Endlich. Meister Anthony ist von seinem zweiwöchigen Jazzcamptraining “somewhere in the woods” zurĂŒck (konnte mir den Kalauer mit “Songs from the Wood” nicht verkneifen, aber er ist wohl kein Jethro Tull Fan). Weil ich die erste war, durfte ich zusehen, wie er den Raum vorbereitet: Kerzen anzĂŒnden, an der Kerzenflamme ein RĂ€ucherstĂ€bchen vorglĂŒhen, dabei die Kerze löschen und das RĂ€ucherstĂ€bchen mit Wachs vollmatschen. Mich mit “Holy Oil” salben, FlĂ€schen verfĂ€ngt sich in den KuttenĂ€rmeln, FlĂ€schchenverschluĂ ist nicht mehr aufzufinden, Riesenfettfleck. Aber wir duften jetzt sehr gut. “You know what, that happens to me all the time – I’m, like, the Jerry Lewis of the Shamans!” FĂŒr diesen Satz werde ich ihn immer in meinem Herzen tragen. Wir sind gemeinsam durch unser Klassenzimmer (Rumpelkammer einer Musikschule) spaziert, Anthony hat das RĂ€ucherstĂ€bchen geschwungen und ein biĂchen rumgebetet, um den Raum in “good mood” zu bringen. “Was fĂŒr ein Duft ist das denn?” Breites Grinsen dieses Zweimeterzweizentner-Rastamannes: “Black Love…”
Als meine Klassenkameradinnen eine Viertelstunde spĂ€ter immer noch nicht da waren, einigten wir uns darauf, dass ich ein GlĂŒckspilz sei und eine “individual lesson” bekomme. Anthony hatte einen sehr stressigen “one of these days”-Tag hinter sich und wurde schon vom Vormachen zusehends entspannter (weswegen er die Klasse ja eigens auf Freitagabend gelegt habe, klar), mir ging es groĂartig – Einzelentspannungsunterricht – das ist etwas sehr Feines.
Auf einmal fing er an, an seinen HĂ€nden herumzuwerkeln. Wie? Was? Er lade gerade kosmische Energie auf. Ah? Ja. Hinsetzen, Augen und Mund zu machen, atmen. AnschlieĂend bekam ich die erste Reiki-Behandlung meines Lebens (da ist er natĂŒrlich auch Meister). Sehr groĂartig. Mein Drecksbein, das mich seit Tagen wieder mit Krampfschmerzen Ă€rgert und vom Laufen abhĂ€lt, wurde schlagartig viel viel besser.
Stunde aus, gemĂŒtlicher Teil. Wir haben uns beim Inder einen Chai geholt und ĂŒber Gott unterhalten (frĂŒher war Anthony ja mal Muslim, aus seiner Zeit spĂ€ter in der Talmudschule hat er noch einen Tallit, den er gerne anlegt, wenn ihm mal nach HebrĂ€isch beten ist, im Moment ist er ein Weiser der Santeria – ich finde, das vertrĂ€gt sich alles ganz wunderbar mit meiner agnostischen Weltanschauung, die ich auch gerne kurz mit dem rheinischen “Jeder Jeck is anders jeck” umschreibe). Dann gings um Sterne, genauer um “Star Wars” und die Dummheit der Jedi Ritter, die dafĂŒr verantwortlich sei, dass der arme Anakin Skywalker in sein UnglĂŒck rennt (“I’d tell ’em, hey dude, man, you are a fucking Jedi – why don’t you, like, fight the, like, evil fucking dark force when you see it. Man, even dude Joda missed the point…”). Ăber die Welt haben wir auch gesprochen: Anthony unterrichtet Musiktheorie in Oakland. Gestern auch? Ja. “But I crossed the Bay before they announced the verdict. Only a crazy man would have stayed in Oakland.” (Dazu mehr im nĂ€chsten Blogpost.) AuĂerdem habe er seine Brieftasche verloren – “and being a black guy without a license means being a dead black guy in handcuffs. Especially after dark in Oakland.”
Da hat er wohl nicht ganz unrecht.