Mogelpackung

Ich weiß ganz genau, als ich diese noch nicht ganz zu Ende gegangene Woche angetreten habe, stand auf der Packung “Nur leichte Gebrauchsspuren”. Mehr gelogen als das geht gar nicht! Level: Hyper-Pfeilgrad! Nämlich. Ich bin sicher, dass alle Second-Hand-Shops, denen sie angeboten worden war, sofort ablehnt haben. Wahrscheinlich auch die Third- und Fourth-Hand-Shops. Irgendein Lumpensammler wird sie genommen (“nur in Kommission”) und voll krimineller Energie ein falsches Etikett draufgepappt und mir, die ich in Eile war, angedreht haben. Meine Fresse! Augen auf beim Wochenkauf!

Es fing damit an, dass ich in meinem Hunsrücker Laden die ganze liebe lange Woche über nicht eine, sondern mindestens zwei, meist aber gleich drei Kröten pro Stein aufdeckte. Wie ich das meine? Nun, ich bin dafür eingestellt, keinen Stein unumgedreht zu lassen. Wenn dann “mal” (haha) eine Kröte drunter hocken sollte (der Konjunktiv ist in diesem Zusammenhang ein Witz), dann habe ich diese einzufangen, in die Wildnis zu entlassen und anschließend dafür zu sorgen, dass die Steine zukünftig ordentlich und wohlstrukturiert zu einer geraden Straße in eine glänzende Zukunft zusammengebaut werden. Je mehr Kröten, desto holper. Je holper, desto mehr Arbeit. Hrrrrggggnnn!

Dann Wintereinbruch. 30 cm Neuschnee in drei Stunden. Bloß, weil er es kann, der Hunsrück. Das nehme ich ja immer als persönliche Beleidigung sowie schlimme Körperverletzung. Ich mein, wer steht schon gerne in Halbschuhen im Tiefschnee und kehrt und kratzt sein Auto frei? Heute schien dann wieder die Sonne, als wäre nichts gewesen. Die Straßen nicht mehr schneebedeckt, sondern asphaltschwarz, so wie wir das kennen und mögen. Allerdings auch so matscheverschmiert und feucht, dass ich in den ersten 50 Kilometern Richtung Mannheim mal flott eine komplette Scheibenreinigungsflüssigkeitstankfüllung (ich liebe deutsche Komposita) verspritzelt habe.

Endlich Mannheim, endlich Bahnhof. Der Vorplatz schwarz vor Menschen, die Eingänge gesperrt. Die, die da schon länger standen, wußten zu erzählen, dass ein ankommender Passagier beim Aussteigen laut brüllend und sich mehrfach wiederholend seine Symptome (Fieber, Schnupfnase, Rauhhals) sowie das Reizwort “Corona” kundgetan habe. Darauf Bahnpolizei, richtige Polizei, Feuerwehr, Sanitäter, Seuchenschutzanzüge, Bahnhof sperren. Habe das beim netten Dönerladen gegenüber ausgesessen, Tee getrunken und darüber ein Buch vollends ausgelesen. Kaum zwei Stunden später wurde der Fahrbetrieb wieder aufgenommen. Da war mein gebuchter Zug (mit Sitzplatzreservierung) längst “ausgefallen” und der folgende “abgesagt”* und der nächste, der dann endlich nach München fuhr, über-überfüllt. Ahaber ich hatte so dermaßen Knie mit Schlimmhinken und Schlimmleiden, dass mich eine freundliche Zugbegleiterin, die ich noch am Bahnsteig angesprochen hatte, persönlich zum letzten freien Platz ins Familienabteil begleitet hat.

Beobachtung: Manche Menschen haben sehr laute Kinder und sind offensichtlich an frühkindlicher Stimmbildung mehr interessiert als an den empfindsamen Ohren anderer Leute. Habe mein zweites Buch aufgrund einer konstanten Konzentrationsstörung (vulgo Brüllkind) wieder eingepackt und dumme Dinge auf dem Handy gedaddelt. Diese Leute hätten beispielsweise in Stuttgart aussteigen können, dem ersten Halt nach Mannheim. Haben sie aber nicht getan. Sie sind bis München durchgefahren.

Jetzt isses so spät, dass im Metropoltheater wahrscheinlich die Vorstellung, für die wir schon so lange im Voraus Karten gekauft hatten, längst vorbei ist. Wenn sich der morgige Samstag nicht richtig ins Zeug legt, dann war das die in diesem Jahr bis dato schlimmste Woche und der Februar ist noch nicht mal rum.

Wertung: Vier von drei Kröten.

* Um den Unterschied zwischen “ausgefallen” und “abgesagt” zu verstehen, muß man mindestens Absolvent der DB-Akademie sein. Für Laien wie mich ist das alles eins: kein Zug, nirgends.

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