Nachtkritik*: David Berlinghof – “Wohlfühlprogramm”, Premiere im Hoftheater München**

Es empfiehlt sich, in seinem Leben mindstens einen Menschen zu haben, der zwar sein Theaterwissenschaftsstudium im Gegensatz zu einem selbst nicht abgeschlossen hat, aus dem dafür dann aber eine stark nachgefragte Regisseurin geworden ist. Dann wird man nämlich zur Premiere ihres neuen Künstlers eingeladen. Jaha. Recht herzlichen Dank auch, Mrs. Rothmüller!

Und so bin ich vorhin bei David Berlinghof aus Illerberg in seinem bayrisch-schwäbischen Musikkabarett gelandet, sehr kongenial begleitet vom Kontrabassisten Felix Renner. Berlinghof ist studierter Musiker, hat eine ausgesprochen schöne und mehroktavige Lagen umfassende Stimme, springt lustig zwischen elektrischer und akustischer Gitarre hin und her und ab und zu spielt er auch Piano, wie’s halt grad am besten passt, zum selbst proklamierten populistischen Liedgut. Felix Renner liest nebenher Schiller (mit gutem Grund, verrate ich aber nicht), muss gelegentlich zum “Schaffen” geholt werden und hat ganz offensichtlich Freude an dem, was er da tut und sehr gut macht. Es ist erfreulich zu sehen, wie gut die Chemie zwischen den beiden stimmt.

Berlinghof schaut genau hin, beim Zeitgeist und unser aller kleinen und großen Schwächen und nimmt sie mehrsprachig (schwäbisch, bayrisch, bayrisch-schwäbisch, Hochdeutsch sowie Flamenco) auf die Schippe. Alle, die im “Ausland” an unserer schwäbischen Dialektprägung erst einmal gelitten haben, konnten a) sehr mitfühlen und b) sich auch ganz arg freuen, dass er den Dialekt und landsmannschaftliche Eigenheiten zwar auf den Präsentierteller legt, aber liebevoll. Und sie nie verrät. Musikalisch sind die beiden eh top! Gegen Ende erinnert er sein Publikum sehr geschickt noch an die Bedeutung der Demokratie und dann ist leider aus. Schade. Meine absoluten Favoriten waren das Liebeslied (Mehrfach-Hach!) und der wunderbare Übergang zu “Burn, Motherfucker, burn!” Und der Flamenco (auch arg Hach!). Und “Brumm, Brumm”. Und das Klo vom Eddie. Und… Und wen das noch nicht neugierig gemacht hat, der ist selber schuld. Hah!

Aber was mache ich hier eigentlich? Mensch! Hätte ich beinahe die Kernbotschaft mißachtet: “Ned gschimpft isch globt gnua.”

Mann!

Danke den Künstlern, der Regisseurin und dem Haus – beim nächsten Mal bringe ich mehr Leute mit, versprochen. Kann ja bei Bedarf simultan übersetzen.

* “Nachtkritik” ist vielleicht ein bißchen übertrieben, die Vorstellung fing schon um 18:00 Uhr an. Andererseits: es ist dunkel draußen. Gilt also.

** Wem das Hoftheater nichts sagt, dem geht es, wie mir gegangen war. Inzwischen weiß ich, dass es ein ganz herziges Theater mit – geschätzt – ca. 100 Plätzen ist, direkt in Sendling, im Stemmerhof (https://hof.theater/). Werde ich mir merken.

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