Nachtrag

Seit gestern sind die folgenden felinen Overlords hinzugekommen: Der Mann im Topf, die Galoppierende Waldfee, Kafka bzw. Ambivalencia. (Da legt er/sie sich nicht fest. Benehmen tut er sich wie ein Dichter, der ins Kaffeehaus geht, um unter Menschen zu schreiben, dem der Kontakt mit ihnen aber so recht von Herzen zuwider ist.)

Die rot-schwarze mit den verschiebenfarbigen Augen wurde mir heute von der Tochter der Wirtslaute als Bruija vorgestellt. Paßt.

Felidae*

Wir dachten ja, wir hätten uns hier auf dem Land in einem einsamen Häuschen auf dem Gelände eines Biobauernhofes eingemietet, wo Oliven und Schafe angebaut werden und die herzensguten Bauersleute Giovanni und Giovanna den Laden schmeißen. Wir haben uns getäuscht.

Chef und Oberster Zuständiger Vons Janze (OZVJ) ist eine jugendliche pechschwarze Katze, die sich von uns Amico Negro nennen läßt, ihren Bedarf an Streicheleinheiten mit zwei neuen Gästen gerade mal sehr knapp deckt und nichts abzugeben hat. Nicht an die unwesentlich ältere Asthma (scheppert beim Schnaufen wie ein ganzes Davoser Lungensanatorium), die kleine Scheck (dreifarbig orange-weiß-schwarz), den Feigen Puschel, Tiger I, Tiger II, die Fette Weiße mit dem Fleck, den Alten Perser oder eine der mindestens 20 anderen Katzen, die hier auf dem Grundstück ein paar Menschen wohnen lassen, wenn sie brav ihre Aufgaben erfüllen: Katzen streicheln, Essen geben, Katzen streicheln und ansonsten bei wichtigen Katzensachen nicht im Weg umgehen.

Amico Negro darf das nie erfahren: Es hat dies auf uns – vor allem nach dem Florentiner Menschenmassentrauma – einen sehr angenehm beruhigen therapeutischen Effekt. Schanurrr.

 

* Nein, ich habe dabei kein bißchen an Akif Pirinçci gedacht. Sollte auch sonst niemand tun.

Das Gesetz von der Masse oder Drei Tage in Florenz

Die Florentiner sind ein fürchterlich bedauernswerter Menschenschlag. Sie leben in einer wunderschönen Stadt mit Vorzeigebrücken, Kirchen in allen Größen und Farben sowie Architektur im allgemeinen und schönen Bauwerken im besondern. Die Florentiner können leider auch den Rand nicht halten und haben ihre Emissäre in die Welt gesandt, damit auch Nichtflorentiner davon erfahren. Und was hat es ihnen gebracht, den Florentinern?

Massen.

Menschenmassen, die einander im Weg stehen; dokumentationssüchtige Zeitgenossen, die grundsätzlich im Schritt verharren, ohne ein Gefühl für ihren Platzbedarf im Raum und selbstverständlich ohne irgendwen anderen auch nur entfernt wahrzunehmen. Seltsame Geschöpfe, die dem Irrglauben erliegen, einen Dom mit dem Gesamtgewicht eines kleinen Planeten auf einem Handyfoto abbilden zu können, meist in Personalunion mit jenen, die ihre Selfie-Sticks virtuos als Vielzweckmordwaffe (Schlagen, Barren, Hauen, Stechen) einsetzen. Für Touristen, die aus unerfindlichen Gründen noch nicht mit so einem Ding ausgerüstet sind, hat der Florentiner Straßenhändler erschaffen, die dergleichen in einer Auswahl geschmacksarmer Neonfarben feilhalten. Bei Regen vertreiben dieselben Händler spontan Klappschirme, in den Zwischenwetterlagen Adapter.

Wo waren wir? Richtig, bei den Massen, die sich in einem ununterbrochenen Fluß auf einem relativ kleinen Areal bewegen. Wobei, nein, “bewegen” ist übertrieben. Haltlos übertrieben. Sie schieben einander hin. Und her. Und wieder hin. Und her. Dabei essen sie Eis und tropfen, essen was aus der Hand und bröseln, trinken was und tropfen, machen Lärm und machen Bilder, Bilder, Bilder, Greisenschwärme mit identischen Halstüchern, T-Shirts oder Kappen folgen seltsamen Frauen, die auf Stäben Tücher, Fähnchen, Teddybären vor sich hertragen, alle, alle, alle stehen Schlange, machen wieder Bilder, Bilder, Bilder (ich bin nicht sicher, ob irgendwer irgendwas ansieht, aber er macht auf jeden Fall ein Bild davon und zwei, fünf, sieben mehr, koscht ja nix), gehen woanders hin, machen da Krach und stehen für was anderes an.

