San Bruno räumt auf und versucht, zur Normalität zurückzufinden. Dazu gehört, dass seit heute vor einer Woche die ersten Bewohner (bis heute allerdings immer noch nicht alle) der von Gasexplosion und Großfeuer betroffenen Wohngegend zu ihren Häusern zugelassen wurden; kenntlich gemacht mit Armbändern (“so wie in Disneyland”). Für manche war es denn auch das Ende des Schreckens: ein grüner Aufkleber am Haus bedeutet, dass es sicher ist, das Haus wieder “in Betrieb zu nehmen”, mit Hilfe der Mitarbeiter von PG&E Strom, Gas und Wasser wieder anzuschließen und dann wieder zu wohnen. Carmen von nebenan ist ihr Dutzend Gastkinder los, ihre weit verzweigte Verwandtschaft ist soweit glimpflich davongekommen. Bei einer Schwippkusine war die gesamte Garage samt Inhalt (Garagen sind hierzulande Speicher und Keller) löschwassergetränkt. Das sieht sie aber gelassen, statt des Aufwands für einen Garage Sale werde sie nun eben das Gezerre mit der Versicherung haben.
Versicherungen. Großes Thema. Im Amerikaner ist das Bestreben ein Eigenheim zu besitzen quasi genetisch verankert. Wer “nur” zur Miete wohnt, hat es “nicht geschafft”. Also nimmt man horrende “Mortgages” (Hypotheken) auf, um zu einem “Home” zu kommen (dann folgt “Home Improvement”). Da man fast nie selbst neu baut, sondern kauft, übernimmt man nicht selten die Hypothek des Vorbesitzers, zu dessen Konditionen, wie immer das Zinsniveau zu dieser Zeit war. Als “Sicherheit” besteht die Bank auf Versicherungen für Neueigentümer, Grundstück und Immobilie; wo diese abzuschließen seien, diktiert sie ebenfalls – meist beim bankeigenen oder -assoziierten Versicherungsunternehmen zu dessen nicht zwingend wettbewerbsfähigen Raten. Klar, dass da nicht mehr viel Geld für eine Hausratsversicherung übrig bleibt. Das heißt, dass bei den Menschen, deren Häuser zerstört sind, die Bank aus der Versicherung entschädigt wird, die “Besitzer” aber nicht. Sie müssen, bis das Haus wieder aufgebaut ist (große Auseinandersetzungen, in wessen Verantwortung der Wiederaufbau fällt, laufen schon), ihre Hypotheken weiterbezahlen, irgendwo im Hotel oder bei Freunden Unterschlupf finden und alles, was in den Häusern war, aus eigener Tasche ersetzen. Es gibt dem Vernehmen nach 37 Häuser mit “orange tags”, das bedeutet, die Bewohner können zwar ihre Habseligkeiten herausholen (und dann irgendwo für Geld einlagern), aber nicht mehr zurück, weil das Haus vermutlich abgerissen werden muss. Darüber hinaus eine zweistellige Zahl von Häusern mit roten Markierungen, die nie mehr betreten werden dürfen.
PG&E hat zwar einen bis zu 100 Millionen Dollar schweren Hilfsfonds bereitgestellt, mit Soforthilfen für die einzelnen Bewohner und einem Riesenpappendeckelscheck über drei Millionen für die Gemeinde San Bruno (auf einer Betroffenen-Versammlung überreicht), muss sich aber auch den Anschuldigungen stellen, dass man von der korrodierten Leitung seit über fünf Jahren gewußt, die zurückgestellten Gelder aus dem Reparaturfonds aber nicht ausgegeben habe. Ich könnte mir vorstellen, dass auf das Unternehmen eine Sammelklage mit immensen Schadenersatzforderungen zukommt.
Aktuell ermitteln allerlei Behörden, es wird immer klarer, dass in den vierziger Jahren mehrere dieser “Natural Gas” Leitungen mitten durch damals menschenleeres Gebiet in Kalifornien gelegt, und diese Gegenden später als Bauland ausgewiesen wurden. Das Problem ist also aus aus einer Mischung aus Profitgier und “wird schon gutgehen”-Wurstigkeit hausgemacht. Überall wird inzwischen getestet und repariert. Die Nachbarn, die tagsüber zu Hause sind, erzählen, dass immer wieder Strom und Gas abgestellt werden – ich bin nicht sicher, ob wir uns schon wieder sicher fühlen können.
Andrerseits: wir wohnen direkt auf dem San Andreas Graben…