Die erste Veranstaltung, die wir besuchen, findet in Stobreden, im “Haus für Klangkunst-Enthusiasten” in einer ausgesprochen schnuckeligen kleinen Villa statt. Der, in Ermangelung eines besseren Wortes, “Betreuer” ist ein sehr relaxter Herr mittleren Alters, der ganz begeistert von der Eröffnung und den 20 anwesenden Gästen in der letzten Woche berichtet und auf Nachfrage angibt, man habe jetzt “so zwei, drei Besucher am Tag”, wobei ich den Eindruck habe, dass die Zahl auch ungefähr seiner Betreuungskapazität entspricht – er macht auf jeden Fall einen sehr glücklichen Eindruck.
Stellt für uns die “Audio Ghosts” des Klangkünstlers Bernhard Gál noch einmal auf Anfang und lehnt dann im Türrahmen, um zu einzelnen Stücken enthusiastisch weitere Informationen vorzutragen. Dieses hier, “Strob #2”, beispielsweise habe der Künstler erstellt, indem er sein Aufnahmegerät einfach in den Kühlschrank der Gastwohnung gestellt und es Alltagsgeräusche, wie beispielsweise, hier, diese quietschende Tür habe aufzeichnen lassen. Huiui.
Es sind durchaus Stücke dabei, deren Sound einen Sog erzeugen, auf den ich mich einlassen kann. Vor allem, wenn menschliche Sprache im Spiel ist, die in jede Richtung gezerrt wird. Meine Toleranz geht aber stark nach unten, als “z…..z” erklingt, eine Viertelstunde lang extrem hohe Pfeiftöne, als würden Menschen, die nichts von Musik verstehen, vorgeben, Saiteninstrumente zu stimmen, so schmerzhaft, dass ich sie nur mit den Fingern in den Ohren ertrage. Danach gehen wir dann auch. Interessant, aber keine Kunst, für die es sich lohnen würde, den Küchenschrank zu verkaufen.
Unsere nächste Station ist der “Linke Laden” am kleinen Schäferkamp, in dem das Nishad Duo, bestehend aus den Herren Stefan Kiraly an der Gitarre und Julian Schäfer an allen anderen Instrumenten über indische Ragas improvisieren. Das ist mal interessant. Ich kann zwar Herrn Schäfer nicht glauben, als er behauptet, “früher gab es in Indien kein Licht”, sehe ihm aber so gut wie alles nach, denn er beherrscht eine ungeheure Zahl an Instrumenten und fühlt in sich eine Lehrauftrag. Kein Instrument bleibt unerklärt: zwei verschiedene Bambusflöten aus Indien, eine persische und eine afrikanische Trommel. Letztere eine sogenannte “Udu”, aber “von einem Franzosen gefertigt, der sich daran hält” aus Ton und mit zwei verschiedenen Tierfellen bespannt. Ein irrer Klang! Außerdem eine wunderschöne Saz aus der Türkei. Weltmusik im besten Sinne. Ein sehr schönes und sehr außergewöhnliches Konzert.
Der “linke Laden” war mal ein besetztes Haus, besticht im Eingangsbereich dadurch, dass jede Fläche mit Aufklebern gepflastert ist, für deren Lektüre man Stunden aufwenden könnte und kommt mit den knapp 20 Anwesenden arg an seine Kapazitätsgrenzen. Hocker, Fensterbänke, Tischchen werden zu Sitzgelegenheiten umgewidmet, bis alle einen Platz haben. Das hat sehr viel Charme. Es hätte sicher auch Spaß gemacht, sich durch die Klosprüche zu lesen, allein, die Treppe nach unten ist arg steil und dann war da auch noch die mystische Pfütze… Egal. Es ist auch so ein ganz eigener Veranstaltungsort.
Auf dem Rückweg, wo es um 22:00 Uhr immer noch hell ist, hach! fällt mir wieder auf, dass es keine Mauer ohne Graffiti gibt, Sympathie für die Rote Flora, Antipathie gegen Nazis und Miethaie überall hingesprüht sind, Schmutz und Schmuddel existiert. Das ist die Art von urbaner Subkultur, die in München immer gleich sofort weggekärchert wird. Wäre ja noch schöner. Und ist so schade.
Wir schmieren uns gerade Brote und füllen die Wasserflaschen. In zwei Stunden fängt der “Faust” im Thalia-Theater an. Der erste und der zweite Teil. Achteinhalb Stunden. Jedem seins… Ich werde berichten.