Ein schwerer Fall von Logorrhoe

Man fragt sich ja manchmal, was andere Leute so über einen denken, und der Herr, der gerade an meiner Haustür sturmklopft* teilt es mir ganz unaufgefordert mit: ich sähe aus wie eine kluge Frau, die weder ihre Zeit noch ihr Geld gestohlen habe und ganz genau wisse, daß man ein Angebot, viel viel Geld zu sparen, nicht ausschlagen dürfe. Während dieser Redeschwall in einem Südstaatenakzent auf mich einprasselt, überschlagen sich meine Synapsen: Woher weiß der, daß ich Schwäbin bin? Hat das nicht schon Vito Corleone so oder so ähnlich formuliert? Ich könnte mir eigentlich Beasts of the Southern Wild bald mal wieder anschauen, die kleine Hushpuppy war wirklich herzig – und warum guckt der jetzt so komisch?

Er guckt nicht komisch, sondern erwartungsvoll, offensichtlich hat er mir eine Frage gestellt und möchte eine Antwort. Ich setze mein “Ichbinnichtvonhier”-Gesicht auf und sage, daß mir das jetzt gerade alles viel zu schnell gegan… Der Herr ist ein Inswortfaller: Soo ein netter Akzent. Er mag ja die Iren und würde unheimlich gerne mal nach Dublin fahren, und zwar in das echte und nicht das Fake-Dublin auf der anderen Bayseite und Pubs crawlen bis zum Umfallen, denn, wie gesagt, er mag die Iren, die sprechen so hübsch und sind ja so nett und auch sehr sparsame Menschen. In meinem Kopf kriecht Leopold Bloom in einem Kleeblatt-Halloweenkostüm über Kopfsteinpflaster und ich denke an Barnacles und Ägypten** und der Mann guckt mich schon wieder fragend an. Immerhin habe ich mitbekommen, daß “energy bills” immer zu hoch sind und er meine Meinung dazu hören möchte.

Ach wissen Sie, werter Herr, jetzt im Sommer bin ich mit unter $30 im Monat für Strom, Gas und Wasser dabei, das finde ich gar nicht so schlimm. Ganz falsche Antwort, meint er, auch wenn es mit irischem Akzent einfach umwerfend klinge. Wenn ich ihn nur machen lasse, dann zahle ich in Zukunft nur noch an seine Firma und hab keinen Ärger mehr mit PG&E und billiger sei es außerdem. Ich verstehe nicht recht? Im Moment zahle ich doch auch nur an PG&E und das klappt eigentlich immer alles ganz fein? Von wegen, sagt er und stalinorgelt mir sein Businessmodell vor, begleitet von einer 20-Folien-Powerpointpräsentation, die er in einer Art Daumenkino wegblättert. Diese Woche habe er schon 99 Home-Owner glücklich gemacht – wenn ich Nr. 100 werde, bekomme ich nochmal einen Extra-Rabatt. Manchmal denkt mein Hirn recht simpel und blendet nun den “Isch ‘abe gar keine Auto”-Werbemann ein, denn ich bin ja hier nicht der Hausbesitzer. Nu isser aber enttäuscht. Neee, dann geht das nicht. Dann kann ich nicht sparen. Weil, Landlords mögen das nicht, denn man müsse ja Apparate und Zähler am Haus anbringen und der Besitzer müsse für diese Investition aufkommen. Ich denke noch, das ist aber mal ein interessantes Sparmodell und ob man vor sowas wohl bei Nepper, Schlepper, Bauernfänger gewarnt werden würde, da wendet er sich auch schon ab.

Auf dem Weg zu Carmen und Francisco ruft er mir zu, daß ich mich nicht “americanizen” lassen und mir meinen “beautiiiiful Irish accent” bewahren und “blessed” sein soll – alles auf unter 5 Metern Strecke. Reschpeckt!

Da kommt man zum ersten Mal seit Ewigkeiten wg. langem Wochenende und so früher aus der Arbeit und dann werden einem die ersten 10 Minuten Freizeit weggequasselt. Nun ist aber Ruhe! Mein Bedarf an Freizeitunterhaltung ist schon gedeckt: Ich habe Ameisen zu jagen und mit meinen dicken Damen im Wasser herumzutritscheln und Bücher zu lesen und Fischerl zu gucken. (Und die Bügelwäsche steht mitten im Wohnzimmer, auf daß ich irgendwann klein beigebe.) Viel reden wollte ich nicht und so dermaßen viel auf die Ohren bekommen noch weniger. Gerade im Spiegel nachgeguckt, sie bluten nicht. Phhuuuaa! Dusel g’habt!

 

* Das Thema meiner nächsten wissenschaftlichen Arbeit wird lauten: “Türklingelphobie – ein amerikanisches Phänomen”

** Der ist für Insider.

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