Abends, wenn sie dann genug haben vom Besichtigungstourist sein, gehen sie in die Freßgaß, bestellen in einer unglaublichen Lautstärke, wovon sie anschließend zuviel essen und trinken. Oft brechen sie. Also, sie brechen vor, während und nach den Mahlzeiten in spontane Musikvorträge aus. Das weiß ich so genau, weil unser Zimmer im 4. Stock des wunderbar zentral gelegenen Palazzo an der Medici-Kapelle auf diese Gasse hinaus geht. Wir wohnen direkt im Schalltrichter, direkt unter dem Himmel sowie in Sichtweite unserer Nachbarn aus dem 5. Stock gegenüber; wenn wir uns jeweils weit genug aus dem Fenster lehnten, könnten wir einander die Hände schütteln. Das tun wir natürlich nicht, wir gucken stattdessen den drei Jungs im Dritten auf dem Rotenlakenlotterbett dabei zu, wie sie einander auf den Mobilgeräten herumdrücken (das sieht genauso übergriffig aus, wie es klingt) und dem Angehörigen der schreibenden Zunft an seinem überladenen Tisch vor dem mit mit unglaublichen Mengen an Zeugs vollgestopften Bücherregal bei seinen Fingerübungen in den sehr frühen Morgenstunden (das wiederum ist weniger übergriffig, als es klingt – er bedient mit stark gefurchter Stirn und Furor in den Fingern eine Reiseschreibmaschine).

Dem Sountrack dieser drei Florentiner Nächte werde ich einen gesonderten blogpost widmen; jetzt würden die Details den Rahmen sprengen.

Außer Soundtrack gabs nämlich bei uns Teresa. Nein, kein lokales Unwetter, sondern Straßensperren, Motorradeskorte, Staus – und das alles bloß, weil Frau May ihre Vorstellungen vom Brexit ausgerechnet in Florenz kundtun mußte und dafür ausgerechnet zur selben Zeit wie wir auf dem Florentiner Flughafen “Amerigo Vespucci” landete. Braucht keiner. In dieselbe Kategorie fällt der Lift unseres Hotels, der (wahrscheinlich altersbedingt) über eine ungeheuer kurze Aufmerksamkeitsspanne verfügte und schon Wimpernschläge, nachdem seine hoffnungsfrohen Passagiere den Knopf für ihr Stockwerk gedrückt hatten, alles wieder vergessen hatte. Vielleicht hatte ers auch einfach nur gerne, dass man ihm die Knöpfe drückte, wer weiß schon, was in einem Lift vor sich geht. Speziell in diesem: die Ankunft erfolgte immer Augenblicke, nachdem der letzte entstiegen , die Abfahrt (mehr so “der Absack”) ganz kurz, bevor eben dieser letzte mit Sack und Pack zugestiegen war. In den Zimmern führte das immer zu einer Art Gaslighteffekt. Wie gesagt: braucht keiner, ist aber wenigstens lustig.

Okay, was redet die Alte da? Sätzeweise Zeugs über einen Aufzug, dabei doch Florenz: Il duomo, die Uffizien, ois von dene Medici, der/die/das Ponte Vecchio, David, Palazzo Pitti, Giottos Glockenturm … Ja, richtig. Gibts da alles. Und noch viel viel mehr. Und hunderte, tausende, abertausende Menschen, die alle auch da sind, um sich das anzuschauen. Mich hat selten eine Stadt so dermaßen gestreßt wie Florenz. Rein wollte ich eh schon nirgends mehr, ich wurde schon beim Anblick der auf lange Wartezeiten eingerichteten Touristenschlangen vor jeder Attraktion aggressiv. Aber es war ja auch draußen unmöglich, sich mal irgendwas in Ruhe anzusehen; ich habe gestern Abend beim Duschen neun Rempelblauflecke gezählt, das sind neun zu viel, von Leuten, die mich mit ihren Selfie Sticks gestochen, anderen, die mich einfach mal kurz vom viel zu schmalen Gehsteig vor ein viel zu schnell heranbrausendes Auto geschubst haben, wieder anderen, die mit zugespitzten Ellenbogen meine paar Quadratzentimeter Platz erobern wollten. Nein, Florenz. Du kannst nix dafür, du bist schön, aber ich bin nicht der richtige Tourist für eine gäßchengeäderte mittelalterliche Stadt mit der Populationsdichte Dar es Salaams und mehr Lederwarengeschäften, als es Kuhhäute geben kann.

