Auf dem Hunsrück V

Frühstücksraum in der Pension. Wer allein sitzt, hat das Ohr am Nebentisch und findet heraus, was den Rest der Samstagmorgengäste umtreibt.

Am balkonnächsten Tisch sitzt ein Paar meines Alters, das sich auf einer Ü50-Partnerbörse kennengelernt haben dürften. Namen haben die… meine Fresse! Ich zitiere aus der Bestenliste, und zwar die ersten fünf: Lemonswan.de, Zweisam.de, Lebensfreude.de, Zusammen.de und LoveScout24.de. Irgendwo da haben sie einander nun gefunden, die beiden ehemals einsamen Herzen, und verbringen nun ein romantisches Wochenende im Hunsrück miteinander. Nicht zu übertrieben die Investition, eher erst mal sparsam, in einer Pension garni in Emmelshausen und nicht etwa in einem Boutiquehotel an der Mosel.

Worüber spricht man nach der Nacht im Doppelbett im Doppelzimmer? Er reminisziert die guten alten Zeiten, wo es auf Bundesanleihen noch sechs, sieben oder gar acht Prozent Zinsen gab und die Papiere bei der Bundesschuldenverwaltung kostenlos verwahrt wurden. Sie will eher wissen, wieviel er denn da so hat verwahren lassen. Die Antwort fällt ausweichend aus. So geht das die geschlagene halbe Stunde, in der ich frühstücke. Nur ums Geld, und was für “das Alter” auf der hohen Kante liegt. Für abends haben sie irgendwo ein “Überraschungsdinner mit Wein” gebucht. Selbst, wenn das Essen nicht gut sei, konstatieren sie übereinstimmend, seien die dafür vorausbezahlten 50 Euro den Abend allemal wert, wo doch auch die Getränke und die Busfahrt inbegriffen seien. Das ist fucking nochmal “my generation”. Will nicht.

Am nächsten Tisch lästern zwei holländische Ehepaare über die “Moffen”. Das ist einen Tag vor dem Jahrestag des Endes des 2. Weltkriegs angemessen. Weiter.

Dort sitzen drei junge Männer, die aussehen wie meine Kollegen. Muskulös, Bärte, Tätowierungen, feuerfeste Sicherheitskleidung, dicke Stahlkappenstiefel, angewachsene Kopfbedeckung. Die besprechen Kleinkindererziehung und zwar das beste Alter, in dem Zwerge nicht mehr im Elternbett, sondern im eigenen schlafen sollen. Nach einigem Für und Wider einigt man sich auf recht früh. Dann müsse man vielleicht erst mal noch etwas häufiger aufstehen, aber das wichtigste sei doch, dass der Nachwuchs immer einen Platz habe, zu dem er heimkommen könne, wenn was in seinem Leben nicht in Ordnung sei. “Urvertrauen”, darum ginge es, sagt einer abschließend. Danach verabschiedet er sich, weil er “noch scheißen muß und das besser uff Porzellan geht als uff Dixie” und die anderen beiden erörtern den Bau von Gartengrills und Feuergruben bzw. -körben im Eigenbau, wo man mit Stahlplatten ja so einiges Ordentliche schnell hinflexen und -schweißen könne. Endlich. Klischee. Was hätte man denn sonst machen sollen…

Ausgefrühstückt.

Ich fahre dann heut mal an den Rhein und lass den Hunsrück Hunsrück sein.

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