen.

Nachtruhe geht anders!

Back to School

“Back to School” steht für das Ende der Sommerferien und ist hierzulande eine feste Umsatzgröße. Back to School? Dann brauchen die Kleinen doch bestimmt neue Anziehsachen? Und Spielzeugkruscht? Und elektronische Lernhilfen? Möglicherweise sogar Federmäppchen und Hefte? Oder eine Versicherung? Einen mobilen Untersatz, je nach Alter alles vom Roller bis zum Drittwagen? Eine Re-Finanzierung der Hypothek? Und als Elter möchte man sich doch bestimmt auch nicht am ersten Schultag in den letztjährigen Klamotten den kritischen Blicken anderer Eltern aussetzen?

Mit “Back to School” wird einfach alles beworben, nicht zuletzt die Bevorratung an Weihnachtsgeschenken, denn bis zum größten aller Konsumfeste sind es nur noch vier Monate. Steht auf dem Schild in der Mall. Und auch, daß die geneigte Kundschaft dafür doch bestimmt nicht zu spät dran sein wolle.

“Back to School” ist, wie ich letzte Woche gelernt habe, auch ein Statussymbol. Je teurer die Privatschule, desto früher müssen die Kiddies wieder die Schulbank drücken. Nur die kostenlosen staatlichen Schulen ziehen die Dreimonatssommerferien noch gnadenlos durch. Und bürden damit ausgerechnet den Eltern, die sich bessere Schulen nicht leisten können, die größte Last der Ferienbetreuungsorganisation auf. Das ist kein Wahnsinn, das hat Methode. Wer jedes Jahr überdurchschnittlich lange von der Schule ferngehalten wird, ist der ideale Service-Nachwuchs für die ach so konvenierende Dienstleistungsgesellschaft.

Eigentlich könnte mir der ganze “Back to Scholl”-Hype egal sein. Kauft euch doch zu Tode und gebt mit eurer hochbegabten Bagage an, mirganzegal. Bloß, daß wir alle am Montag kollektiv wieder daran leiden werden, daß die Infrastruktur mit dem Wachstum nicht mitgehalten hat und der Öffentliche Personennahverkehr ein Witz ist und gemeinsam im Stau zur Arbeit stehen, das ist mir nicht egal. Das nervt.

We want you! (schon wieder)

Nach dem Motto, wer links abbiegen kann, kann auch Recht sprechen, habe ich auch dieses Jahr die Aufforderung bekommen, meiner Jury Duty nachzukommen (s. http://bit.ly/1d9RoQs). Da kann die NSA alles, aber nicht ihren eigenen Behörden helfen, die Staatsangehörigkeit von Führerscheininhabern dauerhaft zu hinterlegen.

Bäume werden gefällt, Papier produziert, bunte Druckfarben gerührt und viele Menschen sind beteiligt, um mir schließlich dieses Schreiben zuzustellen. Nicht zuletzt der Postbote der notorisch klammen US-Post. Ich bin “not a citizen” und damit “not qualified” und außerdem selbst dafür verantwortlich (“it’s the law”), das dem “Jury Commissioner” mitzuteilen. Weil kein Rücksendeumschlag dabei ist, muß ich einen besorgen, adressieren, eine Briefmarke draufpappen und rechtzeitig wegschicken.

Mir scheint, es geht bei der Aktion nur um “job security” bei der Post. Daß dabei ein paar Geschworene rausspringen, ist wahrscheinlich nur ein angenehmer Nebeneffekt.