Ich mach jetzt Landflucht.

 

PS: Einmal wars richtig schön am Dom: da hatte es den ganzen Nachmittag aus Kübeln geschüttet, außerdem war es dunkel, Sonntag und Abendessenszeit. Das war das erste, einzige und letzte Mal, wo mehrere der großen Bodenplatten zusammenhängend sichtbar waren.

Neu im TV: Falsche Siebziger

Wenn mir die BBC nicht von neuen Fernsehsachen zum Anschauen schreibt, dann laß’ ich mir halt beim Kaffee trinken erzählen, dass “Falsche Siebziger” (Buch: Alex Liegl und Matthias Kiefersauer, Regie: der letztere) auf dem diesjährigen Münchner Fimfest Weltpremiere hatte und letzte Woche ín der ARD ausgestrahlt wurde. Letzte Woche? Das heißt: noch in der Mediathek.

Die Kritiker überschlagen sich mit Adjektiven wie rabenschwarz, skurril, makaber, lakonisch, schrullig, kauzig, unmoralisch, derb bajuwarisch, hintergründig, scharzhumorig (gibt es das überhaupt?), haarsträubend, schräg, tiefschwarz (also Hauptsache: Schwarz); der Film sei eine Screwball-Groteske, eine schwarze Provinzposse, einer jener dampfnudelnden Heimatfilme in Holzhüttenoptik aus dem Genre des frühneuzeitlichen Grobianismus… (bei der letzten Bewertung hatte der Kritiker der FAZ richtig Freude an seiner eigenen Schreibkunst und schießt dabei ein wenig übers Ziel hinaus).

Hallo? Was soll das? Jetzt sind all die schönen Wörter schon verbraucht, was soll ich denn noch schreiben?

Vielleicht eine kurze Inhaltsangabe von der Geschichte aus der bayerischen Provinz, wo der größte Arbeitgeber der Region zugemacht hat, wo die Jungen perspektivlos und die Alten zählebig sind. Wie ein äußerst skurriler (da, war auch schon weg, zefix!) Unfall zwei Senioren dahinrafft und wie die Nachkommen beim Verstecken der Leichen auf eine schon ebendort versteckte dritte stoßen und wie sich die junge Generation aus Notwehr (kriminelle Wiener) und Selbstschutz (falsches Testament, geänderter Bankpin, Hartz IV statt Opas Rente) dann zum Rentenbetrug mit passenden Doppelgängern verabredet. Und wie das alles sehr schön choreographiert aus dem Ruder läuft.

Könnte ich. Mach ich aber nicht. Inhaltsangaben haben die anderen auch schon zu Hauf geschrieben.

Ich beschränke mich auf Lob. Erst mal für Autoren, Regie und die ganze Schauspielerschar. Außerdem Einzellobe, weil sie gar so schön gespielt haben. Zum Beispiel Alex Liegl und die wunderbare Caroline Ebner als ein ganz furchtbar grünes Stadtflucht-Partnerlook-Paar mit unklarer Globetrottervergangenheit, die sich mit Eierlikör, Schaumküssen und Duzpflicht in die Dorfgemeinschaft einbringen. Ilse Neubauer als Berliner Alt-Diva (“da habe ich unter Kortner gespielt”), die sich ihre Rolle als böse Bayern-Mam erarbeitet. Gerhard Wittmann, mit dem schönsten Breaking Bad-Zitat von allen: jetzt, wo die Lackfabrik weg ist, macht er aus Geldnot bunte Pillen. Er mag aber nimmer, nicht etwa wegen moralischer Bedenken, sondern weil er Chemie als solche haßt. Gundi Ellert, die als falsche Anna erfährt, dass der Katholizismus ihrer Kusine (in deren Rolle sie zwecks Testamentänderung schlüpft) auch die durchaus fleischliche Liebe zum Herrn Hochwürden inkludiert und deren äußerst glaubhafte Entwicklung vom Fegefeuerangsthascherl zur Jetztoderniekriminellen dadurch sehr hübsch beschleunigt wird.

Eigentlich könnte ich für jede/n so eine Lieblingsszene finden. Mache ich aber nicht. Ich lasse sie den potentiellen Zuschauern zum Selbstentdecken übrig und lobe noch einmal alle Beteiligten: Schön is worn, gut habt’s es g’macht.

Wer heute Abend Zeit hat: ARD Mediathek, Falsche Siebziger. Spaß haben.

Besser als Sweeney Todd

Der Plan war, nach dem Mittagessen noch einen Kaffee zu trinken. Guter Plan. Aus dem Friseurladen direkt neben dem Café kam ein Herr in traditioneller Tracht geschossen, wie viele Bayern an Teint, Augenfarbe und Nasenform klar erkennbar als Nachfahre eines Besatzerkindes aus der Römerzeit. Aufgrund der Konversation zwischen meiner Freundin Gabi und Hakan, sah ich mich zu einer Korrektur gezwungen: Hakans Vorfahren gehörten dann doch eher zum oströmischen Imperium.

Wurscht. Viel wichtiger: Auf meiner Todo-Liste steht seit der Rückkehr vom Chiemsee ‘Endlich mal Spitzenschneiden’. Könnte Hakan vielleicht? Klar kann Hakan, aber nicht in einer Stunde, sondern gleich, weil in einer Stunde muß er der anderen Kundin im Laden den Henna-Baaatz aus den Haaren waschen. Auch recht. Planänderung. Erst Haare schön, dann Kaffee trinken.

Hakan gehört zu den Friseuren, die Kunden beim Scherenschwingen gerne ihre Lebensgeschichte erzählen und unterstützt das, quasi als Bonusprogramm, mit Bildmaterial aus den unzähligen Photoalben, die er einem anschleppt und kurz anblättert (wie Daumenkino, aber schneller). Ich war nur zum Spitzenschneiden und weiß jetzt alles über seine Herkunft, Papa, Mama, Bruder, Schwester, deren jeweilige Berufswahl sowie aktuelle Befindlichkeit, auch gesundheitlich, seine Leidenschaften (Wandern, Berge, Radfahren, Berge, Campen, Berge), die seinerzeitige Verschwörung des geldgierigen Moslemvereins gegen Cassius Clay, Gott habe ihn selig, die Weltreligionen (großer Mist, wofern monotheistisch) und Aufbau und Struktur des menschlichen Haares und dessen Pflege (mit Bildern). Wenn mir mal wirklich ganz arg fad sein sollte, dann lasse ich mir von ihm Strähnchen machen. Oder eine Dauerwelle.

Zwischendrin hatte Hakan immer noch Zeit genug, telefonisch oder persönlich weitere Kundentermine zu vereinbaren, der Henna-Dame die Wärmelampe mehrfach nachzujustieren, ein Käffchen zu trinken und für folgenden Dialog, der es bei mir ungeschlagen auf das Siegertreppchen in der Kategorie “Schönste Wortwechsel” (Unterkategorie “mitgehört”) geschafft hat.

Kunde [reißt die Tür auf und ruft in den Raum]: “Host in ana Stund Zeit für mi, Hakan?” [Schaut den Friseur (rotkariertes Hemd, Hirschlederne, gestrickte Ganzwadelwollschoner, handgenähte Haferlschuh’) von oben bis unten an und grinst zustimmend nickend]: “Fesch schaugst aus. Wia a richtiga Bayer.”

Hakan [schaut ebenfalls an sich herab und nimmt eine Hand in dieser Bewegung mit, endet fast in einer leichten elegant-galanten Verbeugung, grinst seinerseits und antwortet]: “Alles nur getürkt.” Hakan hat in mir eine neue Kundin.

Ach ja, und Kaffee trinken waren wir danach auch noch. Plan erfüllt.

Wenn einer eine Reise tut, dann tut er die nicht ohne Hut

Ich gehe auf Reisen. Dazu packe ich in meinen Koffer neben diesem und jenem immer zwingend eine Schirmmütze. Kein blödes Baseballcap. Nix mit dummen Sprüchen oder gar Sportvereinslogos drauf. Nein, vorzugsweise eine Ballonmütze in einer neutralen Farbe, die gleichermaßen Sonnen- wie Regenschutz kann. So eine, wie sie auf Bildern aus den Zwanzigern jeder Prolet und Bert Brecht trägt. So eine wie die, die ich Depp im letzten Jahr in der Siebener-Tram in Stockholm habe liegen lassen.

So groß war meine Not, dass ich trotz ungemein erschwerter Bedinungen (es ist a) immerhin Oktoberfest und andere Leute haben b) gerade ihren Arbeitstag beendet und drängen mir den Zug voll) mit der U-Bahn “in d’Stodt eini” gefahren bin. Ich hätte ja gedacht, dass im Herbst die Kappenlager voll sind, weil alle eine Kopfbedeckung brauchen. Da lag ich aber falsch. Richtig ist vielmehr, dass es während der Wiesn überall nur Trachtenfake gibt, auch fürs Haupt, und in den Accessoire-Abteilungen neben dem Billigedelweißschmuck ausschließlich Loopschals zu finden sind. Hrrrrggggn!

Im dritten und (so beschlossen) letzten Kaufhaus waren sie spät dran, da wurde die Zubehörabteilung gerade für die 5. Jahreszeit eingeräumt und alles, was den Normalbedarf deckt, lag schon in Lagerkisten. Die Dekorierdame hat mir großzügig gestattet, mich darin selbständig (“fleisch hom Se no Jlick”) auf die Suche zu machen und in der dritten Box wurde ich unter einem Bündel Loopschals fündig.

Inzwischen gehört mir eine wunderschöne kardinalrote Ballonmütze aus Schurwolle aus der Werkstatt des Traditionshutmacherhauses Mayser zum Wiemachtmaneineschwäbinglücklich-Viertel des Originalpreises. Außerdem ist Rot in meiner Welt eine angemessen neutrale Farbe.

Von mir aus kanns jetzt losgehen.

Traumdeuter gesucht

Dass ich seit Nächten von blühenden Lavendellandschaften träume, ist nachvollziehbar. Schließlich habe ich am Wochenende meine dicke warme Winterdecke aus ihrer Duftseifensommerfrische geholt und wickle mich jetzt nächtens vor dem Einschlafen wieder in einen unten, oben und seitlich geschlossenen Schlafkokon.

Eine Frage hätte ich aber doch: es waren keine Seifenstücke mit Kohlaroma im Mottenabwehrcocktail, auch ist die Decke nicht made in Korea; warum also bereite ich in diesen lila Landschaften jede Nacht ein Sauerkrautgericht zu? Professor Freud, übernehmen Sie.

Aus.

So, mit IRENA (s. https://flockblog.de/?p=33002) hab ich heute Schluß gemacht. (Ein paar Tage später als geplant, aber letzte Woche mit Halbverkühlung in Hals und Nase und einem starken Mißverhältnis zwischen Nochzutun und Endederwochenaht im Kreuz gings einfach nicht anders.)

Ein letztes Mal an den Geräten gequält, ein letztes Mal im Bewegungsbad gedrängelt. Ich kenne sonst keine ambulanten Reha-Einrichtungen und weiß also nicht, ob das ein systemisches Problem ist oder an dieser liegt, die ich besucht habe: mir scheint es wenig zielführend, wenn man im Wasser oder zu Lande (“Nachsorgegruppe” = Turnen unter Anleitung) die Rehabilitanten ohne Ansehen ihres zu heilenden Körperteils zusammentreibt. Gewiß, mir schadet es nicht, die Schultern zu entspannen oder den Rücken zu stärken, aber ich hab halt mal Knie und das hats nötiger.

So gut die Irena-Idee grundsätzlich sein mag, so sehr leidet dieses Programm doch an den viel zu starren Regeln der Rentenversicherungsbürokratie (“Sie brauchen mehr Wassereinheiten? Geht nicht, das sieht die RV nicht vor, auch wenns Ihnen noch so gut täte. Ab an die Maschinen.”) und am Gewinnstreben der angeschlossenen Reha-Einrichtung. (“Wenn sich alle auf die Zehenspitzen stellen und die Luft anhalten, passen immer noch ein paar mehr ins Becken oder in die Halle.”) Das ist verständlich, aber dem Heilungserfolg nicht so zuträglich, wie es sein könnte.

Nein, ich will mich nicht nur beschweren, ich habe konkrete Verbesserungsvorschläge:

1. Gebt den Rehabilitanten Entscheidungsfreiheit, Sire. Jedem stehe, wie bisher auch, eine gewissen Anzahl an Stunden zu sowie eine Auswahl an Trainingsmöglichkeiten (drin, draußen, Wasser, Land, Halle, Geräte etc.), der Proband stelle das Trainingsprogramm jedoch selbst zusammen, nach Eichnung und Neichung und selbstverständlich in Abstimmung mit dem medizinischen Fachpersonal. Wer das nicht will oder kann, bekommt einen Plan vorgegeben, so wie bisher auch.

2. Man behandle verletzungsspezifisch. Knie mit Knien, Hüften mit Hüften, Schultern mit Schultern. Mit der aktuellen Methode ist das wie bei T-Shirts: One Size Fits No-One.

El Knie und ich machen jetzt erst mal Urlaub. In Städten rumlaufen, in Meer und Poolen schwimmen und wenn wir wieder da sind, überlegen wir uns, was uns an Heilung noch fehlt und wer dabei helfen darf.

Neu im TV: Strike – The Cuckoo’s Calling

Die BBC hat mir geschrieben. Okay, ich habe einfach den Newsletter abonniert, aber “die BBC hat mir geschrieben” klingt einfach cooler. Sie hätten jetzt, gemeinsam mit HBO, die “Strike”-Romane von Robert Galbraith verfilmt, jeden als zwei bis drei Folgen lange Miniserie. Robert Galbraith ist, wie wir alle wissen, J. K. Rowlings Pseudonym, wenn sie für die Großen schreibt. Weil ich seinerzeit nicht dazu gekommen bin, die Bücher zu lesen, dachte ich mir, “auch recht, dann schau ich halt mal fern”.

Der Harry Potter für Erwachsene heißt Cormoran Strike (Tom Burke), ist Afghanistan-Veteran (Bombenentschärfer, natürlich) mit Beinprothese, nunmehr Privatdetektiv mit einer Handvoll Traumata, bösem monetärem Engpaß, Fags and Booze und diesem leicht verschmuddeltem Teddybär-Charme, der Frauen dazu animiert, diesen Mann um jeden Preis retten zu wollen. Auch (und vor allem) gegen seinen Willen.

Ihm zur Seite gegeben wird Holliday* Grainger als Assistentin, die, da folgt Frau Rowling den ungeschriebenen Odd-Couple-Regeln, eigentlich nur als Aushilfe für eine Woche kommen sollte, aber dann ihre Neigung zum Arbeitgeber und zur investigativen Tätigkeit entdeckt und bleibt. Außerdem gibt es natürlich den offiziellen Ermittler bei der Polizei, mit dem Cormoran (mon dieu) eine Art Haßliebe verbindet, aber irgendwie enden sie dann doch als Brothers in Arms.

Der Fall ist wenig spektakulär, eine klassische Whodunnit-Geschichte, spielt in London mit all seinen Milieus und Licht- und Schattenseiten. Das ist hübsch und detailverliebt gezeichnet und macht Spaß anzusehen. Ich bin auch nur deswegen vorzeitig auf den Mörder gekommen, weil ich vermutet hatte, dass zu Frau Rowlings Vorbildern Agatha Christie zählt. Mehr sog i ned.

Falls es mal auf Deutsch im hiesigen Fernsehen kommt: das kann man sich ansehen.

 

* Ich hoffe sehr, dass das ein Künstlername ist. So sehr können Eltern ihr Kind doch hoffentlich nicht hassen.

Vorfreude

Navi aus dem Auto geholt und ihm Toskana beigebracht, den essentiellen Pack Notfallsnickers zum Einpackstapel gelegt, Koffer entstaubt und Wetter in Florenz überprüft – der Internet sagt, es soll an dem Tag schlechter werden, an dem wir ankommen. Gebe den Florentinern hiermit Gelegenheit, das noch einmal zu überdenken. Gefälligst.

Der Lektürestapel ist schon begonnen und ich habe noch bis Donnerstagabend Zeit, ihn zu verfeinern, das eine oder andere zu verwerfen oder hinzuzufügen – es will schließlich reiflich überlegt sein, was in der Scheunenwoche in Radicondoli weggelesen werden soll.

Außerdem wünsche ich nur leichtes sommerliches Gewand zu packen und zu benötigen. Es scheint, dass in fast allen Kulturen entweder der Chef selbst oder ein ihm sehr naher, ebenfalls männlicher Gott, Wetterbeauftragte sind. Also, Ba’al, Hadad, Iškur, Jupiter Dolichenus, Quetzalcoatl, Ra, Thor, Tari, Tarḫunna, Teššup, Teišeba, Tinia, Zeus – fühlt euch angerufen and let the sun shine!

Grazie molto.